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PolitikEuropa

Pilot, Parteimitglied, Präsident

Christopher Nehring
16. Mai 2022

Kampfpilot und Präsident, pro-russisch und trotzdem treuer Verbündeter des Westens? Der bulgarische Staatschef ist eine schillernde Figur mit einem erstaunlichen Werdegang.

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Bulgariens Präsident Rumen Radow bei einer Pressekonferenz am 21.11.2021 in Sofia
Bulgariens Präsident Rumen Radow bei einer Pressekonferenz am 21.11.2021 in SofiaBild: Nikolay Doychinov/AFP/Getty Images

Diese Visite steht ganz im Zeichen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine: Am 16. Mai 2022 besucht der bulgarische Präsident Rumen Radew Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der Besuch ist brisant, denn seit Beginn der Invasion am 24. Februar führt die politische Umlaufbahn des Ex-Kampfpiloten Radew, der sich zuletzt in seinem Heimatland als Reformer inszenierte, dorthin zurück, wo sie begann: nach  Moskau.   

Es war dem am 18. Juni 1963 im südbulgarischen Dimitrowgrad Geborenen nicht in die Wiege gelegt, dass er einmal als Präsident and der Spitze seines Heimatlandes stehen würde. Das einschneidendste Erlebnis im Leben des damals 19-jährigen war sein Eintritt in die bulgarische Armee im Jahr 1982. Dort machte er Karriere bis zu seiner Präsidentschaft im Jahr 2016.

Rumen Radew spricht zu Journalisten
Präsident Rumen Radew im Gespräch mit Journalisten des österreichischen Rundfunks ORFBild: Olivier Hoslet//Pool EPA/AP/picture alliance

1987 beendete Radew den Offizierslehrgang der Luftwaffe und trat zeitgleich der Bulgarischen Kommunistischen Partei BKP bei, die das Land seit 1945 beherrschte. Diesen Schritt beschrieb er später als "obligatorisch für Offiziere". 1990 verließ er die BKP dann auch wieder, ist aber bis heute deren Nachfolgepartei, den bulgarischen Sozialisten (BSP), verbunden. Letztlich aber deutete lange nichts auf politische Ambitionen hin. 

Radews Herz gehörte vielmehr der militärischen Luftfahrt. Mit Stolz nennt sein offizieller Lebenslauf die über 1400 Flugstunden, die er mit den MiG-29-Kampfbombern sowjetischer Bauart absolvierte. In den 2000er Jahren brachte er es zum Kommandeur verschiedener Luftwaffenstützpunkte, bevor er 2014 im Rang eines Generalmajors das Kommando über die bulgarische Luftwaffe übernahm. Das gab er erst ab, als er im November 2016, unterstützt von der BSP, etwas überraschend die Präsidentschaftswahlen gewann - mit Hilfe aus Moskau. 

Russische Verbindungen 

Wie war es dazu gekommen? Wie die BSP-Vorsitzende Kornelia Ninowa nach der Wahl zugab, hatte sie Radews Kandidatur mit Leonid Reschetnikow besprochen, einem Geheimdienst-General im Ruhestand und Leiter des Moskauer Instituts für Strategische Forschung (RISS). Reschetnikow hatte zuvor in Bulgarien eine Umfrage durchführen lassen, um das erfolgversprechendste Kandidatenprofil zu ermitteln. Er bediente sich dazu des inzwischen als "russischen Einflussagenten" angeklagten Leiter der russophilen Bewegung, Nikolaj Malinow. Das Ergebnis war Rumen Radew, von dem sich Reschetnikow erhoffte, er werde Bulgarien vom Westen zu Russland hin umorientieren.

Bulgariens Ex-Premier Bojko Borissow
Bulgariens Ex-Premier Bojko Borissow im März 2022Bild: BGNES

Radews erste Präsidentschaft war von seiner Feindschaft gegenüber dem bulgarischen Langzeitpremier Bojko Borissow dominiert. Dabei trafen harte Gegensätze aufeinander: Pro-westliche und russlandfreundliche Orientierung, volkstümlicher und elitärer Politikstil, Feuerwehrmann und Offizier. Dahinter tobte ein schmutziger Machtkampf: Nachdem Radew die Ernennung des von der EU heftig kritisierten Generalstaatsanwalts Iwan Geschew verhindern wollte, organisierte jener mit Unterstützung von Borissow eine Razzia im Präsidentenpalast.

Radew wiederum forderte das Volk auf, gegen die "Mafiosi" um Borissow auf die Straße zu gehen. Er soll auch, so zumindest die Version des Ex-Premiers, hinter inkriminierenden Fotos von Waffen, Bargeld und einem nur leicht bekleideten Borissow stecken, die 2020 in den Privatgemächern des Premiers aufgenommen und dann veröffentlicht wurden. 

