Neue Gesichter in Japan
24. August 2007"In den japanischen Medien und unter politischen Beobachtern wird im Moment interessanterweise eine große Koalition thematisiert" berichtet Markus Tidten, Japan-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, über die derzeitige Lage. Das Interessante: In der großen Linie seien die Profile der Kontrahenten, der Liberaldemokratischen Partei (LDP) des Regierungschefs und der oppositionellen Demokratischen Partei Japans (DPJ), nicht soweit auseinander. Der Oppositionsführer Ichiro Ozawa komme, wie Abe, aus der konservativen Ecke. Insofern wäre eine große Koalition ein Zusammengehen der konservativen Kräfte, wie es Japan schon häufiger erlebt habe. "Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass es in kurzer Zeit überhaupt möglich ist", gibt Tidten seine persönliche Einschätzung ab.
Die LDP hatte bei der Oberhauswahl am 29. Juli dramatische Verluste erlitten und die Mehrheit in der zweiten Kammer verloren. Sogar über den Rücktritt Abes ist spekuliert worden. Am Montag (27.8.) wird der Ministerpräsident als Reaktion auf die Wahl sein Kabinett umstellen.
Wahrscheinlich keine vorgezogenen Neuwahlen
Dass der Plan der Opposition, vorgezogene Neuwahlen im Unterhaus, aufgehe, glaubt Tidten im Moment eher nicht. "Das war die optimistische Idee von Ozawa: über das Oberhaus viel Druck ausüben und damit Unterhauswahlen und einen Regierungswechsel erzwingen." Aber im Moment sei die LDP noch am längeren Hebel. Denn die Zweidrittelmehrheit im Unterhaus erlaube auch weiterhin kritische Gesetze und da die LDP dank ihrer Wirtschaftspolitik ein gutes Verhältnis zu Industrie und Wirtschaft habe, stehe sie auch finanziell besser da.
Auch zu Abe selbst gebe es im Moment keine ernsthafte Alternative, meint der Experte. "Er ist deshalb so stark, weil die Schwäche der LDP hinter ihm steht". Die Liberalen hätten viele Politiker verschlissen und jetzt eine sehr dünne Personaldecke. Um nicht auch bei der Unterhauswahl 2009 die Mehrheit zu verlieren, müsse er es schaffen, seine Vorstellungen besser zu transportieren. "Denn der Mainstream der japanischen Bevölkerung ist eigentlich konservativ - nicht nationalistisch oder rechtsnational, aber staatsbewusst." Darum sei es durchaus möglich, dass Abe sich in den zwei Jahren bis zur Wahl konsolidiert.
Skandale führten zur Wahlniederlage
Aber in seinem Kabinett wird einiges passieren. "Es wird umfassende Änderungen geben", glaubt Tidten, "denn man möchte der Bevölkerung einen neuen Ansatz zeigen." In der Vergangenheit war es in Abes Regierung zu mehreren Skandalen im Zusammenhang mit Spenden oder anderen Gelder gekommen. Ein Minister beging Selbstmord, zwei mussten zurücktreten und es wurde öffentlich, dass Renten von 50 Millionen Bürgern seit Jahren falsch berechnet wurden. Diese Skandale seien für die Wahlschlappe verantwortlich meint Tidten. Denn die Themen, die Abe sonst angeführt habe, würden in der Bevölkerung wenig beachtet. "Mit Außenpolitik gewinnt man auch in Japan keine Wahlen." Obwohl er, anders als sein Vorgänger Koizumi, deutliche Akzente gesetzt habe. Zum Beispiel durch eine stärkere Position in der ganzen Region und das Bemühen um ein besseres Verhältnis zu China und Südkorea.
Auch für Experten wird es Überraschungen geben
Was am Montag genau passieren werde, dass sei die 100.000-Dollar-Frage, meint der Japan-Experte schmunzelnd und wagt selbst nur wenige Namen zu nennen. Außenminister Taro Aso müsse der wahrscheinlich gehen und auch die Verteidigungsministerin Koike sei in die Kritik geraten. "Man wirft ihr vor, sie habe zu wenig Erfahrung." Koike musste kurzfristig einspringen, als der alte Verteidigungsminister zurücktrat. "Aber wahrscheinlich wird Abe sie trotzdem nicht so schnell wieder entfernen", relativiert Tidten.
Der ehemalige Außenminister Machimura gelte als einer der sichersten Kandidaten für das neue Kabinett - auch wenn er als Abe-Kritiker bekannt ist. "Innerhalb der LDP müssen auch die einzelnen Fraktionen berücksichtigt werden", nennt Tidten eine weitere Besonderheit. Die Partei habe zahlreiche interne Fraktionen, die unterschiedlichen Einfluss haben. Insofern tauchten auch für Experten immer mal überraschende Personen im Kabinett auf.