Berlin bessert Klima-Paket nach
16. Dezember 2019Es ist kein Ergebnis der enttäuschend ausgegangenen Klimakonferenz von Madrid, aber es wirkt wie "Jetzt erst recht!" Stimmen die Meldungen verschiedener Nachrichtenagenturen, dann bessert die Bundesregierung ihr vielkritisiertes Klima-Paket an einer wichtigen Stelle nach: Der Preis für eine Tonne Kohlendioxid soll von Anfang 2021 an nun doch bei 25 Euro liegen, nicht wie zunächst geplant bei nur zehn Euro. Die Regierung erzielte dieses Ergebnis in mühsamen Gesprächen mit den Grünen, auf deren Stimmen sie in der Vertretung der Länder, dem Bundesrat, dringend angewiesen ist. Bis 2025 soll der Preis dann sogar auf 55 Euro statt der bisher angedachten 35 Euro steigen.
Edenhofer: "Das ist ein mutiger Schritt!"
Dem Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid einen Preis zu geben ist schon lange eine Forderung von Experten und Wissenschaftlern. In Deutschland kämpft etwa Ottmar Edenhofer, Direktor des angesehenen Potsdam-Instituts für Klima-Folgen-Forschung (PIK), seit vielen Jahren für einen Preis auf das Klimagas. Entsprechend freudig fiel am Montag seine Reaktion aus: "Es ist ein mutiger Schritt, dass Bund und Länder den CO2-Preis anheben. Der angepeilte Preispfad könnte den Ausstoß von Treibhausgasen tatsächlich absehbar verringern. Er liegt jetzt in der Nähe dessen, was die Wirtschaftsforschung als ökonomisch wirkungsvoll für das Klima-Paket entwickelt hatte. Gerade angesichts des schwachen Ergebnisses beim Weltklimagipfel in Madrid ist es gut, dass Deutschland hier seinen Beitrag zur Klima-Stabilisierung leisten will." Die Grünen beeilten sich natürlich, ihre Rolle bei der Aufbesserung der Klimapolitik in Deutschland zu betonen. Parteichef Robert Habeck sagte: "Die Regierung hat diesen Kompromiss nicht befördert. Er ist entstanden durch Hartnäckigkeit, kluge Verhandlungsführung und Zähigkeit der Grünen, gegen die Regierung. Es ist ein Schritt vorwärts, die Preise steigen deutlich an."
Bahn wird billiger, Pendlerpauschale steigt
Mit der Einigung auf den Preis für Klimagase ist der Weg frei für einen Teil des umfassenden Klimapakets der Regierung. Die Preise für die umweltfreundliche Bahn im Fernverkehr sollen bereits zum Jahresanfang 2020 sinken. Damit aber Menschen auf dem Land durch die absehbar höheren Benzinpreise keine Nachteile erleiden, wird die steuerliche Absetzbarkeit für Fahrten zum Arbeitsplatz, kurz Pendlerpauschale, erhöht.
Greenpeace will 80 Euro pro Tonne Kohlendioxid
Noch ist auch der jetzt erzielte Preis für Kohlendioxid weit von dem entfernt, was Wissenschaftler und Umweltaktivisten für nötig halten. So sagte Martin Kaiser, Klima-Experte von Greenpeace, der eben noch in Madrid Zeuge des Fast-Scheiterns der UN-Konferenz geworden war: "Um den CO2-Ausstoß schnell zu senken, brauchen wir einen an den Ergebnissen der Wissenschaft orientierten CO2-Preis von mindestens 80 Euro!" Aber immerhin, so Kaiser, zeige sich, dass die große Koalition auf die harsche Kritik von Experten zu reagieren imstande sei. Umgekehrt kritisierten Wirtschaftsvertreter das Ergebnis erwartungsgemäß. Holger Lösch vom "Bundesverband der Deutschen Industrie" (BDI) sagte in Berlin: "Die geplante Verteuerung der CO2-Preise droht die Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Standorts drastisch zu verschlechtern." Viele Mittelständler könnten nun gegenüber ihren Wettbewerbern im In- und Ausland so ins Hintertreffen geraten, dass ihre Existenz ernsthaft bedroht werde.
Miersch: "Ein kleines Geschenk
Die Regierung selbst wollte die Einigung noch nicht kommentieren, da das Ergebnis erst am Mittwoch offiziell besiegelt und am Freitag dann im Bundesrat, der Kammer der Länder, abgestimmt werden soll. Dafür sagte für die SPD deren Klima-Experte Matthias Miersch im DW-Interview: "Dass hier CDU, CSU, SPD und Grüne einen Kompromiss geschlossen haben, das ist ein ganz wichtiges Signal. Und man kann es vielleicht auch als ein kleines Geschenk betrachten. Aber die Arbeit eigentlich liegt noch vor uns."
Seibert: "Wir hätten uns auch stärkere Fortschritte gewünscht."
Zum müden Ergebnis der UN-Klimakonferenz von Madrid sagte Steffen Seibert, Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, am Montag: "Die Bundesregierung teilt die Enttäuschung, die viele Menschen über das Ergebnis von Madrid verspüren und auch ausgedrückt haben. Wir hätten uns auch stärkere Fortschritte gewünscht." Tatsächlich hatten sich die Staaten-Vertreter in Madrid erst am Sonntag, mit über 40 Stunden Verspätung, auf einen Minimal-Kompromiss einigen können, um ein Scheitern der Klimakonferenz zu verhindern. Hauptstreitpunkt war die Frage, wie genau der komplizierte Handel mit dem Recht, Klimagase auszustoßen, in Zukunft gestaltet werden soll.
Minninger: "Paris-Vertrag lebt, aber seit Herz ist schwach."
Im nächsten Jahr wird der Paris-Vertrag von 2015 wirksam, der jedes einzelne Land zu eigenen Anstrengungen im Klimaschutz verpflichtet. Wäre es nach einigen Blockierer-Staaten gegangen, dann hätten die Regeln so gefasst werden sollen, dass praktisch kein Klima-Gas mehr hätte eingespart werden müssen. Dieser Punkt wurde ergebnislos auf die nächste Klimakonferenz in einem Jahr in Glasgow vertagt, weil vor allem die EU sich gegen einen schwachen Beschluss wehrte. Ein Aufschrei ging durch die Reihen der Klima-Aktivisten. Noch am Montag machte Sabine Minninger, Klima-Expertin von "Brot für die Welt", ihrem Ärger Luft. Sie sagte im Gespräch mit der DW: "Der Geist von Paris lebt noch, aber sein Herzschlag ist schwach. Einige Länder haben eine sehr zerstörerische Rolle gespielt, wie etwa die USA, Brasilien und Australien." In Deutschland aber ist der Klimaschutz mit der aktuellen Einging wenigstens ein kleines Stück vorangekommen.