Vor 200 Jahren gestorben: Jane Austen
18. Juli 2017Rebecca Ehrenwirth/Nina Lieke: By a Lady - Das Leben der Jane Austen
"Zensierte Briefe, persönlich gefärbte Lebensbeschreibungen und ein Werk, das zwar nicht umfangreich ist, aber unsterblich: So setzt sich das Bild Jane Austens zusammen, der - um es mit Virginia Woolfs Worten zu sagen - 'vollkommensten Künstlerin unter allen Frauen'."
Mit Leidenschaft haben sich Rebecca Ehrenwirth und Nina Lieke ihrem Sujet Jane Austen (1775 - 1817) genähert. Mit ihrer Austen-Monografie wenden sie sich auch an ein dezidiert jüngeres Publikum. Natürlich kommen die klassischen Austen-Themen vor, Gesellschaft und Freundschaft, Standesunterschiede und soziale Verwerfungen. Und natürlich geht es um Liebe und Geld: "Die Ökonomie einer Heirat, Geld überhaupt, spielt in Jane Austens Romanen eine beklemmend große Rolle. Zwar stehen die Gefühle bei der Entscheidung für einen Lebenspartner immer ganz klar an erster Stelle, doch dicht darauf folgt das Geld", schreiben ihre beiden Biografinnen.
Doch Ehrenwirth/Lieke kümmern sich in ihrem Austen-Buch auch um Jane-Austen-Fanseiten im Internet, um die zahlreichen Verfilmungen durch Fernsehen und Kino sowie - sehr ausführlich - um literarische Fortschreibungen der Jane-Austen-Romane durch zeitgenössische Autorinnen und Autoren. Das Buch bietet einen leicht zu lesenden Einstieg in das Werk der berühmten Schriftstellerin, überfrachtet das bis heute nur spärlich vorhandene, gesicherte Wissen über Jane Austens Leben nicht mit biografischen Spekulationen: "Jane Austens kurzes Leben liegt weitgehend im Dunkeln." Den sechs großen Romanen werden jeweils eigene Kapitel eingeräumt, zur Sprache kommen aber auch die Briefe sowie kürzere Früh- und Nebenwerke. "By a Lady", unter diesem Pseudonym veröffentlichte Jane Austen seinerzeit ihre Bücher, eignet sich für jeden, der eine moderne, gut lesbare Austen-Monografie sucht.
Rebecca Ehrenwirth/Nina Lieke: By a Lady - Das Leben der Jane Austen, Biografie, Lambert Schneider 2017, 224 Seiten, ISBN 978-3-650-40182-3.
Holly Ivins: Jane Austen - Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt
"Auch wenn Austens Popularität während des viktorianischen Zeitalters abnahm, wurden ihre Werke schon bald nach Erscheinen übersetzt und im Ausland veröffentlicht. So waren Mitte der 1820er Jahre bereits alle sechs ihrer Romane in Frankreich erschienen. In Deutschland ließ man sich allerdings bis Mitte des 20. Jahrhunderts Zeit."
Als "leidenschaftliche Jane-Austen-Leserin" wird auch die englische Literaturwissenschaftlerin Holly Ivins von ihrem deutschen Verlag vorgestellt. Leidenschaft gehört bei Jane Austen offenbar zur Grundvoraussetzung für die Lektüre. Dabei ist das Büchlein von Ivins über weite Strecken von geradezu vorbildlicher Nüchternheit. "Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt" ist nämlich nichts anderes als ein sehr praktisches Jane-Austen-Handbuch. Fakten, Figuren, Filme: Holly Ivins präsentiert die Jahrhundertschriftstellerin in vielen kleinen Einzelkapiteln, in denen sie sich ihrer Biografie, dem gesellschaftlichen und politischen Umfeld sowie der geografischen und literarischen Verortung widmet und die Weiterverarbeitung durch Film & Fernsehen beleuchtet. Auch die Verbreitung in andere Sprachräume kommt zur Sprache - wie die erstaunlich späte Entdeckung in Deutschland in größerem Rahmen.
