Börsengang: Skepsis gegenüber Saudi Aramco
18. November 2019Dieser Börsengang ist das Vorzeigeprojekt des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, und der hat bessere Publicity dringend nötig - aber dazu später… Der Börsengang, so wollte es der Kronprinz seit der ersten Vorstellung des Vorhabens, sollte gigantisch werden. Größer als alle Börsengänge bisher, und er sollte ein Unternehmen bewerten, das größer ist als alle anderen: Saudi Aramco, der saudische Erdölkonzern, fest in der Hand der Herrscher-Familie; ein Unternehmen, das dafür gesorgt hat, dass das Königshaus genug Geld hat, um seine Macht auszubauen, und der dafür sorgen soll, dass das auch so bleibt.
Geht alles nach Plan - so wie er nun seit Sonntag umgesetzt wird - dann dürfte Aramco an der Börse bald mit einer Summe zwischen 1,6 und 1,7 Billionen Dollar bewertet werden. Das ist deutlich weniger als die rund zwei Billionen, die der Prinz und Thronfolger angestrebt hatte. Aber so ganz rund lief die Sache bisher eben nicht. Mittlerweile ist klar, dass die Aramco-Aktie - insgesamt rund drei Milliarden Papiere oder 1,5 Prozent der Gesamtzahl - nur in Saudi-Arabien selbst angeboten wird. Die Welt-Börsen etwa in den USA bleiben außen vor. Das hat auch damit zu tun, dass sich der Staatskonzern wohl nicht allzu tief in die Bücher schauen lassen wollte - das wäre aber Voraussetzung für eine Platzierung an Börsen wie New York, London oder Hongkong.
Am 5. Dezember steht der Preis
Seit Sonntag läuft die Zeichnungsfrist für die Aktie - bis zum 4. Dezember für institutionelle Anleger, für Privatleute ist es eine Woche weniger. Die Preisspanne dafür wurde am Sonntag zunächst zwischen 8,00 und 8,50 Dollar festgelegt. Am 5. Dezember soll dann der endgültige Ausgabepreis benannt werden. Je nachdem, wie die Nachfrage sich dann zeigt, könnte Aramco tatsächlich den größten Börsengang aller Zeiten hinlegen. Bisheriger Rekordhalter ist die chinesische Handelsplattform Alibaba mit Börsen-Einnahmen von 25 Milliarden Dollar.
Nach Berichten von saudischen Zeitungen wollen bis zu fünf Millionen Menschen im Lande selbst die Papiere zeichnen. Viele sehen das als Ausdruck ihres Patriotismus an. Kolumnist Anwar Aboalela schrieb auf Twitter: "Am IPO teilzunehmen ist eine nationale Pflicht für jeden, der es sich erlauben kann."
Skepsis bei den Großen
Große Investoren aus dem Ausland haben für solche Appelle naturgemäß weniger Verständnis. Und sie haben auf die Preisvorstellungen der saudischen Herrscher derart skeptisch reagiert, dass der Börsengang mehrfach verschoben werden musste. Bereits im Jahr 2016 hatte der starke Mann des Regimes, Kronzprinz Mohammed bin Salman, den Aramco-Deal im Rahmen seines gigantischen Reformprojekts "Vision 2030" vorgestellt.
Seither hat sich der Ölpreis nicht zu Gunsten der Saudis entwickelt. Anfang des Jahrtausends stieg er von einem Rekord zum nächsten, die Geldmaschine lief. Etwa seit 2014 ändert sich das, der Ölpreis erlebt seither wilde Schwankungen, der Gewinn auch von Aramco, wenngleich immer noch gigantisch, geht zurück: In diesem Jahr bis Ende September erzielte Aramco einen Gewinn von 68,2 Milliarden Dollar im Vergleich zu 83,1 Milliarden Dollar im Vorjahreszeitraum - in neun Monaten sackte er also um 18 Prozent ab.
Politische Gefahren tun das Ihre. Im vergangenen September legte ein Angriff auf saudische Ölanlagen die Produktion teilweise lahm. Betroffen war gut die Hälfte der Förderung im Land. Die Spannungen in der Region - auch die mit dem Dauerrivalen Iran - hat das saudische Herrscherhaus in Teilen selbst zu verantworten.
Der barbarische Mord
Und dann ist da noch der Fall Khashoggi: der barbarische Mord an dem saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im letzten Jahr, der in der Botschaft des Landes in der Türkei einer Falle zum Opfer fiel. Der saudische Machthaber Mohammed bin Salman bestritt jede direkte Verantwortung, eine Sonderermittlerin der UNO verlangte aber, gegen ihn selbst strafrechtlich vorzugehen, und den Eindruck, hier habe der angebliche Reformer seine düstere Seite gezeigt, wird er seither nicht mehr los.
Dabei hatte der Kronprinz mit seiner "Vision 2030" einen Reform-Umbau der Wirtschaft - und wohl auch der Gesellschaft - für Saudi-Arabien in Aussicht gestellt: "Der letzte Versuch der Saudis", so urteilt der Nahost-Experte Guido Steinberg, "mit einer ganz, ganz großen Reform ihr Land in dem Fall zu retten, dass das Öl zur Neige geht". Das Geld aus dem Öl sollte in Branchen für die Zeit nach dem Öl investiert werden.
Energiewende statt Aramco?
Dass das Öl so bald zur Neige gehen könnte, mag man in Zweifel ziehen - immer fraglicher wird aber, ob weiter so viel Öl wie bisher nachgefragt wird. Längst hat die sogenannte Energiewende auch das Rohöl erfasst. "Die Attraktivität der Branche hat stark gelitten", schreibt die "Neue Zürcher Zeitung" und zitiert aus einer Analyse der Marktforschungsfirma IHS Markit: "In einem Szenario wird die Nachfrage nach Erdöl im Jahr 2035 schwächer, im anderen bereits Mitte der 2020er Jahre".
Für langfristig planende Investoren - und das sind die sogenannten institutionellen Anleger, die nun für die Aramco-Aktie gewonnen werden sollen - ist "Mitte der 2020er Jahre" gleich morgen. Auch das ist einer der Gründe für die internationale Skepsis gegenüber dem Megaprojekt Aramco-Börsengang. Abgesehen davon, dass man nicht so richtig weiß , wie groß die Ölreserven der Saudis tatsächlich noch sind. Nahost-Experte Steinberg am Montag im "Deutschlandfunk": "Das ist die ganz große Frage, die Aramco in den nächsten Monaten etwas transparenter beantworten muss."