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Bundesregierung stellt sich hinter die Deutsche Welle

Nina Werkhäuser, Berlin7. September 2016

Nachdem das türkische Sportministerium ein fertig gedrehtes DW-Interview konfisziert hat, interveniert das Auswärtige Amt. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters protestiert mit klaren Worten.

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Gebäude der Deutschen Welle in Bonn (Foto: DW)
Bild: DW

Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erhielt im Bundestag viel Beifall, als sie die Konfiszierung des Videomaterials der Deutschen Welle durch das türkische Sportministerium kritisierte. "Die Beschlagnahme des Materials nach einem fertiggestellten Fernsehinterview mit einem Minister wie gestern in der Türkei entspricht in keiner Weise unserer Vorstellung von Pressefreiheit", sagte Grütters während einer Parlamentsdebatte über den Bundeshaushalt. "Das ist in hohem Maße besorgniserregend."

Für das DW-Fernsehformat "Conflict Zone" hatte Moderator Michel Friedmann am Montagabend ein Interview mit dem türkischen Jugend- und Sportminister Akif Kilic aufgezeichnet, in dem es unter anderem um den Putschversuch in der Türkei und die Folgen ging. Nach Abschluss der Dreharbeiten teilte Kilics Pressesprecher überraschend mit, dass die DW das Interview nicht senden dürfe. Als Friedman dagegen protestierte, wurde das Videomaterial von Mitarbeitern des türkischen Sportministeriums konfisziert.

Intervention des Auswärtigen Amts

Nachdem die Deutsche Welle dem Auswärtigen Amt den Fall geschildert hatte, führte der deutsche Botschafter in Ankara, Martin Erdmann, ein Gespräch mit dem Büroleiter des türkischen Sportministers. Darin habe der Botschafter betont, dass die Pressefreiheit in Deutschland "ein hohes Gut" sei, berichtete Martin Schäfer, der Sprecher des Auswärtigen Amts. Es sei ein "engagiertes, aber auch ein gutes und konstruktives Gespräch" gewesen, an dessen Ende beide Seiten ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen hätten, dass der Vorfall "nicht zu weiteren Verwerfungen im deutsch-türkischen Verhältnis führt". Die deutsch-türkischen Beziehungen sind durch die Armenien-Resolution des Bundestags und die Entwicklungen in der Türkei seit dem Putschversuch ohnehin stark angespannt.

Die türkische Seite habe nicht bestritten, "dass das Videomaterial den Weg von einem türkischen Kamerateam hin in die Sphäre des türkischen Sportministers gefunden hat", sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts weiter. Sie bezeichne den Vorfall aber nicht als Konfiszierung. Die Bundesregierung unterstütze das Verlangen der Deutschen Welle, ihr Drehmaterial zurückzubekommen. Und zwar ohne "Deals", sagte Schäfer. "Die Pressefreiheit ist für uns ganz sicher nicht verhandelbar."

"Schlag gegen die Pressefreiheit"

"Unsäglich und unhaltbar" nennt der CDU-Bundestagsabgeordnete Gunther Krichbaum diesen "einzigartigen Vorfall". Für den Europapolitiker ist klar: "Es ist Video- und Tonmaterial der Deutschen Welle, und das ist herauszugeben." Die türkische Regierung müsse wissen: ohne Pressefreiheit keine Meinungsfreiheit, ohne Meinungsfreiheit keine Demokratie, betonte Krichbaum. "Die Demokratie ist einer unserer zentralen Werte in der EU, und wer sich anschickt, vielleicht eines Tages Mitglied der EU werden zu wollen, der muss auch bereit sein, diese Werte zu teilen."

"Das ist ein erneuter Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei", sagte Martin Dörmann, medienpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Auch er forderte, die türkische Seite müsse das Material möglichst zügig wieder herausgeben. Der Vorfall zeige auch, wie wichtig die Deutsche Welle sei. "Die Deutsche Welle ist offensichtlich unbequem für autoritäre Regime, weil sie für unabhängigen Journalismus steht", sagte Dörmann.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir (Foto: dpa)
Der Grünen-Vorsitzende Cem ÖzdemirBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

"Abenteuerliche Vorstellungen"

Nach Ansicht des Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir wirft der Vorfall ein Licht auf das Demokratieverständnis der türkischen Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan. "Es sind abenteuerliche Vorstellungen, die der türkische Jugend- und Sportminister hat", sagte Özdemir der Deutschen Welle. "Er geht offensichtlich davon aus, dass Interviews mit internationalen Medien genauso ablaufen wie mit den gleichgeschalteten Medien in der Türkei, dass Gefälligkeitsfragen gestellt werden, die man vorher zur Genehmigung vorlegt."

Özdemir erinnerte aber auch an die schwierige Lage von Journalisten in der Türkei. Diese müssten jeden Tag fürchten, dass sie zusammengeschlagen oder eingesperrt werden. "Da würde ich mir schon mehr Solidarität wünschen, auch von der Bundeskanzlerin und von Herrn Gabriel", sagte Özdemir, der selbst türkische Wurzeln hat.