Zum Schluss werden die sechs großen Romane einzeln vorgestellt: "Verstand und Gefühl", "Stolz und Vorurteil", "Mansfield Park", "Emma", "Northanger Abbey" und "Überredung". Dabei geht Ivins stets nach dem gleichen Muster vor. Einer kurzen Einführung und Inhaltsangabe folgt ausführlich die Vorstellung aller wichtigen Romanfiguren. "Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt" ist somit bestens geeignet für Austen-Leser, die nicht den Faden der meist dickleibigen Bücher verlieren wollen. Wer war noch mal Tom Bertram in "Mansfield Park"? Welche Rolle spielt der Vater von Emma Woodhouse in "Emma"? Und: Warum behandelt John Willoughby Marianne Dashwood in "Verstand und Gefühl" plötzlich so herzlos? Auf all diese Fragen gibt Holly Ivins Antworten, kurz, knapp und präzise.
Holly Ivins: Jane Austen - Eine Entdeckungsreise durch ihre Welt, aus dem Englischen von Sabine Roth, DVA 2017, 238 Seiten, ISBN 978-3-421-04769-4.
Brigitte Ebersbach (Hrsg.): Gäste und Feste bei Jane Austen
"Apfelkuchen (Apple Pie) für 6 Personen, 350 g Mürbeteig, 1 kg Bramleyäpfel (oder andere säuerliche Kochäpfel), 75 g Feinzucker, ½ Zimtstange, gerieben Schale einer Zitrone, 2 Nelken, Eiwasser (Mischung aus geschlagenem Ei und Wasser zum Glasieren), 2-3 TL Butter."
Da sage noch einer, es gehe bei Jane Austen immer nur um Liebe und Leidenschaft, um Geld und Gesellschaft, Ehe und Eifersucht. Brigitte Ebersbach hat für ihr Büchlein "Gäste und Feste bei Jane Austen" insgesamt 17 Passagen aus vier Romanen, einem unbekannteren Frühwerk und den Briefen ausgewählt, in denen es um festliche Zusammenkünfte geht. Diese sind in den erzählerischen Werken oft die Angelpunkte des Romangeschehens, prallen dort doch oft die Emotionen aufeinander. Was zuvor lange verhandelt und beredet wird, wo seitenlang geträumt und phantasiert wird - bei den Festen lässt sich vieles nicht mehr verstecken und verheimlichen. Bei den Festen geht's ums Ganze.
Es wird getanzt und geredet, gegessen und getrunken, die Feste sind nicht selten die literarischen Herzstücke der großen Romane der Autorin. Schon die Titel der Kapitel in Ebersbachs Buch deuten an, worum es geht: "Trubel auf Godmersham Park", "Abendgesellschaft in Hartfield", "Dinner im Herrenhaus", "Ballvergnügen", "Tanz im Gasthaus Krone" etc. Und wo so viel getanzt und gesprochen wird, da wird auch gegessen und getrunken. Das gehörte bei Jane Austen unbedingt dazu. Elf Rezepte, die dem Rezeptbuch Martha Lloyds folgen, die einst bei der Austen-Familie gearbeitet hatte, sind hier versammelt. Vom "Pfundkuchen" über "Weiße Suppe" bis hin zum "in Wein geschmortem Schweineschinken" kann der Leser hier alles nachkochen und probieren. Wohl bekomm's!
Brigitte Ebersbach (Hrsg.): Gäste und Feste bei Jane Austen, ebersbach & simon 2017, 142 Seiten, ISBN 978-3-86915-138-0.
