Liga der Klimaschützer?
14. Januar 2020"Klimaschutz und Nachhaltigkeit waren damals keine Kuschelthemen", erinnert sich Hanno Franke an die Zeit vor 25 Jahren, und es wirkt fast ein wenig so, als wolle er sich verteidigen. Der Marketingleiter des SC Freiburg war auch Mitte der 90er Jahre schon im Verein - damals, als der SC als erster Bundesligist damit begann, Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz umzusetzen. Franke denkt gerne zurück an diese spannende, aber auch sehr fordernde Zeit.
"Der Verein war auf der Suche nach einer eigenen Identität und einer eigenen DNA", erzählt er. "Freiburg war schon damals eine sehr nachhaltig geprägte Stadt. Für uns als Fußballverein und Teil der Stadt erschien es damals nur logisch, sich da mit einzuklinken. Auch wenn uns von vielen Seiten davon abgeraten wurde. Mitte der 90er-Jahre hieß es auch seitens einiger Berater: 'Ihr seid zu grün und damit zu spitz positioniert."
Konkret ging es damals um den Bau einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der neuen Südtribüne des Stadions. Aus heutiger Sicht fast schon eine Selbstverständlichkeit - viele Bundesligaklubs produzieren heute ihren eigenen Solarstrom. Doch damals war der Sportclub Vorreiter und hatte entsprechend mit Vorurteilen zu kämpfen.
"Im Nachhinein hat der Verein viel Mut bewiesen und durch seine Überzeugung eine seriöse und tiefe Wurzel gelegt für alles, was dann später darauf aufgebaut worden ist", sagt Franke nicht ohne Stolz.
Umweltschutz ist in der Bundesliga angekommen
Mittlerweile haben alle Bundesligavereine das Thema Umweltschutz im Blick. "Es gibt im Wesentlichen vier Themenbereiche: Verkehr und Emission, Abfall, Wasser und Energie", erklärt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Die DUH ist eine deutsche Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation, die sich seit ihrer Gründung im Jahr 1975 um den Schutz des Klimas und den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen bemüht. Sie führt regelmäßig Befragungen bei den Bundesligisten durch.
Fischer freut sich darüber, dass die Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren auch in der Bundesliga angekommen sind und immer wichtiger werden, auch wenn es nach wie vor viel Luft nach oben gibt. Doch haben viele Verein lange gebraucht, um "grüner" zu werden, und sich zunächst nur dort bewegt, wo sich durch umweltfreundlicheres Verhalten gleichzeitig auch Geld sparen ließ. "Lange Zeit hat Umweltschutz keine Rolle im Fußball gespielt", sagt Fischer. "Diese Zeiten sind vorbei."
Allerdings, so Fischer, seien die ergriffenen Maßnahmen meist sehr niedrigschwellig: "Viele Vereine tun sich dann leicht damit, Dinge umzusetzen, wenn man keine großen Investitionen in die Infrastruktur tätigen muss, beispielsweise einfach auf Ökostrom zu setzen oder LED-Lampen zu installieren, die Strom einsparen." Zudem handele es sich meist nur um Einzelmaßnahmen. Die Vereine haben in den vergangenen Jahren mehr oder weniger auf eigene Faust oder gemeinsam mit Unternehmen ihr Umwelt- und Klimaschutz-Portfolio erweitert.
Erst im März 2019 schlossen sich die 36 Profiklubs erstmals zu einem Arbeitskreis zusammen, um nach gemeinsamen Klima-Lösungen zu suchen - eine zentrale Anlaufstelle beim Ligaverband DFL gibt es dagegen nicht.
Keine zentrale Strategie
"Der Bundesliga fehlt ein Gesamt-Umwelt-Konzept ", beklagt Thomas Fischer, der eine Bündelung aller Umweltschutz-Aktivitäten sinnvoll fände. "Die DFL sollte ein Umweltziel verabschieden, das mittelfristig verfolgt wird. Außerdem sollte der Ligaverband den Vereinen Handlungsanleitungen und Leitfäden zur Verfügung stellen, damit sie Umweltschutz leichter umsetzen können." Bisher aber fehlt ein solcher Leitfaden der DFL.
