Putschversuch wird scharf verurteilt
16. Juli 2016Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den inzwischen niedergeschlagenen Militärputsch in der Türkei scharf verurteilt. "Panzer auf den Straßen und Luftangriffe gegen die eigene Bevölkerung sind Unrecht", sagte sie am Samstagnachmittag in Berlin. Sie rief alle politischen Kräfte in der Türkei dazu auf, dem Blutvergießen ein Ende zu machen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte gefordert, die demokratischen Institutionen der Türkei zu respektieren. Er sagte: "Alle Versuche, die demokratische Grundordnung der Türkei mit Gewalt zu verändern, verurteile ich auf das Schärfste“. Merkel forderte die türkische Regierung dazu auf, gemäß der demokratischen Spielregeln den fehlgeschlagenen Putsch politisch wie juristisch aufzuarbeiten. "Gerade im Umgang mit jenen, die für die Ereignisse der vergangenen Nacht verantwortlich sind, sollte sich der Rechtsstaat beweisen."
Am späten Freitagabend hatten Teile der türkischen Armee revoltiert. Nach aktuellem Stand hat die Regierung von Präsident Erdogan den Aufstand niedergeschlagen. Bis Samstagnachmittag waren nach Angaben der türkischen Regierung bereits über 260 Personen durch die Feuergefechte getötet worden. Kanzlerin Merkel ermahnte alle Deutschen in der Türkei, die Warnhinweise des Auswärtigen Amtes bezüglich der Gefahrenlage genau zu verfolgen. Der Krisenstab der Bundesregierung war am Samstagmorgen zusammengekommen. Die Kanzlerin, Vizekanzler Sigmar Gabriel und Außenamtsleiter Steinmeier hatten sich eng untereinander abgestimmt.
Giousouf: Putschisten stärken unfreiwillig die Macht Erdogans
Die deutsch-türkische CDU-Bundestagspolitikerin Cemile Giousouf sagte im DW-Interview: "Ich bin tief geschockt, denn ich habe Familie und Freunde in der Türkei und die sind im Moment alle völlig paralysiert." Mit Blick auf die Rolle des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinen Umgang mit der Staatskrise hat sie große Vorbehalte - insbesondere was die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit anbelangt. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hatte noch am Morgen angeregt, über die Wiedereinführung der Todesstrafe nachzudenken.
"Dass Yildirim jetzt über die Todesstrafe spricht, ist zutiefst abzulehnen und zeigt, was für ein Demokratieverständnis dieser Mensch hat", sagte Giousouf gegenbüber der DW. Das Volk sei traumatisiert von drei Putschversuchen und sehne sich nach demokratischem Wandel. "Alle Oppositionsparteien, selbst die kurdische HDP, haben sich gegen das Militär und den Putschversuch ausgesprochen." Die Gefahr sei jetzt, dass die Puschisten genau das Gegenteil ihrer ursprünglichen Absichten erreichten, so Giousouf. "Insgesamt wird Erdogans Position gestärkt, weil alle Parteien sich gestern hinter ihn gestellt haben." Sevim Dagdelen, deutsch-türkische Parlamentarierin von der Linkspartei twitterte etwa zeitgleich: "Gut, dass der Putsch gescheitert ist, aber jetzt droht Diktatur".
Maas: "Machtwechsel nur durch Wahlen"
Auch Justizminister Heiko Maas (SPD) meldete sich zu Wort. Er mahnte eine schnelle Rückkehr zum Rechtsstaat an. "In der Demokratie gibt es nur einen Weg des Machtwechsels und das sind Wahlen", sagte Maas am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Auch die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hob hervor, dass die Aufarbeitung des Putsches nach demokratischen Spielregeln ablaufen müsse. "Die Türkei braucht Demokratie, Menschenrechte und Freiheit." Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, stellte sich klar hinter die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan. "Gott sei Dank hat die Demokratie gesiegt", sagte er der Online-Ausgabe des Kölner Stadtantzeigers. Die Staatsführung werde nun mit aller Härte reagieren. "Und ich bin zwar auch der Meinung, dass man mit Härte vorgehen sollte. Aber dabei muss man auf jeden Fall unterscheiden zwischen der Zivilbevölkerung und den Putschisten."
In der Nacht war es vor den diplomatischen Vertretungen der Türkei in Berlin und Essen zu tumultartigen Szenen gekommen. Türkischstämmige Deutsche hatten mehrheitlich friedlich gegen den Umsturzversuch demonstriert. In Berlin waren nach Angaben des RBB-Fernsehens bis zu 3000 Demonstranten versammelt, schwenkten türkische Fahnen und skandierten "Allahu akbar" (Gott ist am Größten). Viele trugen T-Shirts mit dem Aufdruck "Türkiye". Das Auswärtige Amt in Berlin hat Reisende in Istanbul und Ankara zu "äußerster Vorsicht" geraten. Im Reisehinweis des Ministeriums vom Samstagmorgen wird davor gewarnt, Wohnungen und Hotels zu verlassen. Wegen der vorübergehenden Schließung des Istanbuler Flughafens Atatürk sollten Reisende Kontakt mit ihrem Reiseveranstalter oder ihrer Fluglinie aufnehmen.