Bosnien auf dem richtigen Weg
15. März 2012Im Januar war es endlich so weit: Die führenden Parteien der drei konstitutiven ethnischen Gruppen in Bosnien und Herzegowina, der Bosniaken, der Serben und der Kroaten, konnten sich fast 15 Monate nach den Parlamentswahlen über eine neue Regierung verständigen. Das wurde während einer Parlamentsdebatte in Straßburg am 14. März als positiv hervorgehoben. Die politische Krise hatte zuvor zu einem Stillstand der Gespräche mit der EU geführt, nun jedoch nahmen es viele EU-Abgeordnete anerkennend zur Kenntnis, dass die europäische Integration wieder ganz oben auf der Regierungsagenda in Bosnien steht. Es gebe immerhin einen "Keim einer Hoffnung" für die europäische Zukunft des Landes, erklärte der dänische Europaminister Nikolai Wammen. Allerdings stehe die neue Regierung nun vor gewaltigen Aufgaben.
Das dringlichste Bedürfnis sei die Einigung über einen Staatshaushalt für 2012, erklärte Wammen. Institutionen, die eine Rolle in der EU-Integration spielen, sowie eine konkrete Politik müssten finanziert werden. Auch ein globaler Haushaltsrahmen für den Zeitraum 2012-2014 müsse entwickelt werden, um zu einer soliden Haushaltspolitik zu kommen. "Hundert Millionen Euro für die makrofinanzielle Unterstützung von Seiten der EU können nur freigegeben werden, wenn dies vorliegt und eine Einigung mit dem Internationalen Währungsfonds erreicht wird“, warnte der EU-Ratsvorsitzende in Straßburg.
Licht und Schatten
Die diesjährige Berichterstatterin des EU-Parlaments für Bosnien und Herzegowina, Doris Pack (CDU), hatte die zerstrittene politische Führung des Landes in der Vergangenheit stark kritisiert. Auch heute konnte die für Südosteuropa zuständige deutsche Europaabgeordnete eine gewisse Skepsis nicht verbergen. "So lange das nicht alles ganz sicher ist, bin ich immer noch zögerlich zu sagen, sie sind jetzt den ganz großen Schritt voran", gibt Doris Pack zu bedenken. Aber sie hätten den Grundstein gelegt. In den ersten zwei oder drei Monaten dieses Jahres habe Bosnien viel mehr gemacht als in den letzten anderthalb Jahren, stellt die deutsche EU-Abgeordnete fest.
"Es gibt Licht, aber es gibt auch Schatten", erklärte der EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle. In Brüssel wird erwartet, dass die neue bosnische Regierung möglicherweise noch in diesem Monat ein EU- Beitrittsansuchen einreicht. Dagegen sprachen sich euroskeptische EU-Abgeordnete, wie der Österreicher Ewald Stadler, vehement gegen einen EU-Beitritt Bosniens aus. "Wir müssen ganz nüchtern erkennen, dass es dort schlicht und einfach keinen Willen zur gesamtstaatlichen Zusammengehörigkeit gibt. Es gibt auch keinen Willen zu einer gemeinsamen bosnisch-herzegowinischen Identität in diesem Staat", glaubt Stadler zu wissen. Dieses Land sei noch lange nicht fähig, der Union beizutreten oder überhaupt einen Kandidatenstatus zu erreichen.
Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Alexandra Scherle/Zoran Arbutina