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Politik

Friede den Insekten, Krieg dem Glyphosat

10. Februar 2021

Lange haben Bundesumweltministerin Schulze und Agrarministerin Klöckner um Regelungen zum Insektenschutz gerungen, Umwelt- und Bauernverbände taten es ihnen gleich. Nun ist ein Kompromiss erzielt worden.

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Symbolbild I Blumenwiese I Insekten
Bild: Thomas Warnack/dpa/picture alliance

Begleitet sowohl von Protesten der Bauern als auch von Umweltschützern hat die Bundesregierung ein Gesetzespaket zum Insektenschutz beschlossen. Es regelt etwa den Einsatz von Pestiziden und weist Schutzgebiete aus, um das Insektensterben zu reduzieren. Das Kabinett beschloss unter anderem eine Änderung des Naturschutzgesetzes sowie eine Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung, worin auch der Ausstieg aus dem umstrittenen Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat endgültig festgelegt wird.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) betonte in Berlin: "Der Glyphosat-Ausstieg kommt." Denn das Mittel töte alles, was grün sei, und entziehe Insekten damit die Lebensgrundlage. Die Anwendung von Glyphosat soll zunächst stark eingeschränkt und zum Jahresende 2023 ganz verboten werden.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze
Bundesumweltministerin Svenja Schulze: "Glyphosat tötet alles, was grün ist" Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Zum Schutz von Insekten ist eine Reihe weiterer Maßnahmen vorgesehen: So soll die Lichtverschmutzung reduziert werden - also beispielsweise Straßenlampen schrittweise ersetzt werden, die die Orientierung von nachtaktiven Insekten, Vögeln oder Fledermäusen stören. Hier gibt es den sogenannten "Staubsaugereffekt": Insekten werden von dem Kunstlicht angelockt und verenden. Möglich wären naturfreundlichere Leuchtmittel oder die Aufrüstung der Lampen mit bestimmten Schirmen. Die Neuerrichtung schädlicher Lichter soll in Naturschutzgebieten oder Nationalparks, sogenannte Insektenvernichterlampen außerhalb geschlossener Räume grundsätzlich verboten werden.

70 Prozent der Insekten vom Aussterben bedroht

Artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Steinriegel und Trockenmauern - die Insekten, Reptilien und Pflanzen Lebensraum bieten - sollen wiederum als Biotope geschützt und gefördert werden. An Gewässern sollen in der Regel Pflanzenschutzmittel unterhalb eines Abstandes von zehn Metern nicht angewendet werden dürfen, wenn die Abstandsfläche dauerhaft begrünt ist, reichen fünf Meter aus. Bundesländer können von dieser Vorgabe durch eigene Regelungen abweichen.

Die Anwendung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat soll spätestens Ende 2023 ganz verboten sein
Die Anwendung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat soll spätestens Ende 2023 ganz verboten seinBild: picture-alliance/SvenSimon

Industrielle Landwirtschaft, die Versiegelung von Böden, die Lichtverschmutzung und andere Einflüsse sorgen für massive Verluste bei Insekten- und Vogelarten. Das gilt besonders für Schmetterlinge und andere Insektenarten, die auf blütenreiche Wiesen und Weiden angewiesen sind. 70 Prozent sind gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Laut Schulze ist von 560 Bienenarten die Hälfte auf der Roten Liste. Starke Verluste gibt es auch bei Vogelarten, die in Agrarlandschaften leben. Der Bestand von Rebhühnern und Kiebitzen ist auf ein Zehntel des Bestandes vor 25 Jahren gesunken, der der Feldlerche auf die Hälfte.

Klöckner sieht guten Kompromiss

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sprach von einem guten Kompromiss. Die Landwirtschaft sei auf eine intakte Natur angewiesen - genauso wie Insekten eine kultivierte Landwirtschaft bräuchten. Mit Blick auf die gegen strengere Vorgaben protestierenden Bauern sagte sie, dies sei ein Thema, das die Gesellschaft polarisiere. Landwirten werde zu Unrecht unterstellt, ihnen gehe es nur um das Wirtschaften, betonte sie. Die nun gefundene Regelung sorge für einen besseren Insektenschutz und gebe zugleich Möglichkeiten, Pflanzen gesund zu halten. Die Naturschutznovelle muss noch durch den Bundestag, die Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung vom Bundesrat gebilligt werden.

Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner
Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner: "Landwirtschaft braucht intakte Natur, Insekten eine kultivierte Landwirtschaft"Bild: Flashpic/dpa/picture alliance

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßte die Pläne. "Jedes eingesparte Kilo Pestizid, jeder pestizidfreie Quadratkilometer Land und jede eingesparte Lichtquelle sind positiv für Insekten und Natur. Auch der endgültige Ausstieg aus der Glyphosat-Landwirtschaft weist in die richtige Richtung", erklärte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. Das Vorhaben, in bestimmten Schutzgebieten Landwirte für den Insektenschutz zu honorieren, müsse indes verpflichtend zum dauerhaften Verzicht auf den Einsatz der Pestizide bis 2024 führen, forderte er. Ähnlich äußerte sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Rukwied sieht  "grottenfalsche und gefährliche" Strategie 

Dagegen kam vom Deutschen Bauernverband scharfe Kritik an dem Gesetzespaket. Präsident Joachim Rukwied, meinte, die Strategie der Bundesumweltministerin, den Insektenschutz mit Verboten durchzusetzen, halte sein Verband "für grottenfalsch und sogar für gefährlich". Er warnte vor erheblichen Auswirkungen auf die Landwirte. So wäre etwa bei einem Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten der Weinbau im Kaiserstuhl "komplett Geschichte". Viele Bauernfamilien würden ihre Existenzgrundlage verlieren, so Rukwied weiter: "Wir reden hier nicht nur über vernichtetes Kapital und verlorene Arbeitsplätze, sondern über das Ende eines jahrhundertealten Teils unserer Kultur."

Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied: "Ende eines jahrhundertealten Teils unserer Kultur"Bild: picture-alliance/dpa/C. Koall

Der Bauernpräsident wandte sich zudem gegen Forderungen, Teile der landwirtschaftlich genutzten Fläche für den Umweltschutz aus der Bewirtschaftung herauszunehmen. "Wir Landwirte wollen unsere Flächen nutzen und sie nicht brach liegen lassen. Zehn Prozent der Flächen aus der Produktion zu nehmen ist nicht hinnehmbar", sagte Rukwied. Auch den von Schulze geplanten Schutz von Streuobstwiesen bewertete er kritisch. Rukwied räumte zugleich aber ein, dass auch die Landwirtschaft beim Naturschutz besser werden müsse und warb für einen kooperativen Ansatz.

sti/rb (afp, dpa, epd)