IT-Boom in Brasilien
2. März 2012Die brasilianische IT-Branche boomt. Die IT-Dienstleistungen des Landes erwirtschafteten nach einem Bericht der internationalen Beratungsfirma Frost & Sullivan im vergangenen Jahr rund 11 Milliarden US-Dollar – fast 12 Prozent mehr als im Jahr davor. Damit liegt der Anstieg weit über dem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum des Landes, das bei rund vier Prozent lag.
Besonders im Bereich der Bankentechnologie ist Brasilien Vorreiter. Auf der Ciab Febraban, eine der größten Technologiemessen Lateinamerikas, rief man bereits vor sieben Jahren einen sogenannten "Innovationsraum" ins Leben. Momentan steht IT-Sicherheit im Bankgeschäft ganz oben auf der Agenda.
"Im Bereich der Finanztransaktionen ist das ein entscheidendes Thema", erklärt Descartes Teixeira, Aufsichtsratspräsident des brasilianischen Instituts für Software-Technologie (IST). "Der brasilianische Finanzsektor ist bei der Nutzung von Informationstechnologie einer der fortschrittlichsten weltweit. Und das wollen wir auch bei der diesjährigen CeBIT zeigen", so Teixeira.
Strenge Vorgaben vom Gesetzgeber
Und auch das ausländische Interesse wächst. Die brasilianische Agentur zur Förderung von Export und Investitionen (Apex) arbeitet kräftig daran, internationalen Firmen die Vorteile Brasiliens als IT-Standort näherbringen. Die Nachfrage ist momentan so groß, dass der frühere Vizepräsident für Lateinamerika des Chip-Herstellers AMD, José Antonio Scodiero, eine eigene Beratungsfirma gründete. Sie berät ausländische Technologiefirmen über mögliche Geschäfte im Land.
Für internationale Unternehmen ist es dennoch nicht leicht, in Brasilien Fuß zu fassen, denn die wirtschaftspolitischen Vorgaben sind streng. "Am stärksten fühlen sich die Firmen von unserem Inlandsmarkt angezogen. Aber um auf diesem Markt mitmischen zu dürfen, müssen sie in Brasilien produzieren und gleichzeitig in Forschung und Entwicklung investieren", so Scodiero. Das brasilianische IT-Gesetz verpflichtet Unternehmen, einen Teil ihrer Gewinne in diesen Bereichen zu reinvestieren.
"Um in den Genuss steuerlicher Vergünstigungen zu kommen, müssen Firmen auch in Brasilien herstellen – was nicht nur die Montage betrifft, sondern auch die Herstellung der einzelnen Teile", erläutert Scodiero. Dabei spielen neue brasilianische Technologiezentren eine wichtige Rolle. "Die Firmen investieren in wissenschaftliche und technologische Zentren im ganzen Land. Damit wird für die ausländischen Unternehmen quasi ein Weg vorgeschrieben", erklärt Scodiero.
"Brasilianisches Silicon Valley"
Ein Beispiel eines solchen Zentrums ist "Porto Digital" in der brasilianischen Metropole Recife, im Nordosten des Landes. Wegen seines Erfolgs wird es oft als "Brasilianisches Silicon Valley" genannt. Aber Sílvio Meira, leitender Wissenschaftler am dazugehörenden Zentrum für IT-Systeme relativiert den Vergleich: "Porto Digital beschäftigt ungefähr 7.000 Menschen in knapp 200 Unternehmen - mit einem Gesamtgewinn von rund 420 Millionen Euro im Jahr 2011. Im Silicon Valley gibt es Hunderte von Unternehmen, von denen jedes einzelne diese Gewinne jährlich erwirtschaftet."
Trotzdem blickt Software-Entwickler Meira optimistisch in die Zukunft – und hofft auf weitere Investitionen ausländischer Unternehmen in Brasilien. Denn für ihn ist der Ausbau der IT-Industrie langfristig die beste Chance für den weiteren wirtschaftlichen Aufstieg des 200 Millionen Einwohner Landes.
Autor: Edson Perin
Redaktion: Roselaine Wandscheer / Rodrigo Abdelmalack