Jane Austen: Vernunft & Gefühl
"Das eigene Begehren bleibt unerwidert. Und wie dann weiterleben? Diese lebensentscheidende Frage steht im Mittelpunkt von Jane Austens Roman 'Vernunft und Gefühl'." (Denis Scheck)
Eine schöne Begleiterscheinung von Gedenk- und Jubiläumsjahren großer Schriftstellerinnen und Schriftsteller ist es, dass berühmte Werke der Literaturgeschichte immer mal wieder neu übersetzt werden. So auch bei Jane Austen. Ihr erster Roman "Sense and Sensibility", der heute in Deutschland unter dem sinngemäßen Titel "Vernunft und Gefühl" erscheint, wurde von Andrea Ott elegant übersetzt. Natürlich kann man sich über jede neue Übertragung in eine andere Sprache streiten, doch Ott hat zweifelsohne einen frischen wie zeitgemäßen Ton getroffen.
Das Buch schließt mit einem klugen wie präzisen Nachwort des Kritikers Denis Scheck ab, dem es gelingt Leben und Werk Jane Austens auf ein paar Seiten zu umreißen. Und in dem er sich auch dem Kern gerade dieses Romans annähert. Die Geschichte der beiden Schwestern Elinor und Marianne Dashwood und deren grundverschiedene Ansätze mit dem Leben und der Liebe umzugehen, bietet Jane Austen in Reinform. In ihrem ersten Roman ist alles drin, was später in vielen Varianten wieder vorkommen wird: "Zwei diametral entgegengesetzte Liebeskonzeptionen rasen in diesem Buch wie zwei Güterzüge auf Kollisionskurs aufeinander zu, prallen zusammen und zwingen die mit knapper Not mit dem Leben Davongekommenen, sich zwischen den Trümmern ihrer bisherigen Existenz neu zu erfinden" (Denis Scheck). Im Grunde genommen hat sich daran bis heute nicht viel geändert. "Vernunft und Gefühl" zeigt (auch), welch ungemein moderne Autorin diese Engländerin war.
Jane Austen: Vernunft & Gefühl, aus dem Englischen neu übersetzt von Andrea Ott, Manesse 2017, mit einem Nachwort von Dennis Scheck, 412 Seiten, ISBN 978-3- 7175-2354-3.
Jane Austen: Mansfield Park
"Fanny Price war damals gerade zehn Jahre alt geworden, und auch wenn es auf den ersten Blick nicht viel an ihr geben mochte, was für sie einnahm, so gab es doch auch nichts, was ihren Verwandten einen Schrecken eingejagt hätte."
Mit diesen Worten wird die literarische Hauptfigur in Jane Austens Roman "Mansfield Park" eingeführt. Auf den folgenden 500 Seiten lernt der Leser dann eine junge Frau kennen, die, anders als viele weibliche Protagonistinnen in Austens Romanen, weniger lebensfroh und charismatisch, temperamentvoll und einnehmend auftritt. Fanny Price ist, wie es Julika Griem im Nachwort der Neuausgabe von "Mansfield Park" formuliert, eine "blasse, schwächliche und ängstliche junge Frau".
Auch der dritte Roman Austens ist zum Gedenkjahr neu übersetzt worden, von zwei ausgewiesenen Könnern ihres Fachs, Manfred und Gabrielle Kampf-Allié. Beide übertragen derzeit alle wichtigen Romane der englischen Autorin ins Deutsche. Und so kommt der Leser in den Genuss, auch Fanny Price, diese große literarische Figur der Jane Austen, über einige Jahre hinweg zu begleiten - und dabei auf eine ebenso kunstfertige wie angemessene Sprache zurückgreifen zu können. Denn: Auch wenn Fanny Price (zumindest anfangs) als weniger charismatisch erscheint als andere Austen-Heldinnen, weniger interessant und literarisch aufregend ist sie keinesfalls. Fanny Price zeigt uns Lesern die Welt da draußen aus ihrer Sicht - vielleicht ist sie uns damit sogar näher als manch andere Austen-Heldin, die sich ungestüm in die Liebes- und Gefühlswirren der Welt stürzt.
Jane Austen: Mansfield Park, aus dem Englischen neu übersetzt von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié, S. Fischer 2017, 574 Seiten, ISBN 978-3-10-397271-9.