Bundesliga im Schlussverkauf-Rausch
1. September 2015Kurz vor Toresschluss herrschte auf dem Transfermarkt noch mal jede Menge Bewegung. Transfers auf den letzten Drücker sind im Grunde nichts Neues, ungewohnt und bemerkenswert war allerdings die finanzielle Wucht, mit der die Klubs sich ihre neuen Spieler sicherten - vor allem beim finalen Countdown am Montag. Weltmeister und Schalker Fanliebling Julian Draxler, bei dem lange Zeit über einen Wechsel zu Juventus Turin spekuliert worden war, ging schließlich zum VfL Wolfsburg. Angebliche 35 Millionen Euro mussten die Wolfsburger dafür berappen, hinzu können weitere sieben Millionen in Form von Bonuszahlungen kommen. Eine hübsche Stange Geld, allerdings keine Summe, die den Blutdruck weit nach oben treibt, wenn man den VW-Konzern und die 75 Millionen Euro aus Manchester für Kevin de Bruyne in der Hinterhand hat.
Draxler und De Bruyne waren unter den Last-Minute-Transfers die einzigen beiden, die den abgebenden Klubs sportlich noch richtig weh tun könnten. Der Belgier steuerte in der vergangenen Saison 31 Scorerpunkte bei. Und der FC Schalke verzichtete - wohl auch aus Zeitnot - darauf, adäquaten Ersatz für sein Eigengewächs Draxler zu verpflichten. Zwar kam Pierre-Emile Höjbjerg aus München, doch ist der nur bis zum Saisonende ausgeliehen und eher im defensiven Mittelfeld unterwegs statt hinter den Spitzen wie Draxler. Möglich, dass Schalkes Eigengewächse Max Meyer und Leroy Sané nun mehr Einsatzzeiten bekommen.
Löw: "Schwindelerregend"
"Manchmal ist es insgesamt ein wenig bedenklich, welche Summen gezahlt werden", bemerkte Bundestrainer Joachim Löw im Rahmen der Vorbereitung auf die anstehenden EM-Qualifikationsspiele gegen Polen und in Schottland ein wenig verstört. "Letztlich ist es so, man muss das akzeptieren, der Markt gibt es nun mal her. Aber mitunter ist es schon ein wenig schwindelerregend."
Nicht nur der VfL Wolfsburg mit Draxler, auch andere langten richtig zu. Insgesamt investierten die 18 Bundesligisten in diesem Sommer etwas mehr als 400 Millionen Euro für neue Spieler. Die Bayern überwiesen rund 67 Millionen Euro von ihrem gerne beschworenen Festgeldkonto für Arturo Vidal (Juventus Turin) und Douglas Costa (Schachtjor Donezk). Viele andere Klubs reinvestierten ihre üppigen Einnahmen aus Spielerverkäufen nach England. So konnte Bayer 04 Leverkusen nach dem Verkauf von Heung-Min Son für 30 Millionen Euro an Tottenham Hotspur Kevin Kampl von Borussia Dortmund und Javier "Chicharito" Hernandez vom Schweinsteiger-Club Manchester United an den Rhein locken.
Der FC Augsburg, bisher eher im niedrigeren Preissegment unterwegs, konnte sich dank der 25 Millionen Euro, die der FC Chelsea für Außenverteidiger Abdul Rahman Baba auf den Tisch legte, die fünf Millionen Euro teure Rückkehr von Ja-Cheol Koo vom FSV Mainz locker leisten. Und schon etwas länger her und fast vergessen: Die TSG 1899 Hoffenheim kassierte für den Wechsel von Roberto Firmino vom FC Liverpool satte 41 Millionen Euro. Der Brasilianer wurde damit zunächst zum teuersten, durch den 75-Millionen-De-Bruyne-Deal mittlerweile zum zweitteuersten Transfer der Bundesligageschichte.
Doch nicht alle bekamen etwas ab vom großen englischen Kuchen. Traditionsvereine wie der Hamburger SV, der sich in letzter Sekunde zumindest die Dienste des Wolfsburger Bankdrückers Aaron Hunt sicherte, der VfB Stuttgart, der durch den Transfer von Antonio Rüdiger zum AS Rom immerhin 18 Millionen Euro verdiente, oder Eintracht Frankfurt, deren Konto dank des Wechsels von Torwart Kevin Trapp zu Paris St. Germain um die Vereinsrekordsumme von 9,5 Millionen Euro anwuchs, konnten nur in - vergleichsweise - begrenztem Maße einkaufen.
