Bouchra Karboubi - Schiedsrichterin gegen alle Widerstände
26. Januar 2024Als Bouchra Karboubi 14 war, zerrissen ihre Brüder ihre Linienrichterfahne. Sie wollten nicht, dass ihre Schwester "Hchouma" - also "Schande" über die Familie bringt. Heute, rund 23 Jahre später, ist die Marokkanerin eine der berühmtesten Frauen ihres Landes. Zumindest für all jene, die sich irgendwie für Fußball interessieren. Die mittlerweile 36-Jährige ist beim 34. Afrika-Cup der Männer als Referee im Einsatz. Beim wichtigsten Fußballturnier des Kontinents.
"Ich bin total stolz", sagt Karboubi der DW. "Für mich ist mit diesem Einsatz hier ein Traum in Erfüllung gegangen. Als ich vor vielen Jahren mit der Schiedsrichtern anfing, habe ich mir das natürlich nicht träumen lassen. Aber ich habe hart dafür gearbeitet. Und heute stehe ich hier. Es ist einfach wunderbar", sagt sie.
Ihre Brüder waren dagegen
Karboubi ist mit ihren vier Brüdern in Taza aufgewachsen, einer Großstadt im Nordosten Marokkos. Bei den Bewohnern der Stadt ist eher eine konservative Einstellung verbreitet. Es wurde in der Regel als Schande angesehen, wenn sich ein Mädchen in Shorts zeigte und gemeinsam mit Männern auf dem Fußballfeld stand. Ihre Brüder waren daher strikt gegen die Fußball-Leidenschaft ihrer Schwester. Sie hatten auch etwas dagegen, als Bouchra 2001 Interesse an der soeben in Taza eröffneten Schiedsrichterschule zeigte.
"Ich habe mir aber gesagt: Ich liebe Fußball - warum soll ich es nicht probieren? Auch gegen den Willen meiner Brüder", erzählt sie. Es folgte der Zwischenfall mit der zerrissenen Fahne, noch kurz vor dem Weg aufs Spielfeld nahm sie damals Nadel und Faden und reparierte das Utensil notdürftig. Bouchra war auf dem Weg, im Grunde war ihre Karriere als Schiedsrichterin schon damals nicht mehr aufzuhalten.
2020 - Hochklassige Feuertaufe unter Männern
2007 ging sie zum Studium der Betriebswirtschaft nach Meknes. Parallel zum Studium pfiff Karboubi damals bereits Zweit- und Erstligaspiele der marokkanischen Frauenliga. 2014 bestand sie den Fitnesstest, den der marokkanische Fußballverband zur Leitung von Männerspielen verlangte. Sie begann zunächst, unterklassige Männerspiele zu leiten und wurde 2016 schließlich auch für internationale Spiele auf dem afrikanischen Kontinent nominiert.
Karboubi sammelte beim Afrika-Cup der Frauen in Ghana 2018 internationale Erfahrung, bevor es 2020 dann soweit war: Die mittlerweile in den Polizeidienst eingestiegene Hobby-Schiedsrichterin durfte erstmals in Marokkos höchster Männerliga pfeifen. Die Partie zwischen Maghreb de Tetouan und Olympique de Kourighba war ihre Feuertaufe bei den Männern.
Sie bestand den Test und sorgte zwei Jahre später für ein Novum und gleichzeitig für ein Signal in der ganzen arabischen Welt: Als erste Frau durfte sie das Pokalfinale der Männer in Marokko leiten. Der 3:0-Sieg Al Fars über Atletico de Tetouan war in den Gazetten anschließend beinahe Nebensache. Man interessierte sich viel mehr für das Debüt der Schiedsrichterin in der vermeintlichen Männer-Domäne Fußball.
Symbol für Fortschritt der Frauenrechte
Seither gilt Bouchra Karboubi als so etwas wie ein Symbol für den Fortschritt der Frauenrechte in der arabischen Welt. Seit 2011 ist in der marokkanischen Verfassung die Gleichstellung von Frauen und Männern verankert. Doch die Realität sieht meist noch anders aus. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in der arabischen Welt ist vielerorts nach wie vor eine große Herausforderung.
Beim aktuell laufenden Afrika-Cup in der Elfenbeinküste ist Bouchra Karboubi als einzige weibliche Haupt-Schiedsrichterin dabei. Als Linienrichterinnen sind dazu noch Salima Mukansanga aus Ruanda, die Südafrikanerin Akhona Makalima, Bivet Maria Cinquela aus Mauritius und die Sambierin Diana Chikotesha dabei. Sie alle hatten schon Einsätze im Laufe des Turniers, sie alle konnten überzeugen.
Traum von der Männer-Weltmeisterschaft
Besonders Bouchra Karboubi stand im Fokus des Interesses. "Es ist gut gelaufen", urteilt sie selbst über ihre Cup-Premiere beim Spiel zwischen Nigeria und Guinea-Bissau in der Vorrunde. Sie kam ohne größere Vorkommnisse durch das Spiel, blieb als Schiedsrichterin unauffällig. "Ein gutes Zeichen", findet sie.
Mit dem Einsatz beim Afrika-Cup sind allerdings die Träume der marokkanischen Schiedsrichterin, die bei der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland im Einsatz war, noch nicht ganz erfüllt. "Einmal eine Partie bei der Männer-Weltmeisterschaft zu leiten - das ist mein ganz großes Ziel", sagt Karboubi der DW. Ihre Brüder dürften schon lange nichts mehr dagegen haben.