Eine Anfrage der Deutschen Welle, an wen man seine Fragen zu den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit richten könne, ließ der Ligaverband unbeantwortet. Thomas Fischer hat ähnliche Erfahrungen gemacht: "Die DFL duckt sich beim Thema Umweltschutz weg", sagt er. "Beim Thema Lizenz- und Fernsehgelder kann sie vor Kraft kaum laufen. Das würden wir uns auch beim Umweltschutz wünschen.
Schmutzfaktor Verkehr
Während die meisten Vereine in den Bereichen Abfall (Mülltrennung, Mehrwegbecher mit Pfandsystem), Energie (Ökostrom, Photovoltaik, LED-Lampen) und Wasser (Wasserspar-Vorrichtungen an Urinalen, Nutzung von gesammeltem Regenwasser zur Bewässerung) viele Maßnahmen bereits umsetzen, bleiben schlüssige Konzepte beim Thema Mobilität und Verkehr schwierig.
Alleine durch die Fans - so hat kürzlich eine Studie der Klimaberatungsagentur CO2OL im Auftrag des Deutschlandfunks ermittelt - entstehen an jedem Spieltagswochenende rund 7800 Tonnen klimaschädlichen Kohlendioxids. 60.000 Bäume müssten neu gepflanzt werden, um diese CO2-Menge zu kompensieren. Hochgerechnet auf eine ganze Saison wären es über zwei Millionen Bäume. Hinzu kommt, dass die Teams - anders als ihre Fans - in der Regel mit dem Flugzeug zu weiter entfernten Auswärtsspielen und dabei ein deutlich größeren CO2-Fußabdruck hinterlassen als mit Bus oder Zug.
Ein positives Beispiel ist der SV Werder Bremen, der mit seinem eher "autofeindlichen" Verkehrskonzept überzeugt. "In Bremen gibt es eine Personenfähre, mit der die Fans über die Weser setzen können", sagt Thomas Fischer. "Dazu kommen Verbote für Autos, in Stadionnähe zu fahren oder dort zu parken." Die CO2-Menge, die rund um das Stadion anfällt, wird so automatisch stark reduziert. Ein Punkt, der dem Experten der DUH wichtig ist.
"Es ist es besser, Probleme vor Ort zu lösen", sagt Fischer, der es kritisch sieht, wenn Bundesliga-Vereine wie der FSV Mainz 05 oder die TSG Hoffenheim sich als klimaneutrale Klubs bezeichnen. "Am Ende wird das dadurch erreicht, dass Klima-Zertifikate gekauft werden. Und das geht schon in Richtung Klima-Ablasshandel." Hoffenheim kompensiert seinen CO2-Ausstoß über ein Aufforstungsprojekt in Uganda in Zentralafrika. "Das führt aber nicht dazu, dass die Probleme vor Ort gelöst werden, die Klima-Emissionen oder Abfälle produzieren und verursachen", kritisiert Fischer.
Anregungen von außen
Beim SC Freiburg handelt man lokal. Der Sportclub kooperiert mit der Naturschutzorganisation World Wildlife Fund for Nature (WWF) bei einem Naturschutzprojekt im Schwarzwald - also quasi vor der eigenen Haustür. Regelmäßig gibt es Aktionen für Kinder und Jugendliche, in denen der Nachwuchs sensibilisiert wird, sich im Alltag klimabewusst zu verhalten.
Auch die Mitarbeiter werden entsprechend geschult. Und auch wenn man aufgrund der 25-jährigen Erfahrung als eine Art "Branchenführer" gilt, lernt man auch heute noch dazu und lässt sich auf neue Ideen ein.
"Es melden sich aber vermehrt Verbände und Initiativen bei uns - auch weil wir aufgrund unserer Aktivitäten aus den 90er-Jahren eine Art Hoffnungsträger innerhalb der Liga sind. Wir hatten beispielsweise die Initiatoren der Freiburger Bewegung von 'Fridays-for-Future' zu Besuch" sagt Hanno Franke, der sich freut, dass junge Leute, die oft einen anderen Blickwinkel haben, mit Anregungen und Fragen auf den Verein zukommen. "Wir haben sie dann auch aus Überzeugung unterstützt."