"Miteinander" gegen die AfD in Cottbus
16. September 2024In den Straßen von Cottbus hängen Wahlplakate, die hier manchen überraschen mögen. "Miteinander" steht in großen Buchstaben darauf und es lächelt einem eine schwarze Frau entgegen. Adeline Abimnwi Awemo wurde in Kamerun geboren und tritt bei den Landtagswahlen am 22. September für die CDU an. Überraschend ist dies, weil die Stadt nahe der polnischen Grenze in Brandenburg immer wieder wegen rechtsextremistischer Umtriebe und rassistischer Übergriffe die Schlagzeilen gerät. In der gesamten Lausitz, einem Gebiet südöstlich von Berlin, ist sie die einzige schwarze Kandidatin.
Besonders im Osten Deutschlands haben sich die Wähler und Wählerinnen in den vergangenen Jahren vermehrt populistischen Parteien zugewandt. Etablierte Parteien wie die von Awemo haben es derzeit nicht leicht, wenngleich Brandenburg von einer SPD-geführten Koalition mit CDU und Grünen regiert wird. In einer aktuellen Umfrage liegt Awemos Partei mit 18 Prozent an dritter Stelle, hinter den Sozialdemokraten mit 23 Prozent. Mehr als ein Viertel der Wähler in Brandenburg wollen jedoch laut den Meinungsforschern von Infratest dimap die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) wählen.
"Ich mache mir Sorgen, aber ich habe keine Angst", sagt Awemo zur DW. "Es gibt einen Unterschied zwischen Sorgen und Angst. Wenn man sich Sorgen macht, kann man eine Lösung finden." Awemo erklärt, worum es ihr mit ihrem Wahlslogan "Miteinander" geht: "Man muss nur ins Gespräch kommen und vielleicht hast du die Chance, jemanden zu überzeugen, dass du gute Ideen hast, dass du diesen Menschen vertreten kannst."
Rassistische Angriffe
Aber nicht jeder ist für Gespräche offen. Im Juli wurde Awemo beim Aufhängen von Wahlplakaten nach eigener Aussage von einer Frau rassistisch beleidigt. Als Awemo versuchte, mit der Frau ins Gespräch zu kommen, soll diese sie angegriffen haben. Die CDU-Politikerin musste ins Krankenhaus, um dort ihre Verletzungen behandeln zu lassen.
"Es war schockierend, dass so etwas passiert. In meinen 22 Jahren in Cottbus habe ich solch einen Rassismus nie erlebt", erzählt Awemo. Ihrer Stimme ist anzumerken, dass sie nicht gerne über den Vorfall spricht. Sie klingt müde. "Es ist das Leben. Es kann jedem passieren, aber man sollte nicht die positive Seite der Stadt Cottbus übersehen", meint sie.
Der Vorfall machte den Namen der CDU-Kandidatin bundesweit bekannt. Cottbus hat den Ruf, ein Brennpunkt für rechtsextreme Taten zu sein. Awemos Leben hat es verändert. Sie muss die Polizei über jede Wahlkampfveranstaltung informieren und erhält manchmal zusätzlichen Schutz. Doch sie findet noch immer herzliche Worte, wenn sie über ihre Wahlheimat spricht.
Heimisch in Cottbus
Geboren wurde Awemo in Kumba, einer Stadt im englischsprachigen Teil Kameruns. 2002 zog sie nach Cottbus, um dort an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg zu studieren. Damals fühlte sie sich noch fremd in der Stadt. Sie erinnert sich, wie sie einen Gottesdienst in einer katholischen Kirche besuchte, bei dem sie kein Wort verstand und "nur lächelte".
"In der Kirche waren so viele, die auf mich zugekommen sind, die Ideen hatten und versucht haben, sie mit mir zu teilen", erzählt sie. "Ich habe keinen Deutschkurs gemacht. Das Deutsch, das ich spreche, habe ich durch die Cottbusser gelernt."
Heute betrachtet sie sich als Cottbusserin, die hier immer Unterstützung erfuhr, auch als sie eine Familie gründete und ins Berufsleben trat. Darum möchte Awemo der Stadt etwas zurückgeben, sagt sie. Sie sei überzeugt, dass sie durch ihre Erfahrungen als Einwanderin viel beitragen kann, insbesondere jetzt, da das Thema Migration in Deutschland so wichtig geworden ist.
