Brüssel will klare Kante zeigen
31. Mai 2018"Ein schlechter Tag für den Welthandel", so kommentiert EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker den handelspolitischen Zug des US-Handelsministers Wilbur Ross, Strafzölle gegen die EU zu erheben. Die USA, so Juncker weiter auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, ließen der Europäischen Union keine andere Wahl, als nun umgehend ein Streitschlichtungsverfahren bei der Welthandelsorganisation (WTO) einzuleiten.
Brüssel bereitet Gegenmaßnahmen vor
Für das politische Brüssel ist dieser Verlauf des transatlantischen Handelskonflikts eine herbe Enttäuschung. Erstaunt ist hingegen niemand. Bereits in den vergangenen Tagen deutete sich diese Entwicklung an. Zuletzt musste EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström unverrichteter Dinge aus Paris abziehen, wo sie, flankiert vom deutschen Wirtschaftsminister Peter Altmaier und seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire, keine Einigung mit dem US-Handelsminister Wilbur Ross erzielen konnte. In den sozialen Medien kündigt EU-Kommissionspräsident Juncker des Weiteren an, die EU werde nun Gegenmaßnahmen ergreifen. Die Antwort, so heißt es aus diplomatischen Kreisen, werde WTO-konform sein.
EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström habe die volle Rückendeckung der EU-Abgeordneten, unterstreicht Daniel Caspary, Vorsitzender der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, die "lang diskutierten" Gegenmaßnahmen nun auch einzuleiten. Gemeint ist die Liste mit US Produkten, die für den Ernstfall bereits seit Frühjahr in der Schublade der EU-Kommission bereitliegt.
Mitte Juni, so schätzen mit dem Dossier Vertraute aus dem französischen Wirtschaftsministerium, würden die EU-Gegenmaßnahmen greifen. Damit respektiere Europa die laut WTO vorgeschriebene 30-Tage-Informationspflicht. Laut EU-Kommission liegt der Welthandelsorganisation bereits ein entsprechendes zehnseitiges Schreiben vor.
Trump tritt internationales Recht mit Füßen
Mit unterschiedlichen Formationen und Personen hatte die Europäische Union seit dem Frühjahr versucht, den Konflikt abzuwenden. Noch im März gab es Grund zu kurzem Aufatmen. Die EU-Staaten blieben überraschend einig gegenüber den USA. Pünktlich zum EU-Gipfel im März konnten die Staats- und Regierungschefs ihren Erfolg verkaufen: Europa blieb von Strafzöllen verschont. Über Wochen versuchte die EU dann, aus der befristeten Ausnahme eine grundsätzliche zu machen - vergeblich. Spätestens jetzt ist klar, dass es lediglich eine Galgenfrist gab.
Die Strafzölle verstießen gegen internationales Recht, empört sich der Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange (SPD). Diese "Abschottungszölle" erinnerten an den "Wilden Westen", so der SPD-Parlamentarier, und dieser gehöre "in die Kinos und nicht in die Handelspolitik".
Scharfe Kritik kommt auch von den Europäischen Grünen. Reinhard Bütikofer, transatlantischer Sprecher im Europaparlament, fordert die EU auf, sich das Verhalten der USA nicht bieten zu lassen: "Das darf die EU nicht hinnehmen, sie muss sich wehren."
Europas Einigkeit auf der Kippe
Vor dem Hintergrund der belasteten transatlantischen Beziehungen warnt Bütikofer zudem, nie sei ein einiges Europa so nötig gewesen wie jetzt. "Querschüsse, egal aus welcher europäischen Hauptstadt, darf es keine geben."
Damit artikuliert der Grüne eine fraktionsübergreifende Kritik, die in Richtung der Hauptstädte geht. Mit den unterschiedlichen Haltungen unterliefen die Mitgliedstaaten die Linie der EU. Diese hat aber gerade in Handelsfragen ein mächtiges Mandat.
Der Dissens zwischen Berlin und Paris im Umgang mit den USA in Sachen Handelskonflikt war in jüngster Zeit immer deutlicher zum Vorschein gekommen. Uneins waren sich die beiden Regierungen dem Vernehmen nach unter anderem bei der Frage, wie schnell die EU im Ernstfall reagieren sollte, und wie stark die Europäer der US-Administration mit einem Angebot entgegenkommen sollten.
Aufruf zur Besonnenheit
Nicht nur Brüssel reagierte unmittelbar auf die neueste Wendung in der amerikanischen Handelspolitik, auch die permanente Vertretung der Amerikanischen Handelskammer in der EU (AmChamEU) äußerte sich besorgt. Die jüngste Entwicklung gefährde die europäisch-amerikanischen Beziehungen, so die Sprecherin der Organisation, Susan Danger. Gleichzeitig rief sie beide Seiten zu Besonnenheit auf. Die USA und Europa müssten nun gemeinsam die Überkapazitäten als Wurzel des Problems angehen.
Europa ist dem nicht abgeneigt. Aber mit Strafzöllen auf US-Produkte wie Erdnussbutter, Whiskey und Harley-Davidson-Motorräder sollten die USA noch vor Juli dieses Jahres rechnen. Zumindest darin sind sich die Europäer einig.