Soukou - ein Deutscher für Benin
22. Juni 2019Am 24. März dieses Jahres hatte ein junger Mann aus Deutschland in Benins Regierungssitz Cotonou seinen großen Auftritt: Cebio Soukou hatte den Ball am Fuß, kurz hinter dem Mittelkreis schaute er kurz auf und schickte seinen Teamkollegen von Benins Nationalmannschaft, David Djigla, mit einem mustergültigen Pass in die Tiefe. Der Stürmer vom FC Nantes ließ sich die große Chance nicht nehmen und erzielte das 1:0 im entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Togo. Am Ende hatte das kleine Benin die große Überraschung geschafft: Mit einem 2:1-Erfolg über Togo qualifizierte sich das westafrikanische Zehn-Millionen-Einwohner Land tatsächlich für die Endrunde des Afrika-Cups in Ägypten.
Nach dem Abpfiff verwandelten die 35.000 Zuschauer das völlig überfüllte Stade de l'Amitie zunächst in eine riesige Partyzone, später gingen die Feierlichkeiten auf den Straßen der Stadt weiter. Tanzende Menschen überall, überfüllte Autos mit Fahnen schwenkenden Fans in und auf den Vehikeln, Verbrüderungen mitten auf der Kreuzung. Fußballerfolge werden in Afrika noch viel enthusiastischer gefeiert als irgendwo anders auf der Welt. Und mitten drin: ein staunender Cebio Soukou.
Kumpels aus der ganzen Welt
Sokou stammt aus Bochum, der fälschlicherweise als grau geltenden Industrie- und Universitätsstadt im Ruhrgebiet. Beim Vorortverein TuS Querenburg machte er einst seine ersten Fußballschritte. Sokous Vater war als Student aus dem Benin nach Bochum gekommen und hatte eine deutsche Frau geheiratet. Eine internationale Verbindung - und international durchmischt wuchs Cebio Soukou dann auch auf. "Meine Kumpels, mit denen ich als Kind auf der Straße Fußball gespielt habe, kommen aus der ganzen Welt. Nach unserem gemeinsamen Abi, haben die meisten irgendwo ein Studium begonnen. Ich war der Einzige, der beim Fußball geblieben ist", sagt er.
Die Jugendscouts des VfL Bochum hatten Sokou als Teenager vom TuS Querenburg abgeworben, doch beim VfL, damals wie heute in der 2. Liga, schaffte er später den Durchbruch bei den "Großen" nicht. Es folgte eine kleine Vereinsodyssee, wie sie für Fußballer von Soukous Qualität nicht unüblich ist. Der damals 19-Jährige wurde von seinem Spielerberater nach einem Jahr in Bochums Reserveteam zu Rot-Weiss Essen vermittelt, von dort aus ging es 2016 zu Erzgebirge Aue, 2018 landete er bei Hansa Rostock in der 3- Liga, vor wenigen Tagen unterschrieb er einen Vertrag bei Zweitligist Arminia Bielefeld. Fußball in der Niederungen des Profibereichs sozusagen.
Doch dann kam der Benin: Mitarbeiter des neuen französischen Nationaltrainer-Teams hatten Sokou aufgespürt und im November 2018 erstmals für ein Länderspiel nominiert. Sokou betrat zum ersten Mal in seinem Leben überhaupt afrikanischen Boden - nie zuvor war er auf dem Heimatkontinent seines Vaters gewesen. Aber: Damals wurde es doch nichts mit einem Einsatz - Sokou verletzte sich kurz vorher.
So kam der gebürtige Bochumer also ausgerechnet im entscheidenden Qualifikationsspiel zum ersten Mal überhaupt für das Geburtsland seines Vaters zum Einsatz - und durfte dann gleich einen derartigen Erfolg miterleben. "Wahnsinn", erinnert sich der 26-Jährige noch Wochen später mit Gänsehaut an das Erlebnis. "So eine Euphorie, so viele glückliche Menschen um mich herum - das hatte ich noch nie irgendwo anders erlebt. Es war wie ein schöner Traum für mich", erzählt Soukou.
Integration und Teamarbeit
Nun, gut drei Monate später, wird ein weiterer Traum für den Angreifer wahr: Nationaltrainer Michel Dussuyer hat ihn wie erhofft für den Kader Benins für den Afrika-Cup nominiert. Vom 21. Juni bis 19. Juli wird Soukou, der in der vergangenen Saison für Hansa Rostock in der dritten deutschen Liga kickte, mit seinen neuen Kollegen um Afrikas wichtigste Fußball-Trophäe kämpfen.
Es wird viel um Integration und Teamarbeit gehen - schließlich kommen da 23 Fußballer aus der ganzen Welt zusammen, die nur eines verbindet: die beninischen Wurzeln ihrer Elternteile. So spricht Sokou noch nicht einmal die französische Landessprache, er verständigt sich hauptsächlich auf Englisch mit den Kollegen. "Dazu kommt mir entgegen, dass der Co-Trainer des Teams ein paar Jahre in Deutschland gespielt hat und gut Deutsch spricht", sagt Sokou.
Überrascht war er vom fußballerischen Niveau der Teammitglieder: "Die Kollegen kommen fast alle aus europäischen Top-Ligen, das Niveau im Training und im Spiel ist enorm", sagt er. Beispielsweise spielt Stürmer Steve Mounié für den FC Huddersfield, der in der abgelaufenen Saison aus der englischen Premier League abstieg. Mittelfeldspieler Stephane Sessegnon ist Stammspieler bei Genclerbirligi Ankara in der zweithöchsten türkischen Liga. Viele andere sind bei französischen Zweitligisten unter Vertrag.
Doch auch als Drittligaspieler aus Deutschland wurde Sokou schnell im Team integriert: "Die Jungs haben es mir leicht gemacht. Sie waren alle total locker und freundschaftlich. Haben mich total herzlich aufgenommen", erinnert er sich. Für das bevorstehende Turnier haben sich Sokou und seine Kollegen einiges vorgenommen: "Wir fahren dahin, um das Turnier zu gewinnen", kündigt Soukou an. "Wir haben viel Selbstvertrauen und trauen uns das zu. Das tun allerdings die Jungs aus allen anderen 23 Teilnehmerländern auch."
Schwere Gegner
Der Benin wurde in die Vorrundengruppe F gelost, trifft dort zunächst auf Titelverteidiger Kamerun, anschließend auf Ghana und Guinea-Bissau. Die beiden Ersten jeder Gruppe kommen automatisch in die folgenden K.o-Spiele, die vier besten Gruppendritten der sechs Vorrundengruppen schaffen das ebenfalls. "Machbar", urteilt Cebio Sokou - schließlich hat er vor drei Monaten gegen Togo selbst miterlebt, zu was Benins Nationalmannschaft fähig ist.