Burka–Verbot in Deutschland?
1. Mai 2010In Artikel 4 des Grundgesetzes heißt es: "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet." Darauf beziehen sich viele Gegner des Burkaverbots in Deutschland, wie der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU). So lange kein öffentliches Interesse dagegen steht, ist ein Burka-Verbot aus "verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich", so Bosbach.
Burka-Verbot ist unrealistisch
Bosbach geht noch einen Schritt weiter und meint, ein Gesetz wie in Belgien sei in Deutschland nicht notwendig, da es zu wenig Fälle gebe, die der "Gesetzgeber regeln" müsste. Das Tragen der Burka fällt für den CDU-Politiker unter die "freie Entfaltung der Persönlichkeit". Er fügte aber auch Ausnahmen hinzu: wenn eine Schülerin vollverschleiert in die Schule gehe, eine vollverschleierte Frau als Zeugin vor Gericht auftauche oder Auto fahre. "Ich selbst sehe das sehr kritisch", sagt er. Dennoch sieht er im Gegensatz zur ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Lale Akgün keinen Handlungsbedarf.
Religiöser Fundamentalismus
Die Burka – darin sind sich Akgün und Bosbach einig – sei ein Zeichen des religiösen Fundamentalismus. Bosbach fügt hinzu: Mehr der Männer als der betroffenen Frauen. Für Akgün ist die Burka ein "Ganzkörpergefängnis", wie sie in einem DW-Interview bekräftigte. "An dieser Stelle muss der Staat sagen, ich dulde nicht, dass Frauen in so ein Ganzkörpergefängnis gezwängt werden." Auch das Argument der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit, auf die sich die Burka tragenden Frauen berufen können, zählt für die bekennende Muslima Lale Akgün nicht: "Religionsfreiheit hat auch bei uns ein Ende, wenn es geltenden anderen Gesetzen widerspricht."
Lange Diskussion
Die Debatte in Deutschland über ein Burka- oder Kopftuchverbot ist nicht neu. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch wetterte schon im Dezember 2007 gegenüber Focus-Online: "Ein voll verschleiertes Mädchen kann nicht gleichberechtigt am Unterricht teilnehmen. Es wird massiv an der Entfaltung seiner Persönlichkeit behindert. (…) Und zum Schulbesuch gehört auch, dass jeder Schüler und jede Schülerin am Sport- und Schwimmunterricht, an Wandertagen und an Klassenfahrten teilnimmt."
Aber mit der Diskussion um ein Verbot islamischer Religionsmotive kam auch die Frage auf, ob nicht auch christliche Symbole aus deutschen Klassenzimmern zu verschwinden hätten. Unlängst konnte die neue niedersächsische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration, Aygül Özkan (CDU), erfahren, wie heftig einem der Wind ins Gesicht wehen kann, wenn man eine solche Forderung in der Öffentlichkeit erhebt. Sie musste ihren Vorschlag, Kruzifixe aus Klassenräumen zu verbannen, öffentlich zurückziehen. Sonst wäre es womöglich nicht bis zu ihrer Vereidigung als erste muslimische Ministerin in Deutschland gekommen.
Öffentliche Meinung
Während der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz von einem Verbot wie in Belgien nichts hält, weil ein "aufgeklärter Islam sich nicht mit Zwang erreichen lasse", steht die öffentliche Meinung offenbar auf einem anderen Standpunkt. Eine aktuelle Umfrage der "Frankfurter Rundschau" unter etwas mehr als 3700 Teilnehmern ergab eine klare Mehrheit von 52 Prozent für ein Verbot des "Ganzkörperschleiers" in öffentlichen Verkehrsmitteln und anderen öffentlichen Einrichtungen. Sie sagen, durch die Burka werden die Menschenrechte verletzt. Weitere 19 Prozent sind ebenfalls für ein Verbot, weil die Burka nur eine Tradition und kein Bestandteil der Religion sei. Lediglich 26 Prozent der Befragten sprachen sich gegen ein Verbot der Burka in Deutschland aus.
Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Silke Wünsch