Lula tritt Haft nicht an
6. April 2018Der frühere brasilianische Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva (Artikelbild) hat eine gerichtlich gesetzte Frist verstreichen lassen, sich freiwillig zum Haftantritt den Behörden zu stellen.
Lula hielt sich bei Ablauf der Frist am Freitag (22.00 Uhr MESZ) weiter im Gewerkschaftshaus seiner Heimatstadt São Bernardo do Campo auf. Hunderte Anhänger waren vor dem Gebäude versammelt, um ihn vor einer Festnahme zu schützen.
Der Ex-Präsident war in einem Korruptionsverfahren zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Am Donnerstag hatte ihm ein Richter 24 Stunden Zeit eingeräumt, sich den Behörden zu stellen. Kurz vor dem Termin hatte die Justiz in letzter Minute einen Einspruch Lulas gegen den Haftantritt abgewiesen.
Festnahme wäre möglich
Nach Ablauf der Frist könnten die Behörden nun versuchen, den Ex-Präsidenten mit Zwang festzunehmen. Ob die Polizei das Gewerkschaftsgebäude stürmt, ist aber fraglich.
Lula lässt es offenbar auf eine Kraftprobe mit der Justiz ankommen. Laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Brasil verhandeln seine Anwälte mit der brasilianischen Bundespolizei darüber, ob er sich auch nach Ablauf der Frist in Curitiba oder São Paulo stellen kann.
Der Sender TV Globo verbreitete unter Berufung auf Juristen die Auffassung, dass Lulas Entscheidung keine Missachtung des Gerichts darstelle, da es sich bei der Frist nur um ein Angebot gehandelt habe.
Linke vermutet politisches Manöver
Lula war im vergangenen Jahr wegen Verwicklung in einen weitverzweigten Korruptionsskandal und Geldwäsche verurteilt worden. Er ist in den Skandal um Schmiergelder bei Auftragsvergaben an den staatlichen Ölkonzern Petrobras verwickelt. Der Ex-Präsident selbst beteuert seine Unschuld und betrachtet das Urteil als politisch motiviert.
Brasiliens Linke sieht die drohende Inhaftierung Lulas als Versuch, die Arbeiterpartei vor der Präsidentschaftswahl im Oktober an einer Rückkehr an die Macht zu hindern. Lula, der Brasilien von 2003 bis 2010 regierte und am Ende seiner Amtszeit zu den beliebtesten Politikern weltweit zählte, galt bislang als aussichtsreichster Kandidat bei der Wahl.
gri/se (afp, dpa, rtre)