Sein größter Coup

Abseits solcher Schlammschlachten blieb Radew politisch eher blass. Seine große Stunde schlug, als 2020/21 die von ihm unterstützten Massenproteste in Bulgarien Borissow aus dem Amt kegelten. Die von Radew ernannte Übergangsregierung katapultierte ihn an die Spitze der Reformbewegung. Sein glückliches Händchen bei der Auswahl der Minister, darunter der derzeit amtierende Premierminister Kiril Petkow und Vize-Premier Asen Wassilew, war zweifellos sein größter Coup. Er sorgte nicht nur für anhaltend hohe Popularitätswerte, sondern stärkte auch sein Image als Reformer und garantierte ihm von der Verfassung nicht vorgesehenen Einfluss auf die Tagespolitik. Beides schmilzt seit dem Krieg in der Ukraine jedoch täglich dahin.

Bulgariens Premierminister Kiril Petkow
Premierminister Kiril PetkowBild: BGNES

Radew navigiert mit zur Schau gestellter soldatischer Haltung durch das öffentliche Leben. Emotional wird er nur, wenn es um die Armee geht, ansonsten mimt er eine vereinende Führungsfigur. Als höflich und umgänglich beschreibt ihn ein langjähriger Angestellter der Präsidialverwaltung im Gespräch mit der DW: "Er behandelt alle Menschen und Angestellten gleich, ist niemals herablassend. Aber er verlässt die Präsidentenrolle niemals." Denselben Eindruck vermittelte Radew auch im TV-Duell mit seinem Herausforderer Anastas Gerdschikow im November 2021. Sein bester Ratgeber? Sein Gewissen. Sein bester Freund? Jeder bulgarische Pilot. Seine größte Stärke? Zielstrebigkeit.  

Der 24. Februar 2022

Doch seit dem Angriff Putin-Russlands auf die Ukraine schließt sich ein Kreis in Radews politischer Entwicklung: Als Mann Moskaus war er gestartet - und dort scheint er nun auch wieder zu landen. Ob seine Sympathien für Russland aus tiefer Überzeugung rühren oder ein Anknüpfen an in Bulgarien weit verbreite Russophilie darstellt, ist unklar. Doch der Präsident betreibt seit dem 24. Februar 2022 einen höchstgefährlichen Balanceakt.

Demonstranten in Bulgarien demonstrieren mit einer großen russischen Fahne ihre Sympathie für Russland
In Bulgarien gibt es starke Sympathien für Russland - auch im KriegBild: Valentina Petrova/AP/dpa/picture alliance

Einerseits verurteilt Radew den russischen Angriff und bekundet öffentlich Bulgariens Loyalität zur NATO, deren Mitglied das Land seit 2004 ist. Gleichzeitig sorgte er, wie die DW aus NATO-Kreisen in Sofia erfuhr, für große Verwunderung, als er gegen die Sicherung des bulgarischen Luftraums durch NATO-Kräfte stänkerte, die den desolaten Zustand der heimischen Luftwaffe kompensieren sollen.

Militärhilfe für die Ukraine lehnt Radew ab, da sie "den Krieg verlängert" und einen "gefährlichen Schritt zum direkten Kriegseintritt" darstelle. Auch Warnungen vor der "Selbstzerstörung Europas" und Rufe nach einer bulgarischen "Neutralität" gehören neuerdings zu seinem rhetorischen Repertoire. Den dadurch entstandenen Konflikt zum pro-westlichen Premier Petkow heizte Radew in den vergangenen Wochen durch eine Verschärfung des Streits mit Nordmazedonien oder Angriffen auf das Krisenmanagement der Regierung nach dem Stopp der russischen Gaslieferungen an.

Von all dem wird bei Radews Besuch in Berlin wenig zu spüren sein. Seine pro-russische, nationalistische Anti-NATO-Rhetorik ist reserviert für die bulgarische Innenpolitik. Bei Auftritten auf internationaler Bühne gefällt er sich in der Rolle des treuen Verbündeten und auf Ausgleich bedachten Friedensbringers. Er wird, wie schon bei seinem Besuch in Prag am 10. Mai 2022, den russischen Angriffskrieg verurteilen, für gutnachbarschaftliche Beziehungen auf dem Balkan eintreten und eine Diversifizierung europäischer Energieimporte fordern. Kurz: Er wird die Rolle des Präsidenten Rumen Radew spielen, die er sich für seine Auftritte im westlichen Ausland zurechtgelegt hat.