1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Cyberangriffe auf Bundestagswahl befürchtet

14. Juli 2021

Die Sicherheitsbehörden sind alarmiert. Zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl registrieren sie viele Cyberattacken, die darauf zielen, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Die Gefahren sind vielfältig.

https://p.dw.com/p/3wTSY
Symbolbild Cyber-Angriff
Bild: Torsten Sukrow/SULUPRESS/picture alliance

Mit Blick auf die Bundestagswahl am 26. September beobachten die Sicherheitsbehörden Versuche, durch Hackerangriffe und Desinformation Einfluss zu nehmen. Bei der Verbreitung von Falschnachrichten sind ihrer Einschätzung zufolge allerdings nicht nur ausländische Staaten am Werke, sondern auch deutsche Extremisten und Anhänger von Verschwörungserzählungen.

Damit die eigene Wahlentscheidung nicht von solchen Falschinformationen beeinflusst wird, rät der Verfassungsschutz zur Nutzung aller verfügbaren Informationskanäle. Es sei wichtig für die Wähler, sich nicht nur in der eigenen "Blase" zu informieren, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, in Berlin.

Bei zurückliegenden Wahlen in Deutschland seien Einflussversuche anderer Staaten beobachtet worden, berichtete der Behördenleiter. Die Sicherheitsbehörden sähen auch jetzt ein Interesse bestimmter Staaten, auf die Bundestagswahl im September Einfluss zu nehmen. Die Intensität dieser Maßnahmen sei aber durchaus noch "auf einem niedrigen Niveau". Um welche Staaten es sich handelt, wollte Haldenwang nicht sagen.

Deutschland Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang
Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang warntBild: Christoph Soeder/dpa/picture-alliance

Der Verfassungsschutzpräsident berichtete auch von einer im Februar gestarteten Angriffswelle auf Mitglieder des Bundestags sowie der Landesparlamente, von der eine "niedrige dreistellige Zahl" von Abgeordneten betroffen sei. Dabei geht es um das so genannte "Phishing": Die Angreifer versuchen, über gefälschte Emails Daten zu stehlen, die sie dann bei einer bestimmten Gelegenheit gegen den Betroffenen einsetzen wollen. Nach Haldenwangs Angaben waren diese Angriffe in den wenigsten Fällen erfolgreich. Dort, wo die entsprechenden Mails geöffnet worden seien, hätten größere Schäden vermieden werden können.

Einflussnahmen aus Russland und China?

Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer wies auf Bedrohungen aus dem In- und Ausland hin. Es gebe viel Aufmerksamkeit etwa für "mögliche Einflussnahmen von Moskau und China". Dies nähmen die Sicherheitsbehörden auch ernst. Das russische Staatsmedium RT - früher Russia Today - sehe er nicht als "hybride Bedrohung", sagte Seehofer. "Das ist Propaganda, das kann jeder durchschauen", unterstrich der CSU-Politiker.

Als "hybride Taktik" bezeichnet man mehrgleisige Strategien zur Destabilisierung demokratischer Gesellschaften. Neben Militäreinsätzen können dazu auch wirtschaftlicher Druck, Hackerangriffe sowie Propaganda in Medien und sozialen Netzwerken gehören. Zuletzt hatten einige Staaten Migranten zum unerlaubten Grenzübertritt motiviert, um europäische Staaten unter Druck zu setzen. Seehofer fügte hinzu: "Aber mich beschäftigt jeden Tag viel, viel mehr, was bei uns im Lande stattfindet", sagte Seehofer. Die Sicherheitsbehörden täten aber alles in ihrer Macht Stehende, um einen Wahlkampf zu gewährleisten, der fair und frei von äußerem Einfluss ist, betonte er.

Hinter einer Phishing-Attacke, bei der vor einigen Monaten versucht worden war, in private Accounts von Abgeordneten zu gelangen, wird die russische Hackergruppe "Ghostwriter" vermutet. Hinter diesen IT-Söldnern soll der russische Geheimdienst GRU stecken. Diese Hacking-Aktivitäten seien womöglich "Vorbereitungshandlungen, die dann gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt noch intensiver genutzt werden", sagte Haldenwang. Allerdings seien die Angreifer nur bei einigen wenigen Betroffenen erfolgreich gewesen. In den meisten Fällen hätten die Angegriffenen "die entsprechenden E-Mails gar nicht erst geöffnet".

"Komplexe Bedrohungslage"

Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, warnte: "Die Bedrohungslage ist komplex." Zu den möglichen Angriffsvarianten gehörten Cyberstalking, Beschimpfungen im Netz sowie Stör- und Sabotageaktionen. Es gehe zudem um Identitäts- und Datendiebstahl, so Schönbohm. Seine Behörde habe den Parteien und Kandidaten in den zurückliegenden Monaten viele Hilfsangebote gemacht, "und jetzt bitte ich alle Entscheiderinnen und Entscheider, diese auch zu nutzen".

Deutschland | Arne Schönbohm
Arne Schönbohm, Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der InformationstechnikBild: Bernd von Georg Thiel/dpa/picture alliance

Die Proteste gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind nach der Lockerung der Maßnahmen weniger geworden. Einige der Protagonisten aus dem Spektrum der "Reichsbürger und Selbstverwalter", die dort aufgetaucht waren, seien aber nach wie vor aktiv, sagte Haldenwang. Sie verbreiteten "diverse Verschwörungstheorien" und zielten darauf ab, das Vertrauen in staatliche Institutionen und deren Repräsentanten nachhaltig zu erschüttern. Dadurch sei "der Nährboden für Meinungsmache Manipulation und Desinformation im Informationsraum auch in Bezug auf die Wahl vergrößert" worden. "Reichsbürger" sind Menschen, die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Oft stehen sie deshalb im Konflikt mit Behörden.

Bundeswahlleiter gibt sich zuversichtlich

Die Wahl im Herbst sei manipulationssicher, betonte Bundeswahlleiter Georg Thiel. Er sagte: "Wir haben keine Wahlautomaten", und es sei "am Ende der Stimmzettel, der da ausgezählt wird". Angesichts des neuerlichen Anstiegs der Zahl der Corona-Neuinfektionen rechne er mit einem relativ hohen Briefwahl-Anteil. Entsprechende Vorkehrungen dafür seien getroffen. Die Urnen für die Briefwahl würden genauso behandelt wie die Urnen, in die man im Wahllokal den Stimmzettel einwirft. Thiel sagte: "Da geht häufig durchs Netz, das würde unterschiedlich behandelt, das wäre nicht transparent. Nein, das ist nicht so. Selbstverständlich haben Briefwähler die gleichen Stimmrechte, die gleiche Sicherheit und Transparenz in der Auszählung der Wahl."

kle/sti (dpa, afp)