Bundestag untersucht den Fall Amri
16. Januar 2017Nach der Veröffentlichung neuer Details im Fall des Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri wollen die Geheimdienst-Kontrolleure des Bundestags möglichen Fehlern oder Pannen der Sicherheitsbehörden mit einer eigenen Ermittlergruppe nachgehen.
Umfassender Bericht der Behörden
Die Mitglieder des Parlamentsgremiums zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) verständigten sich auf die Bildung einer sogenannten Task Force. Diese soll unter anderem den Informationsfluss im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) von Bund und Ländern beleuchten.
Den Parlamentariern lag ein 19-seitiger Bericht der zuständigen Behörden vor, den das Innen- und das Justizministerium auch auf ihren Internetseiten veröffentlichten. Aus der Chronologie geht hervor, dass sich die Behörden seit Ende 2015 nahezu wöchentlich mit dem Tunesier befassten. Amri wurde als islamistischer Gefährder eingestuft, fiel mehrfach als Krimineller auf, wurde als Asylbewerber abgelehnt und dennoch nicht in Abschiebehaft genommen.
Anschlag mit Lkw
Ein marokkanischer Geheimdienst warnte im Herbst 2016 mehrfach vor Amri. Mitte Oktober wurde er zudem in der Inpol-Datenbank, einem länderübergreifenden Informationssystem der Polizeien, als "foreign fighter" erfasst.
Dennoch konnte Amri am 19. Dezember mit einem gestohlenen Lastwagen in eine Budengasse auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche rasen. Bei dem Anschlag wurden zwölf Menschen getötet. Amri wurde Tage später bei einer Polizeikontrolle in Italien erschossen. Die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) reklamierte den Anschlag für sich.
Der Fall Amri habe "die föderalen Sicherheitsarchitekturen sehr schnell und sehr deutlich an ihre Grenzen gebracht", sagte der PKGr-Vorsitzende Clemens Binninger nach der Sondersitzung des Gremiums in Berlin.
"Tragische Fehleinschätzung"
Der CDU-Politiker verspricht sich nach eigenen Worten von der Task Force schneller Ergebnisse als etwa durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Binninger wies darauf hin, dass die tunesischen Behörden im Oktober 2016 die Identität Amris bestätigt und die Ausstellung von Passersatzpapieren angekündigt hätten. Es sei eine "tragische Fehleinschätzung" gewesen, den Tunesier daraufhin nicht in Abschiebehaft zu nehmen, sagte Binninger.
Kritik am Verfassungsschutz
Der Abgeordnete André Hahn von den Linken prangerte insbesondere die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) an, dem er Passivität im Fall Amri vorhielt. Ähnlich äußerte sich der Grünen-Politiker Christian Ströbele. Er kritisierte, dass keiner die Schuld übernehmen wolle für die schweren Fehler, die geschehen seien.
wl/ww (dpa, afp)