Britisches Kabinett billigt Mays Brexit-Plan
14. November 2018Das britische Regierung macht den Weg frei für einen geordneten Ausstieg Großbritanniens aus der EU. Das Kabinett habe den Entwurf für einen Ausstiegsvertrag mit der EU angenommen, sagte die britische Premierministerin Theresa May nach einer etwa fünfstündigen Sitzung mit ihren Ministern in London. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, vor allem mit Blick auf die umstrittene Irland-Frage. May sprach dennoch vom bestmöglichen Abkommen, das habe ausgehandelt werden können.
Sollten nun auch die Regierungschefs der 27 verbliebenen EU-Länder zustimmen, wäre der Weg frei für eine Abstimmung über das Abkommen im britischen Parlament. Dort formiert sich jedoch parteiübergreifender Widerstand gegen den Entwurf. Ob die Regierung eine Mehrheit erreichen kann, scheint zweifelhaft.
Umstritten ist vor allem die Lösung für die Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden sollen. Die Europäische Union besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen auf der irischen Insel geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist.
EU stellt Entwurf ins Netz
Am Abend veröffentlichte die EU-Kommission den Entwurf für ein Brexit-Abkommen mit Großbritannien. Die EU-Behörde stellte das 585 Seiten lange Dokument für eine Austrittsvereinbarung ins Internet. Der für die Einberufung von Gipfeln der Staats- und Regierungschefs zuständige EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte an, er werde Brexit-Verhandlungsführer Michel Barnier am Donnerstagmorgen treffen. Beide wollen demnach um 08.10 Uhr eine Erklärung abgeben.
Barnier kann eine Empfehlung für die Einberufung eines Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs abgeben, wenn in den Verhandlungen aus seiner Sicht "entscheidende Fortschritte" erzielt wurden. Termin für das Treffen wäre laut Diplomaten voraussichtlich der 25. November.
Vorerst in der Zollunion?
Der nun in London getroffene Kompromiss sieht Berichten zufolge vor, dass Großbritannien im Notfall zunächst als Ganzes in der Europäischen Zollunion bleibt. Trotzdem scheinen für Nordirland einige weitergehende Bestimmungen vorgesehen zu sein. Das dürfte vor allem die DUP auf die Barrikaden bringen, die sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands sträubt. Zudem fordern die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen.
Auch von anderer Seite droht May Ungemach. Die Brexit-Gegner im Parlament hoffen, eine Niederlage Mays könnte zu einem zweiten Brexit-Referendum und so zum Verbleib des Landes in der EU führen. Die Labour-Opposition rechnet sich Chancen auf eine Neuwahl aus.
Bei einer Fragestunde im Parlament vor der Kabinettssitzung hatte May das Abkommen verteidigt. Es sei ein "guter Deal" für Großbritannien. Mays Parteifreund und Brexit-Hardliner Peter Bone warnte hingegen, sie werde "die Unterstützung vieler konservativer Abgeordneter und Millionen von Wählern verlieren".
Austritt ohne Abkommen?
Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit schweren Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May.
Mehrere britische Medien spekulierten unterdessen unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen May. Für einen solchen Antrag wären entsprechende Briefe von 48 Tory-Parlamentariern notwendig.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte Großbritannien energisch vor einem ungeordneten Brexit. Der EU-Austritt sei das größte Risiko für die britische Wirtschaft, wenn auch bei weitem nicht das einzige Problem. Auch die deutsche Wirtschaft warnte vor großen Risiken. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer, kommentierte: "Der Brexit wird zwar so oder so zu hohen Kosten für die Unternehmen führen, sei es wegen drohender Zölle oder zusätzlicher Brexit-Bürokratie. Ein ungeregelter Brexit wäre allerdings ein Desaster."
stu/kle (dpa, rtr, afp)