Veh: "Ungesunde Fabelsummen"
"Jeder durchschnittliche Spieler kostet heute 20, 30 Millionen Euro. Wo soll das hinführen?", klagte Eintracht-Trainer Armin Veh. "Diese Fabelsummen sorgen für Unruhe. Ich halte das für völlig ungesund. Die Bundesliga wird dadurch Probleme bekommen." Auch Volkswagen-Chef Martin Winterkorn, der auch im Aufsichtsrat des FC Bayern sitzt, fürchtet angesichts der Kaufkraft der englischen Vereine in Zukunft um die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga.
"Wenn die Verhältnisse so sind, dass solche Summen bezahlt werden, muss man sich überlegen, was man in Deutschland macht, um den Ausverkauf zu verhindern", zitierten diverse Medien am Montag den Chef der Konzernmutter des VfL Wolfsburg. Beim Poker um De Bruyne hätten selbst die Bayern nicht ohne weiteres mithalten können, selbst wenn sie es denn gewollt hätten. Immerhin soll der belgische Jungstar in Manchester 20 Millionen Euro pro Saison verdienen. Mondpreise, die kein Bundesligaklub in der Lage wäre, auf Dauer zu zahlen. Auch der reiche FC Bayern nicht.
Und so haben sich die 18 Bundesligisten kurz vor Ende der Transferperiode verstärkt:
FC Bayern München: Der unzufriedene Dante wurde an Wolfsburg verkauft, Höjbjerg an Schalke verliehen, um Spielpraxis zu sammeln. Als Alternative für den weiterhin verletzten Ribéry kommt das französische Talent Kingsley Coman von Juventus Turin - zunächst auf Leihbasis.
VfL Wolfsburg: Schalkes Draxler soll im VfL-Team De Bruyne ersetzen. Bayern Münchens Dante verstärkt die Abwehr. Hunt wechselte innerhalb der Liga zum Hamburger SV.
Borussia Mönchengladbach: In der Ruhe liegt die Kraft: Manager Max Eberl verlebte ein ruhiges letztes Transferwochenende - keine Verpflichtungen oder Wechsel bei der Borussia.
Bayer Leverkusen: Kevin Kampl kam aus Dortmund, Heung-Min Son ging nach Tottenham. Am Montagabend gab Bayer die Verpflichtung von Javier "Chicharito" Hernandez von Manchester United bekannt. Robbie Kruse wurde nach Stuttgart verliehen.
FC Augsburg: Der Südkoreaner Ja-Cheol Koo kehrt vom FSV Mainz 05 zum FCA zurück.
FC Schalke 04: Draxler wechselte nach Wolfsburg - für angeblich 35 Millionen Euro plus X. Höjbjerg wurde vom FC Bayern ausgeliehen. Boateng und Santana sollen noch abgegeben werden.
Borussia Dortmund: Kampl verließ den BVB nach nur einem halben Jahr Richtung Leverkusen. Park kam aus Mainz für die linke Verteidigerposition. Von Manchester United wurde der belgische Nationalspieler Adnan Januzaj ausgeliehen.
TSG 1899 Hoffenheim: Die Hoffenheimer haben ihre Personalplanungen bereits abgeschlossen und waren nicht mehr aktiv.
Eintracht Frankfurt: auch hier keine Last-Minute-Aktivität
Werder Bremen: Die Bremer haben ihren Kader verkleinert, um Gehalt einzusparen. Izet Hajrovic wurde nach Eibar verliehen. Cedrik Makiadi und Ludovic Obraniak durften ablösefrei in die Türkei und nach Israel wechseln.
FSV Mainz 05: Der Kolumbianer Jhon Cordoba kam vom FC Granada. Ja-Cheol Koo ging zurück zum Ligarivalen FC Augsburg, für den er bereits von 2012 bis 2013 auf Leihbasis kickte.
1. FC Köln: Im Westen nichts Neues - zumindest kein Transfer in den letzten Tagen…
Hannover 96: Trainer Frontzeck hatte schon vor dem Spiel am Wochenende betont: "Es wird nichts mehr passieren". So war es dann auch.
VfB Stuttgart: Die Schwaben haben Innenverteidiger Toni Sunjic zur Verstärkung der anfälligen Defensive geholt. Aus Leverkusen kam Stürmer Robbie Kruse.
Hertha BSC: Die Baustelle Verstärkung der Offensive ist durch die Verpflichtung von Stürmer Vedad Ibisevic geschlossen Die Berliner würden nun noch gerne den Brasilianer Ronny von der Gehaltsliste bekommen.
Hamburger SV: Aaron Hunt kam vom VfL Wolfsburg an die Elbe.
FC Ingolstadt: Die Schanzer waren offenbar mit dem Saisonstart so zufrieden, dass sie nicht mehr einkauften.
Darmstadt 98: Der Aufsteiger hat seine Bank ein wenig erweitert und Lukasz Zaluska von Celtic Glasgow als dritten Torwart geholt.