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Boxen für eine bessere Zukunft

Roxana Isabel Duerr 3. Mai 2015

Der Boxkampf zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao bewegt die Boxwelt. Für die Filipinos hat der Kampf jedoch eine größere Bedeutung, denn Pacquiao wird bei ihnen als Volksheld verehrt.

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Public Viewing beim Boxampf Mayweather vs. Pacquiao auf den Philippinen
Bild: DW/R.-I. Duerr

"Go Manny goooo!" - Enrico Velazquez schreit sich die Seele aus dem Leib. Er hat viel zu verlieren: neben seinem Nationalstolz noch einen ganzen Wochenlohn - umgerechnet zwanzig Euro hat er auf den Sieg seines Idols Manny Pacquiao verwettet. Der philippinische Box-Star gewinnt, da ist er sich ganz sicher: "Manny ist einer von uns, wir stehen alle hinter ihm." Mit seinen Nachbarn und Freunden sitzt er vor dem kleinen Elektronikladen im Dorf Loon auf der philippinischen Insel Bohol. Es ist ein schwül-heißer Sonntagmorgen, die sonst so belebten Straßen rund um den Marktplatz sind menschenleer. Das halbe Dorf steht vor dem kleinen Geschäft von Winston Reyes, der für jeden Kampf Pacquiaos ein kleines Public Viewing veranstaltet: fünf Fernseher und zwei kleine Zelte, darunter rund einhundert Menschen, vor allem Männer. "So groß wie heute war die Menge hier noch nie", sagt Reyes stolz. Während Pacquiaos Kämpfen sinkt die Kriminalitätsrate auf den Philippinen stets gen Null, das ganze Land sitzt dann gebannt vor den Bildschirmen - von Manila bis nach Mindanao, der Heimat Pacquiaos.

Vom Fischerjungen zum Multimillionär

Es sind die ersten Minuten des teuersten Boxkampfs aller Zeiten, die philippinische Nationalhymne ertönt. Der Kommentator brüllt in kurzen Sätzen den Werdegang des philippinischen Box-Stars. Es klingt wie ein Märchen - und für die Dorfbewohner wie ein entfernter Wunschtraum. Pacquiao wuchs in den Kriegsjahren auf und erlebte die Schrecken der Marcos-Diktatur. Mit zwölf Jahren wurde er zum alleinigen Ernährer seiner Familie. Als Fischersjunge sorgte er zunächst dafür, dass die Mutter und seine Geschwister keinen Hunger leiden müssen. Es war schließlich sein Onkel, der ihm das Boxen beibrachte - mit selbstgebastelten Handschuhen. Mit seinen ersten Kämpfen gewann Pacquiao einhundert Pesos, umgerechnet zwei Euro. Durch das Boxen wollte er seiner Familie eine bessere Zukunft eröffnen. Auch deshalb wird Pacquiao, der auch den Spitznamen "Pacman" trägt, von seinen Landsleuten so sehr verehrt.

Heute ist Pacquiao nicht nur Multimillionär, sondern einer der anerkanntesten Athleten weltweit. Dabei beschränkt sich sein Wirken nicht nur auf den Sport. Der 36-Jährige ist auch Politiker, Sänger, Schauspieler, Geschäftsmann, christlicher Prediger und sogar Botschafter der philippinischen Regierung.

Großer Ansturm beim Public Viewing - die Filipinos wollen ihr Idol beim Boxen sehen. (Foto: DW)
Großer Ansturm beim Public Viewing - die Filipinos wollen ihr Idol beim Boxen sehenBild: DW/R.-I. Duerr

Identifikationsfigur für viele Filipinos

Pacquiaos Ruhm haben auch die philippinischen Behörden als Mittel zum Zweck erkannt. So ist der Box-Champion nun auch auf den Gefahrenkarten für Fluten in der Legende verzeichnet: der Wasserspiegel wird mit der Körpergröße Pacquiaos verglichen und in verschieden Gefahrenstufen eingeteilt. Die Karten sollen für die Bevölkerung so zugänglicher gemacht werden.

Für viele Filipinos ist Pacquiao eine Identifikationsfigur, auch für den 15-jährigen Vincent Morales. Seit ein paar Jahren boxt Morales in seinem Gemeindeclub und hofft, seine Ikone einmal persönlich zu treffen: "Ich würde Manny nach seinem Erfolgsrezept fragen", sagt Morales und lacht.

Die sechste Runde des Kampfes Mayweather-Pacquiao ist vorbei und die Stimmung vor dem kleinen Dorfladen frenetisch: die erstickende Hitze trübt die Ausgelassenheit der Zuschauer keineswegs, es wird gelacht, getrunken und geschrien.

"Ich kämpfe für die Filipinos"

"Ich danke dem Herrn, dass ich zum Botschafter der Philippinen in der Welt wurde und meinem Heimatland Ehre bringen kann - ich kämpfe für die Filipinos", betonte der tiefreligiöse Pacquiao in einem Interview mit einer philippinischen Zeitung im vergangenen Februar.

Als einziger Faustkämpfer wurde Pacquiao in acht verschiedenen Gewichtsklassen zum Weltmeister gekürt. Bisher blickt er auf 56 Siege, fünf Niederlagen und zwei unentschiedene Kämpfe zurück.

Runde zehn, das Wetter schwingt plötzlich um - es regnet. Eine Wohltat. Die Atmosphäre ist trotzdem noch aufgeheizter als vorher. Letzte Wetten werden noch abgeschlossen, manche Zuschauer beten. "Pacman for President" schreit jemand in die Menge. Auf den Philippinen ist Pacquiao so beliebt, dass manche meinen, er würde eines Tages noch zum Präsidenten gewählt.

Bewunderung für Manny Pacquiao, doch diesen Kampf wird er verlieren. (Foto: DW)
Bewunderung für Manny Pacquiao, doch diesen Kampf wird er verlierenBild: DW/R.-I. Duerr

Rente nicht in Sicht

Zum Sieger des "Jahrhundertkampfes" wird Pacquiao von den Juroren nicht gewählt, sehr zur Enttäuschung der lokalen Zuschauer. "Ich verstehe das nicht, er war doch der Bessere! Diese Entscheidung ist unfair," schimpft der junge Boxer Morales. "Den nächsten Kampf gewinnt er wieder mit Sicherheit - Manny steht immer wieder auf," meint Enrico Velazquez. Wenige Minuten nach dem Kampf schon löst sich die Menge auf, die Straßen sind wieder voll und jeder geht seines Weges.

An den Ruhestand wird Pacquiao auch nach diesem Kampf noch lange nicht denken. Im philippinischen Kongress wurde er zwar als Abgeordneter mit der höchsten Zahl von Abwesenheiten kritisiert, dennoch will Pacquiao 2016 wahrscheinlich als Senator kandidieren. Das eröffnete er im vergangenen Sommer einem Radiosender in Manila. Wie es mit einer Präsidentschaftskandidatur stünde? "Daran denke ich jetzt nicht", sagte der Box-Star. "Meine Zukunft überlasse ich Gott."