Brasilien: Hoffnung für die Guanabara-Bucht
Die wunderschöne Guanabara-Bucht, an der Rio de Janeiro liegt, ist durch Müll und giftige Abwässer stark belastet. Nun startet eine große Säuberungsaktion - es ist nicht die erste.
Bilderbuch-Panorama mit Schönheitsfehler
Die Guanabara-Bucht ist eines der Markenzeichen von Rio de Janeiro und einer der schönsten Flecken der Erde - eigentlich. Denn die unregulierte Ausbreitung der Stadt, in der rund 6,7 Millionen Menschen leben, bedroht die Landschaft. Und das Wasser der Bucht ist stark verschmutzt: Müll, giftige Chemikalien und Abwässer werden zu über 50 Prozent ungeklärt in den Atlantik geleitet.
100 Tonnen Abfall pro Tag
Eine kaputte Puppe treibt vor Rio de Janeiro im Wasser der Guanabara-Bucht. Die Bucht dehnt sich über eine Fläche von fast 400 Quadratkilometern aus und ist mit über 100 Inseln übersät. 44 Strände säumen ihre Ufer - doch viele Menschen meiden diese inzwischen, weil sich an ihnen Müll wie Plastik, Windeln, Kleidung, Reifen und Möbel sammelt. Rund 100 Tonnen Abfall landen täglich in der Bucht.
Milliarden fürs Meer
Doch vielleicht ist das Boot dieses Mannes bald nicht mehr mit Müll beladen: Im November 2021 privatisierten die Behörden von Rio die Abwasserentsorgung und verkauften die Betriebsrechte an das Unternehmen Aguas do Rio. Der neue Betreiber verspricht, insgesamt 24 Milliarden Reais (rund 47 Mio. Euro) zu investieren, um das zu tun, was bisher niemand geschafft hat: die Guanabara-Bucht zu säubern.
Hoffnung und Skepsis
"Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Menschen wieder in der Bucht schwimmen werden", sagte Aguas do Rio-Geschäftsführer Alexandre Bianchini der Nachrichtenagentur AFP. Doch die Einheimischen sind skeptisch, da Pläne zur Rettung der Bucht in der Vergangenheit mehrfach gescheitert sind: Bereits 1994 startete ein Sanierungsprogramm für Kläranlagen, die Rohre wurden jedoch nie fertig gestellt.
Fischen im Trüben
Ein Vogel sucht zwischen Abfällen nach etwas Essbarem. Vor den Olympischen Spielen in Rio 2016 stellte die Stadt rund eine Milliarde Dollar für die Reinigung der Bucht zur Verfügung - doch wenige Wochen vor den Spielen meldete der Staat Insolvenz an. Das Versprechen, die Abwasseraufbereitungsrate auf 80 Prozent zu erhöhen, wurde nicht annähernd erfüllt.
Erholungspause für die Natur
Abhilfe brachte bisher einzig ein ungeplantes Ereignis: Während des Lockdowns in Rio de Janeiro aufgrund der Corona-Pandemie erholte sich die Natur der Guanabara-Bucht, wie diese Aufnahme von Mai 2020 zeigt. Sogar Tiere wie Meeresschildkröten, die das schmutzige Wasser lange gemieden hatten, kehrten an die menschenleeren Strände zurück.
Sammelaktion
Der ehemalige Fischer Gilciney Lopes Gomes sammelt Müll entlang eines Flusses, der in die Guanabara-Bucht mündet. Gomes wohnt in der Nähe der Mülldeponie Jardim Gramacho am Rande der Bucht, die einst die größte Freiluftdeponie Lateinamerikas war. Sie wurde 2012 offiziell geschlossen, doch laut Umweltschützenden sickert weiterhin giftiger Schlamm ins Wasser.
Gekipptes Ökosystem
Und es existieren weiterhin illegale Müllkippen wie diese, auf die ein Laster gerade Abfall ablädt. Die Deponie liegt nah an einem der 35 Flüsse, die in die Guanabara-Bucht fließen. Große Chemie- und Ölunternehmen betreiben in der Nähe Anlagen, aus denen laut Fischern und Umweltaktivistinnen und -aktivisten giftige Industrieabfälle ins Wasser gelangen.
Müll statt Fisch
"Soll ich das meiner Familie zu essen geben?“ fragt Gomes, der zwei alte Plastikflaschen mit medizinischem Abfall hochhält. Dem Ex-Fischer zufolge gibt es in seiner Region der Bucht nicht mehr genug Fische und Krebse, um den Fischern das Überleben zu sichern. So sammelt er nun, mit 61 Jahren, recycelbaren Müll, um ihn zu verkaufen - bereits als Neunjähriger arbeitete Gomes auf einer Müllkippe.
50 Jahre Schlamassel
Der Umweltschützer Mario Moscatelli nennt die Guanabara-Bucht "einen Mikrokosmos dafür, wie Umweltprobleme in Brasilien gehandhabt werden". Dennoch sei er bereit, dem Unternehmen Aguas do Rio eine Chance zu geben, so Moscatelli gegenüber AFP. "Der Staat hatte 50 Jahre Zeit, diesen Schlamassel anzurichten. Wir können dem Unternehmen fünf Jahre geben, um ihn zu beseitigen."