Brasilien und Corona: Kein Ende in Sicht
In Brasilien steigen die Corona-Infektionen und Todesfälle drastisch an. Trotzdem lehnt Präsident Jair Bolsonaro einen Lockdown strikt ab. Doch nun will sich der Senat einschalten und dieses Vorgehen überprüfen.
Abschied von geliebten Menschen
In Brasilien hat die Zahl der mit dem Coronavirus Verstorbenen einen neuen Tagesrekord erreicht. Binnen 24 Stunden wurden in dem südamerikanischen Land 4249 COVID-19-Tote registriert. Gemessen an der Größe der Bevölkerung haben über die letzten sieben Tage nur einige Länder auf dem Balkan höhere Todesraten im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 verzeichnet.
Steigende Todes- und Infektionszahlen
Brasilien verzeichnete in den vergangenen Wochen immer wieder neue Rekorde bei den Todesfällen: Seit Anfang Februar steigt der Sieben-Tages-Durchschnitt fast stetig an. Die Zahl der Infektionen wächst in Wellen. Und die Intensivstationen sind bereits überlastet. Turnhallen - wie hier in Santo Andre im Ballungsraum Sao Paulo - werden in der Not zu Krankenhäusern umfunktioniert.
Mehrere Virusvarianten unterwegs
Ein Grund für die beschleunigte Ausbreitung mitten im brasilianischen Sommer könnte die Virusvariante P.1 sein, die erstmals hier in Manaus im brasilianischen Amazonas-Gebiet auftauchte. Sie soll sich deutlich schneller verbreiten als die Wildvariante, die einst aus Wuhan kam. Neben der P.1-Variante wurde in Brasilien aber auch die britische und die südafrikanische Mutation bereits nachgewiesen.
Bolsonaro lässt die Maske fallen
Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro weigert sich weiterhin, gegen die Ausbreitung des Virus vorzugehen. Masken hält er für überflüssig und das Virus für harmlos - vor allem im Vergleich zu den Folgen, die ein Lockdown für die Wirtschaft des Landes hätte. Doch mittlerweile wenden sich immer mehr politische Verbündete gegen Bolsonaro. Kürzlich forderten 200 Wirtschaftsbosse einen Kurswechsel.
Prüfung des Senats
Der Senat will jetzt das Vorgehen der Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie untersuchen. Nächste Woche werde ein Sonderausschuss eingerichtet, sagte Senatspräsident Rodrigo Pacheco. Zudem erklärte der Oberste Gerichtshof staatliche und kommunale Verbote religiöser Versammlungen für legal. Präsident Bolsonrao hatte solche Verbote als Angriff auf die Religionsfreiheit bekämpft.
Lockdown in Brasilien?
Dabei steht Brasilien vor einem Dilemma: Für viele Brasilianer ist es schlicht unmöglich, tage- oder gar wochenlang zu Hause zu bleiben. Homeoffice ist für viele keine Option, weil ihre Arbeit vor Ort erledigt werden muss. Das betrifft vor allem die rund 20 Millionen Niedriglöhner in informeller Beschäftigung. Sie müssen morgens zur Arbeit, um abends etwas zu essen zu haben.
Herkulesaufgabe Impfen
Seit Mitte Januar wurden zwar mehr als 21 Millionen Menschen in Brasilien gegen COVID-19 geimpft, gut sechs Millionen von ihnen sogar zweimal. Täglich werden rund 700.000 Dosen verabreicht - sogar in entlegenen Amazonasdörfern, wie hier in Anama. Das ist deutlich mehr als in Deutschland. Dennoch würde es bei diesem Tempo anderthalb Jahre dauern, alle 212 Millionen Brasilianer zweimal zu impfen.