Champions League: David gegen Goliath
17. Mai 2019Wenn die Schiedsrichterin Anastasia Pustovoitova am Samstag um 18 Uhr in der Groupama Arena in Budapest das Finale der UEFA Women´s Champions League anpfeift, trifft David auf Goliath. Auf der einen Seite der Neuling aus Spanien, der FC Barcelona. Und auf der anderen der fünffache Champions-League-Sieger Olympique Lyon.
Olympique Lyon: Das Maß aller Dinge
Der war 2004, also vor 15 Jahren, aus der Frauenmannschaft des FC Lyon hervorgegangen. Damals waren die Männer von Olympique sehr erfolgreich. Doch während diese 2012 zuletzt einen Titel gewinnen konnten - den französischen Supercup - türmen sich bei den Frauen mittlerweile die Pokale: Seit 2007 sind sie serienmäßig Französischer Meister, gewannen sieben Mal den Französischen Pokalwettbewerb und stehen seit 2010 immer im Finale der Champions-League - das sie bisher fünfmal gewinnen konnten.
Der Mann, der hinter dieser erfolgreichen Ära steht, ist Vereinspräsident Jean Michel Aulas. Er hat durch einen Etat von rund 8 Millionen Euro im Jahr nicht nur die besten Spielerinnen nach Frankreich geholt, sondern auch für die Professionalisierung des Frauenfußballs im Verein gesorgt. So hat er zum Beispiel durchgesetzt, dass auch die Frauen-Mannschaft auf den gleichen Anlagen und mit den gleichen Ressourcen trainieren können wie die Männer.
Alles andere als ein Sieg für Olympique Lyon wäre also eine Überraschung. Das Team um Weltfußballerin Ada Hegerberg und der deutschen Nationalspielerin Dzsenifer Marozsan ist momentan das Maß aller Dinge im WM-Gastgeberland Frankreich, aber auch in Europa. Neben Marozsan spielen auch die deutsche Ersatztorhüterin Lisa Weiß und deren Nationalmannschaftskollegin Carolin Simon bei den Französinnen.
Ein Team gespickt mit Superstars
Das Team des ehemaligen Stürmers Reynald Pedros ist eine Ansammlung internationaler Top-Spielerinnen. Dazu gehört natürlich Marozsan. Die 27-jährige wechselte in der Saison 2016/2017 nach Frankreich und hat dort mittlerweile ihren Vertrag bis Juni 2020 verlängert. In ihrer ersten Saison beim französischen Top-Club wurde sie auf Anhieb zur besten Spielerin der "D1 feminine" gewählt. Und auch in dieser Saison ging diese Auszeichnung an die Mittelfeldspielerin.
Dazu kommt die Weltfußballerin Ada Hegerberg. Seit ihrem Wechsel von Turbine Potsdam nach Lyon im Jahr 2014, hat die 23 Jahre alte Stürmerin bereits 129 Tore in nur 103 Spielen erzielt. Auch in der laufenden Saison hat sie eine gute Quote vorzuweisen: in 28 partien kommt sie auf 20 Tore und 12 Torvorlagen. Die schwedische Stürmerin bildet mit der französischen Nationalspielerin Eugénie Le Sommer ein angriffslustiges Duo in Lyons Offensive. Le Sommer gehört ebenfalls international zu den besten Spielerinnen und hat in dieser Saison bisher schon 20 Treffer in 28 Spielen erzielt.
Nicht nur vorne ist Olympique Lyon mit Weltklasse-Spielerinnen besetzt, sondern auch im Tor. Die 32 Jahre alte Sarah Bouhaddi ist seit der Saison 2009/2010 in Lyon und wird von vielen Experten als die momentan beste Torhüterin weltweit im Frauenfußball gesehen. Wie sie zählen auch die Verteidigerin Lucy Bronze (England) und die Mittelfeldspielerinnen Amandine Henry und Wendie Renard (beide Frankreich) zur absoluten Weltspitze.
Der FC Barcelona hat bereits Geschichte geschrieben
Für den FC Barcelona ist es dagegen das erste Champions League Finale der Vereinsgeschichte. Und überhaupt sind sie die erste spanische Mannschaft, die es so weit geschafft hat. Damit sich die spanischen Fußballfans nicht zwischen Männer- und Frauenfußball entscheiden müssen, haben die Verantwortlichen der La Liga die Anstoßzeit der Männer am selben Tag nach hinten verschoben. Im Halbfinale wurde der FC Bayern bezwungen und doch geht man in dieses Spiel als klarer Außenseiter.
Denn allein vom Etat her ist es schon eine ganz andere Welt. Nicht einmal die Hälfte soll dieser im Vergleich zu Olympique Lyon betragen. Geschätzte 3,5 Millionen Euro kostet die Frauenabteilung des FC Barcelona. Damit sind sie in Spanien zwar eines der wirtschaftlich stärksten Teams, doch noch weit entfernt von Olympique Lyon.
Innerhalb der Vereinsstruktur des FC Barcelona sind sie aber die einzige Abteilung, die schwarze Zahlen schreibt. Denn das Frauen-Team ist während der Sommervorbereitung der Männer mit in die USA geflogen und konnte dort das US-amerikanische Handwerkunternehmen Stanley als Sponsor gewinnen. Mit dem Geld haben sie es bereits im dritten Jahr seit der Gründung der Abteilung geschafft, ihre gesamten Kosten zu decken.
Barcelona kann sich kaum internationale Stars leisten
Das Beispiel von Kheira Hamraoui erklärt den Unterschied zwischen beiden Vereinen am besten. Die Mittelfeldspielerin, die am Samstag für das Finale gesperrt ist, wechselte im Sommer 2018 von Lyon nach Barcelona. In Lyon, wo sie zwischen 2016 und 2018 zweimal Champions League-Sieger wurde, war sie nur Ersatz. Auch für den französischen WM-Kader hat es nicht gereicht, doch bei Barcelona ist sie eine der wichtigsten Säulen und wird am Samstag wohl schmerzlich vermisst werden.
Das Team ist eine Mischung aus spanischen Nationalspielerinnen wie Alexia Putellas, Vicky Losada oder der Torhüterin Sandra Paños und ausländischen Spielerinnen wie Hamraoui, die Stürmerinnen Toni Duggan (England) und Andressa Alves (Brasilien) oder die Holländerin Lieke Martens.
Martens ist der ganz große Star in der Mannschaft. Sie wurde im Jahr 2017 zur besten Spielerin Europas gewählt. Die 26-jährige Mittelfeldspielerin wechselte im Sommer 2017 vom schwedischen Verein FC Rosengard zu den Katalanen und ist seitdem eine feste Größe in der Mannschaft.
Die Überraschung ist möglich
Im Viertelfinale der letzten Saison haben beide Vereine zum ersten und bisher letzten Mal gegeneinander gespielt. Damals gewann Olympique Lyon beide Spiele. Das Hinspiel in Barcelona endete 0:1 und das Rückspiel 2:1. Trotzdem glaubt man in Barcelona an den Sieg.
Die Rolle des Außenseiters nehmen die Katalaninnen dankend an. Der Druck liegt auf den Schultern der Französinnen. Für den FC Barcelona ist alleine der Finaleinzug schon ein großer Erfolg und ein Preis für eine außergewöhnliche Leistung in dieser Saison. Deshalb werden sie das Spiel, wie Trainer Lluís Cortés betont, mit viel Vorfreude und mit der Gewissheit angehen, dass in einem Finale alles möglich ist.