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"Integration beginnt bei einem selbst"

22. November 2016

Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Cacau ist neuer Integrationsbeauftragter des Deutschen Fußball-Bundes. Er selbst ist ein Paradebeispiel für gelungene Integration.

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Cacau bei der Präsentation als neuer DFB-Integrationsbeauftragter. Foto: dpa-pa
Bild: picture alliance /dpa/B. Roessler

Wenn Claudemir Jeronimo Baretto erzählt, dann lacht sein ganzes Gesicht. Das ist noch immer so. Als er am Dienstagmittag das Podium der Pressekonferenz des DFB betritt, ist es, als wäre er nie fort gewesen. In seiner gewohnt netten und besonnenen Art berichtet der ehemalige Spieler des VfB Stuttgart, wie er selbst nach Deutschland kam: "Ich konnte kein Wort Deutsch, ich wollte die Sprache so schnell wie möglich lernen."

Erst vor wenigen Tagen hat Cacau per Facebook sein Karriereende bekannt gegeben, ab sofort widmet er sich einer neuen Aufgabe: Er soll helfen, Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland noch besser zu integrieren. "Ich fühle mich sehr geehrt und freue mich darauf." Neben Cacau sitzt DFB-Präsident Reinhard Grindel und wirkt sehr zufrieden, er nennt den neuen Integrationsbeauftragten des Verbands einen "Glücksfall für den DFB und den gesamten deutschen Fußball". Cacau sei selbst ein Beispiel für gelungene Integration. Man wolle ihn nicht nur ins Schaufenster stellen, er solle mit seiner fachlichen Kompetenz auch inhaltlich arbeiten.

Mit 18 nach Deutschland

Cacau, wie er liebevoll von seiner Mutter genannt wurde, da er seinen Vornamen Claudemir erst nicht richtig aussprechen konnte, hat den langen Weg der Integration selbst bewältigen müssen. Schon als kleiner Junge wollte er Fußballprofi werden - in den Straßen Brasiliens kein ungewöhnlicher Wunsch. Dort war er aber einer von vielen Hunderttausend mehr oder weniger talentierten Straßenkickern. Cacau spielte für verschiedene kleinere Vereine in Brasilien, erlitt Rückschläge, doch es gab jemanden, der an ihn glaubte: Der als Samba-Musiker in Deutschland lebende Cousin seines ehemaligen Jugendtrainers, Osmar Oliveira. Er holte ihn mit 18 Jahren nach Deutschland und kümmerte sich von da an um ihn.

Vom türkischen Landesligisten bis in die Nationalmannschaft

Die ersten Vermittlungsversuche - unter anderem auch beim FC Bayern München - schlugen zunächst fehl, erst im zweiten Anlauf kam er beim Landesligisten Türk Gücü München unter. Die Ansprache des Trainers erfolgte auf Türkisch, ein Mitspieler übersetzte das auf Deutsch, berichtet Cacau und gesteht: "Ich habe beides nicht verstanden." Schnell wurde ihm klar, wie wichtig Sprache ist. "Man verinnerlicht, dass Integration bei einem selbst beginnt."

Cacau spricht mit VfB-Fans. Foto: Getty Images
VfB-Profi zum Anfassen: Cacau scheute nicht den direkten Kontakt mit den Stuttgarter FansBild: Getty Images

Zwei Jahre später wurde Cacau von der 2. Mannschaft des 1. FC Nürnberg verpflichtet. Er profitierte von Personalsorgen der ersten Mannschaft und wurde vom damaligen Trainer Klaus Augenthaler dorthin befördert. Sein erstes Bundesligaspiel bestritt Cacau am 18. November 2001 gegen Hansa Rostock. "Ich war sehr aufgeregt, ich habe zunächst auf der Bank gesessen und dann zwölf Minuten gespielt", berichtet Cacau auf seiner Homepage.

2003 wechselte der Stürmer dann zum VfB Stuttgart, wo er es unter Matthias Sammer zum erfolgreichsten Torschützen des Teams und Stammspieler brachte. Er traf auch auf internationalem Parkett im UEFA-Cup. 2009 erhielt Cacau auf eigenem Wunsch die deutsche Staatsbürgerschaft. "Je länger man hier lebt, desto mehr ist das Gefühl von Heimat gekommen", erzählt Cacau heute.

Kurz darauf wurde er von Bundestrainer Joachim Löw zum Nationalspieler berufen. Bei der WM 2010 in Südafrika absolvierte er drei Spiele und erzielte ein Tor. Insgesamt spielte Cacau 22-mal im Nationaltrikot (6 Tore) und kam auf 281 Bundesligapartien (86 Tore) . Nach einem kurzen Abstecher nach Japan gab Cacau im Oktober das Ende seiner aktiven Fußballerkarriere bekannt.

Studium und Integrationsaufgaben

Vor Kurzem begann Cacau ein Studium: Sportmanagement an der Fernuni. "Ich habe in meinen 14, 15 Jahren im Profifußball allerhand Praxis gelernt, jetzt kommt die Theorie dazu." Der Vater von drei Kindern ist noch immer im Fußball unterwegs - seine Söhne sind im Verein aktiv, er ist schon als Schiedsrichter eingesprungen. "Nun will ich mit den Leuten reden, zuhören", sagt Cacau, der bereits seit sechs Jahren als Integrationsbotschafter tätig ist. "Das war mehr repräsentativ, jetzt will ich auch inhaltlich arbeiten."

2010 bejubelte Cacau seinen Treffer zum 4:0 im WM-Gruppenspiel gegen Australien. Foto: dpa-pa
2010 bejubelte Cacau seinen Treffer zum 4:0-Endstand im WM-Gruppenspiel gegen AustralienBild: picture-alliance/dpa

Projekte besuchen, die gut laufen und den Kontakt zu den Landesverbänden suchen, das steht erst mal auf dem Programm. "Ich möchte nicht nur ein Gesicht sein, sondern noch mehr in das Thema eintauchen", sagt Cacau. "Für mich als Brasilianer war es damals selbstverständlich, mich anzupassen." Das sei heutzutage bei vielen anders. "Warum das so ist, möchte ich wissen, das geht nur über Gespräche. Denn es ist nicht so, dass wir alles wissen, durch Gespräche können wir neue Ideen entwickeln."

Zweimal im Jahr fliegt er noch zur Familie nach Brasilien, aber zurückgehen will er nicht mehr: "Wir fühlen uns hier zu Hause. Meine Kinder sind hier geboren." Deutschland als neue Heimat, das gilt auch für Cacau. Und für den Fußball: "Mein Sohn hat zu mir gesagt: Papa, wenn Deutschland gegen Brasilien spielt, dann bin ich für Deutschland", berichtet Cacau. Und zeigt erneut sein strahlendes Lächeln.