BVB plant eigenes Frauen-Team
16. Juni 2020Die Schlagzeilen machen weiter die Männer: "Borussia Dortmund für die Champions League qualifiziert", titeln diverse Medien nach dem jüngsten Spieltag der Bundesliga. Eine andere Nachricht schaffte es dagegen nicht in die Sportteile der Tageszeitungen. Der BVB lotet die Möglichkeiten für eine eigene Frauen-Mannschaft aus. In einer Umfrage unter den Fans berichtet Borussia Dortmund, "mit Hochdruck an der Entwicklung eines Konzepts zum Frauenfußball beim BVB" zu arbeiten und stellt dazu diverse Fragen an die Fans: angefangen von der Frage, ob man überhaupt schon mal ein Frauenfußballspiel gesehen habe über das Wissen zur Frauen-Bundesliga bis hin zu konkreten Fragen der Etablierung (Kauf einer Lizenz oder ein langer, sportlicher Weg von der Kreisklasse hinauf bis in die Bundesliga) - der BVB will verstehen, was die Fans von einer möglichen Frauen-Mannschaft erwarten. Dortmund ist nach eigenen Worten "der einzige Verein der Top 17 Uefa Männermannschaften ohne Frauenteam".
Als vorletzter großer Player des europäischen Fußballs hatte Real Madrid im Vorjahr ein Frauen-Team gegründet. Andere wie der FC Bayern München oder Paris Saint-Germain haben bereits seit den frühen 70er Jahren Frauenmannschaften. Warum tut man sich im Ruhrgebiet also so schwer mit dem anderen Geschlecht?
Lange Zeit tappte die Öffentlichkeit bei dieser Frage im Dunklen. Eine Anfrage der DW dazu beantwortete der Verein im Vorjahr nur knapp: Borussia Dortmund habe keine Tradition im Frauen-Fußball. Fans wie Nicole Selmer, die regelmäßig im Podcast "FRÜF - Frauen reden über Fussball" zu hören ist, hatten lange Zeit das Gefühl, nicht gehört zu werden: "Ich denke, die Vereinsspitze sieht keine Notwendigkeit in einem Frauen-Team. Es gibt keine starke Tradition dafür im Verein und ich glaube, dass es bisher kaum Druck gab, ein Frauen-Team zu gründen."
"Fußball ist für alle da - Frauenteam jetzt"
Das könnte sich inzwischen gewandelt haben. Bei der letzten Mitgliederversammlung im November hoben einige Fans das Thema auf die Tagesordnung und auch im Stadion wird der Wunsch der Anhänger nach einer weiblichen Mannschaft inzwischen artikuliert. "Fußball ist für alle da - Frauenteam jetzt" stand auf Spruchband, das während des Bundesligaspiels zwischen Dortmund und Paderborn zu lesen war. Eine Botschaft, die keine geringere als die Kapitänin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft inspirierte: "Wäre schön, wenn es passiert und ich meine Karriere vielleicht bei meinem Herzensverein beenden könnte!", schrieb Alexandra Popp, Offensivspielerin des VfL Wolfsburg, auf Instagram. Mit Almuth Schult und Lina Magull forderten weitere Spielerinnen den BVB auf, die Pläne für ein Frauenteam voranzutreiben, gleiches tat auch DFB-Präsident Fritz Keller.
Es tut sich also etwas beim BVB, der übrigens schon lange eine weibliche Handballmannschaft besitzt. Den Ball ins Spiel gebracht haben die Fans. Der BVB-Fanklub "Ballspiel.Vereint!", der sich gegen Diskriminierung einsetzt, steht hinter dem ersten Banner Ende 2019 und fordert nun Bewegung in der Vereinsspitze. Die Fan-Umfrage ist nun ein sichtbares Signal des Wandels. Die gestellten Fragen suggerieren, dass es nicht mehr länger um die Frage des Ob, sondern viel mehr um die Frage des Wie geht: Wie genau soll der BVB ein Frauenteam aufbauen? Sollte man zunächst lokale Vereine unterstützen, und ein Amateurteam gründen oder direkt per Lizenzkauf richtig in die Vollen gehen?
"Ihr spielt wie Frauen"
"Die Umfrage dient der Erstellung eines Meinungsbildes, wie sich Borussia Dortmund perspektivisch mit dem Frauenfußball auseinandersetzen möchte", antwortete der BVB auf eine DW-Anfrage zum Ziel der Aktion. "Ob und in welcher Form wir dies tun werden, soll den Mitgliedern auf der nächsten Mitgliederversammlung präsentiert werden." Basisdemokratisch soll also der Entschluss fallen. Wenn Frauenfußball, dann getragen von einer Mehrheit der Vereinsmitglieder. Borussia Dortmund ist bekannt für sein Engagement gegen Rechtsextremismus, das von einer breiten Mehrheit der Fans getragen wird. Auch Gleichberechtigung ist ein zentraler Wert, den der Verein vermitteln will. In der Vereinssatzung ist festgehalten, dass der Verein "die Funktion des Sports als verbindendes Element" fördert, und "Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft, Glauben, sozialer Stellung oder sexueller Identität eine sportliche Heimat." Nicht alle auf den Tribünen haben diese Grundsätze verinnerlicht, berichten Vertreter des Fanklubs "Ballspiel.Vereint!", die Rufe wie "Ihr spielt wie Frauen" beklagen.
Ein Einstieg von Borussia Dortmund in den Frauenfußball könnte einen Trend verstärken: Dominierten in der Frauen-Bundesliga früher eigenständige Vereine wie der 1. FFC Frankfurt, der 1. FFC Turbine Potsdam oder der TSV Siegen, die einen klaren Fokus auf den weiblichen Fußball hatten bzw. haben, sind es inzwischen längst die großen Vereine des Männer-Bundesliga, die mit ihren Frauenteams den Ton angeben. Die deutschen Meister hießen seit 2012/2013 entweder VfL Wolfsburg oder FC Bayern München. Acht der letzten neun Champions-League-Sieger der Frauen waren Vereine mit einem finanzstarken Männerteam im Rücken. Die etablierten Marken des Männerfußballs haben es zudem in Bereichen wie Merchandising oder Medienpräsenz einfacher als reine Frauen-Klubs.
Ein weiblicher Marco Reus?
Ein weibliches Mitglied des Fanklubs "Ballspiel.Vereint!", das anonym bleiben möchte, hat eine klare Forderung an den Verein: "Wenn Du ein Mädchen bist und Fußball spielst, hast Du derzeit das Gefühl, dass Du keine Zukunft im Verein hast. Es ist wichtig, dass es auch Mädchenteams im Verein gibt. Und wenn es eines Tages auch weibliche Vorbilder im Verein gibt, wird das auch mehr Mädchen ermutigen, Fußball zu spielen. Dann müssen sie nicht mehr davon träumen, wie Marco Reus zu werden. Sie könnten davon träumen, eine Frau zu sein, die für Borussia Dortmund spielt."