Awemo, die seit 2018 Mitglied im Beirat der Stadt für Integration und Migration sitzt, befürwortet eine gezielte Zuwanderung: "Wenn wir Fachkräfte suchen und zum Beispiel Handwerker oder Tischler oder Ärzte oder Krankenschwestern hierher kommen, muss man diese Menschen schnellstmöglich in Arbeit bringen." Und man müsse ihnen gezielt die Sprache beibringen.
Weckruf für die etablierten Parteien
Die anhaltende öffentliche Debatte über Zuwanderung wird für die jüngsten Erfolge der in Teilen rechtsextremen AfD und die wachsende Popularität des linkspopulistischen Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW), das ebenfalls für seine migrationsfeindliche Rhetorik bekannt ist, verantwortlich gemacht. Beide Parteien, insbesondere die AfD, konnten bei den Landtagswahlen vor einigen Wochen in Thüringen und Sachsen deutlich zulegen. In Thüringen erzielte die AfD die meisten Stimmen, in Sachsen belegte sie den zweiten Platz, während das erst kürzlich gegründete BSW jeweils den dritten Platz belegte.
Awemo tritt gegen den AfD-Politiker Lars Schieske an, der bei den letzten Wahlen für den Wahlkreis Cottbus II in den Landtag einzog und vom Brandenburgischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird. Viele Menschen hier sind überzeugt, dass Deutschland weniger Gelder für die Unterstützung von Flüchtlingen und die Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Angriff ausgeben und sich stattdessen um die Menschen und Gemeinden vor Ort kümmern sollte.
"Deutschland hilft nur den Ausländern und hier in Deutschland passiert gar nix", beklagt sich Alex, ein Mann in den Zwanzigern. "Die Beliebtheit der AfD ist für die etablierten Parteien ein Tritt in den Hintern. Ich bin mit der Politik der Ampel und der etablierten Parteien überhaupt nicht einverstanden", meint eine Rentnerin über die Politik der Regierungskoalition im Bund aus SPD, Grünen und FDP.
Awemo hat durchaus Verständnis für den Frust mancher Wähler. Als die DW mit ihr spricht, macht sie gerade Wahlkampf vor einem Lidl-Supermarkt in Sachsendorf, einem sozial benachteiligten Viertel, das zu ihrem großen Wahlbezirk gehört.
Der Supermarkt liegt nah an einigen Plattenbauten, in denen noch zu Zeiten der DDR Ärzte, Ingenieurinnen und andere Fachkräfte wohnten. Jetzt leben hier hauptsächlich Sozialhilfeempfänger, Rentner und Geflüchtete. Wer konnte, ist hier weggezogen. "Es gab viele Erwartungen, die noch nicht erfüllt wurden", erklärt Awemo. "Mit dem Kohleausstieg kam viel Unsicherheit."
Region im Wandel
Cottbus liegt etwa 120 Kilometer süd-östlich von Berlin. Es ist die größte Stadt in der Lausitz, einer Region, die einst der wichtigste Kohle- und Energielieferant Ostdeutschlands war. Heute zählt die Region zu den ärmsten in Deutschland und erhält Hunderte Millionen Euro, um die regionalen Folgen des Ausstiegs aus den fossilen Brennstoffen abzufedern.
Im Juni besuchte Olaf Scholz die Stadt. Anlass war die Gründung der Medizinischen Universität Lausitz, die Brandenburgs größtes Universitätsklinikum werden soll. Als er im Januar an der Eröffnung eines neuen Bahnwerks in Cottbus teilnahm, wurde er von protestierenden Bauern empfangen.
Wenn Awemo in ihren Wahlbotschaften davon spricht, Cottbus sowohl für die Alteingesessenen als auch für Neuankömmlinge attraktiver zu machen, verweist sie auf diese neuen Chancen: "Es gibt so viele Sachen, die nach Cottbus kommen und es den Menschen möglich machen werden, hier zu arbeiten und weiter hier zu leben. Das muss man einfach miteinander machen."
Doch an diesem ungewöhnlich heißen und drückenden Nachmittag im September gelingt es Awemo nicht, mit vielen potentiellen Wählerinnen und Wählern ins Gespräch zu kommen. Bis zur Wahl am 22. September hat sie noch viel zu tun.
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.