Bundesregierung hält an Migrationspartnerschaften fest
19. Dezember 2016Ein Ergebnis der Recherchen der "tageszeitung": ein internes EU-Papier vom März dieses Jahres. Die Autoren schlagen vor, dass die Mitgliedsländer mit dem Sudan über einen Schuldenerlass verhandeln könnten. Auch bessere Handelsbeziehungen seien denkbar. Voraussetzung: Die Regierung in Khartoum zeigt sich in der Zusammenarbeit mit Europa in Flüchtlingsfragen kooperativer.
Der Sudan ist eines der wichtigsten Transitländer für eritreische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa. Zusätzlich kamen im vergangenen Jahr fast 10.000 sudanesische Flüchtlinge in die EU. Abgelehnte Flüchtlinge nehme die Regierung in Khartum aber nur selten zurück, klagen die EU-Beamten.
Aber: Der Sudan hat auch eines der repressivsten Regime des Kontinents. Menschenrechte, Demokratie und Meinungsfreiheit existieren nicht, monieren Menschenrechtsorganisationen. In der Krisenregion Darfur - Schauplatz eines blutigen Bürgerkriegs - soll die Regierung Giftgas eingesetzt haben.
Das Recherche-Team der "tageszeitung" hält das Papier für echt. Allerdings: Es ist nur eine Diskussionsgrundlage. Offizielle Verhandlungen mit den Sudan über eine sogenannte Migrationspartnerschaft gibt es nicht. Zudem ist unklar, ob die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer dem Vorschlag gefolgt wären.
Zusammenarbeit "inakzeptabel"
Aber auch ohne Migrationspartnerschaft arbeiten der Sudan und die EU zusammen. Nach Berichten des ARD-Magazins "Report Mainz" und des Magazins "Der Spiegel" koordiniert die bundeseigene Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Projekt, das die Ausbildung sudanesischer Sicherheitskräfte ebenso wie Ausrüstung zur Registrierung von Flüchtlingen beinhalten soll.
Zusammenarbeit mit autoritären Regimen - der Opposition gefällt das nicht. "Bisher hatten wir die Zusammenarbeit mit autoritären Regimen wie im Sudan oder in Eritrea abgebrochen, weil wir gesagt haben, dass es die menschenrechtliche Situation auf keinen Fall zulässt" sagt Uwe Kekeritz, entwicklungspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. "Aus menschenrechtlicher Sicht ist es völlig inakzeptabel, dass man solche Regime jetzt noch sicherheitstechnisch und finanziell unterstützt", so Kekeritz.
Ob sie sich eine engere Zusammenarbeit mit Ländern wie dem Sudan vorstellen kann - dazu will die Bundesregierung nichts konkretes sagen. Sie verweist darauf, dass mit der Regierung in Khartum aber nicht über eine sogenannte "Migrationspartnerschaft" verhandelt werde. Derzeit verhandelt die Europäische Union mit diversen afrikanischen Regierungen über solche Abkommen.
Am vergangenen Donnerstag unterzeichneten Nigers Präsident Issoufou und EU-Kommissionschef Junker eine solche Vereinbarung. Die EU sagt dem Land Hilfsprojekte im Wert von 610 Millionen Euro zu. Im Gegenzug verpflichtet sich Niger, keine Migranten auf dem Weg nach Europa mehr durchs Land zu lassen.
Hilfsorganisationen: Partnerschaften sind "Zuckerbrot und Peitsche"
"Hier geht es um sehr konkrete Hilfe, was die Entwicklung dieser Länder anbelangt, um Hilfe bei der Herstellung von Sicherheit in diesen Ländern und um Hilfe bei der Bekämpfung des Schleppertums," sagte Bundeskanzlerin Merkel am Donnerstagabend am Rande des EU-Gipfels.
Die "tageszeitung" kritisiert die umstrittenen Migrationspartnerschaften mit Afrika. Auch große Teile der Zivilgesellschaft sind skeptisch. "Mit diesen Deals versucht die EU, Ursprungs- und Transitstaaten von Schutzsuchenden mit Zuckerbrot und Peitsche dazu zu bringen, Menschen an der Flucht zu hindern. Es ist völlig inakzeptabel, dass die EU in diesem Rahmen humanitäre Hilfe von politischem Wohlverhalten abhängig macht: Nur wer kooperiert, bekommt Unterstützung," kritisierte der Geschäftsführer der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, Florian Westphal, anlässlich des EU-Gipfels am vergangenen Donnerstag.
Verhandlungen laufen noch mit Äthiopien, Nigeria und Senegal. Berichte, dass ein Abkommen mit Mali unter Dach und Fach sei, wurden von der malischen Regierung dementiert. Auch mit weiteren Ländern sollen in der Zukunft Abkommen getroffen werden.