Nächste Runde im Fall "Böhmermann - Erdogan"
18. Mai 2016Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg sei "eklatant falsch", sagte Jan Böhmermanns Anwalt Christian Schertz. Dem Gericht seien schwere handwerkliche Fehler unterlaufen. Schertz kündigte an, dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan über das Gericht eine Frist von vier Wochen setzen lassen. Innerhalb dieser Zeit müsse Erdogan dann eine sogenannte Hauptsacheklage erheben. Sollte er das nicht tun, verfalle die Verfügung. Schertz betonte, dass er und sein Mandant bereit seinen, bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.
Böhmermann-Anwalt sieht "schwere handwerkliche Fehler"
Der Anwalt wirft den Hamburger Richtern vor, den Zusammenhang außer Acht gelassen zu haben, in dem das Gedicht vorgetragen wurde. Böhmermann habe in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" Ende März zeigen wollen, was in Deutschland erlaubt sei und was nicht und wo die Grenzen zur Schmähkritik lägen. Das Gericht habe zwar festgestellt, dass das Gedicht ein Kunstwerk sei, es dann aber zerlegt, um Teile davon isoliert zu verbieten. Ein solches Vorgehen sei beispielsweise bei journalistischen Texten möglich, nicht jedoch in der Kunst. "Man kann auch kein Ölgemälde sezieren", so Schertz.
Rückendeckung erhielten Böhmermann und sein Anwalt vom stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki. "Man kann das Gedicht nicht insgesamt als Satire einstufen und dann in Einzelteile zerlegen und einige Teile rausnehmen. Das wäre so, als wenn man das Bild der Mona Lisa zum Kunstwerk erklärt, um ihr das Lächeln wegen aufreizenden Flirts untersagen zu wollen", kritisierte Kubicki in der "Bild"-Zeitung.
Wie reagiert Erdogan?
Nach der Entscheidung des Hamburger Landgerichts darf Böhmermann bestimmte Passagen des Gedichts über den türkischen Präsidenten wegen ihres "schmähenden und ehrverletzenden Inhalts" nicht noch einmal vortragen. Tut er dies doch, droht ihm nach Angaben des Gerichts ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.
Für bestimmte Teile des "Schmähgedichts" wies das Gericht den Antrag Erdogans jedoch zurück, sie sind damit nicht von der einstweiligen Verfügung betroffen. Denkbar ist damit, dass der türkische Präsident selbst rechtlich gegen die einstweilige Verfügung vorgeht. Der am Dienstag verkündete Beschluss müsse allerdings noch förmlich zugestellt werden, sagte ein Gerichtssprecher. Erst dann laufe für Erdogan eine zweiwöchige Frist, eine sofortige Beschwerde einzureichen, weil sein Antrag teilweise zurückgewiesen wurde.
Ob es unabhängig von der einstweiligen Verfügung außerdem zu einem Prozess in Mainz kommt, bei dem sich Böhmermann wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes verantworten muss, ist weiter offen. Eine Prognose, wann darüber entschieden wird, sei derzeit nicht möglich, teilte die Staatsanwaltschaft Mainz mit. Kurzfristig werde dies jedoch nicht der Fall sein.
ww/stu (epd, dpa)