Chancen für Friedensgespräche mit Taliban?
11. Januar 2016Während die Sicherheitslage sich in Afghanistan im vergangenen Jahr dramatisch verschlechtert hat und die Taliban die Armee in mehreren Landesteilen in die Defensive gedrängt haben, setzt Kabul weiterhin auf eine Verhandlungslösung mit den Aufständischen. Es gab schon mehrfach Anläufe für sogenannte Friedensgespräche mit den Taliban, auch unter Hamid Karsai, die jedoch bis jetzt alle im Sande verlaufen sind. Warum sollten sich die Extremisten jetzt, da sie mehr Territorium kontrollieren als jemals zuvor seit ihrem Sturz durch die US-Invasion 2001, auf Verhandlungen einlassen?
Notwendige Voraussetzung dafür wäre Pakistans Mitwirkung, sie gilt als Schlüssel für eine politische Lösung. Mit der Konferenz in Islamabad will die dortige Regierung ihren Willen zur Zusammenarbeit demonstrieren. Wie weit Pakistans Einfluss geht, ist jedoch umstritten. "Pakistan hat ein gewisses Maß an Einfluss auf die Taliban, aber sie akzeptieren keine direkten Befehle aus Islamabad. Pakistans Führung müsste sie überzeugen, damit sie Teil des Friedensprozesses werden", sagt Masood Khan vom Institut für Strategische Studien in Islamabad gegenüber der DW.
Zersplitterung der Taliban als Hürde
Die Frage ist, wie weit die Bereitschaft Islamabads geht, Überzeugungsarbeit zu leisten. "Um die verschiedenen Gruppierungen der Taliban an einen Tisch zu bringen, wird viel Zeit und guter Wille auf Seiten Pakistans vonnöten sein", so die Einschätzung des Kabuler Universitätsdozenten Faiz Mohammad Zaland gegenüber der Deutschen Welle. Auch Masood Khan hält die Zersplitterung der Taliban für eine entscheidende Hürde: "Die Taliban müssen mit einer gemeinsamen Position antreten, damit die Gespräche erfolgreich sein können." Bis es soweit ist, kann Islamabad also nur abwarten?
Das sieht Imtiaz Gul vom "Center for Research and Security Studies" in Islamabad nicht so. Wie er gegenüber AP erklärte, hat Islamabad erheblichen Einfluss auf die Hauptgruppe der afghanischen Taliban, die von Mullah Akhtar Mansur, dem Nachfolger Mullah Omars, angeführt werden. Und Pakistans Militär sei inzwischen bereit, sich auch von solchen Aufständischen zu distanzieren, die bisher als Verbündete Islamabads gegolten hätten. Gul wies auf den Besuch von Armeechef Raheel Sharif (nicht mit Premier Nawaz Sharif verwandt) vergangenen Monat in Kabul hin, um die aktuelle Konferenz in Islamabad vorzubereiten. Bei diesem Besuch sei er ohne Begleitung durch den militärischen Geheimdienst ISI gewesen, ein signifikantes Zeichen laut Imtiaz Gul, gilt doch der ISI als der wichtigste Verbündete der afghanischen Taliban innerhalb der pakistanischen Führung.
Unterdessen schraubte der außenpolitische Berater von Premier Nawaz Sharif, Sartaj Aziz, die Erwartungen zum Auftakt der Konferenz herunter. Es gehe darum, "die Bedingungen zu schaffen, damit die Taliban-Gruppen an den Verhandlungstisch kommen und ihnen Anreize zu bieten, damit sie der Gewalt abschwören." Aziz warnte vor "unrealistischen Zielvorgaben und Fristen" und fügte hinzu, dass mit "Durchbrüchen" nicht bald zu rechnen sei.
US-Präsenz in Afghanistan als Hürde
Das würde auch Wahid Mazhda, ein früheres Mitglied des gestürzten Taliban-Regimes in Afghanistan, unterschreiben. Für ihn ist die Konferenz in Islamabad "ein weiterer Versuch der Regierung in Kabul und ihrer internationalen Verbündeten, die Öffentlichkeit abzulenken und ihr falsche Hoffnungen zu machen. Die Taliban werden sich an keiner Friedenslösung beteiligen, solange US-Truppen in Afghanistan sind", sagte Mazhda gegenüber der DW.
Pakistans Chefunterhändler Sartaj Aziz wollte zu Beginn der Konferenz Meldungen nicht kommentieren, wonach Pakistan eine Liste von gesprächswilligen Taliban-Vertretern besitze. Die Existenz einer solchen Liste war zuvor einem Sprecher des afghanischen Regierungsgeschäftsführers Abdullah Abdullah behauptet worden. Zwei Taliban-Abgesandte, die sich derzeit in der inoffiziellen Taliban-Vertretung in Katar aufhalten, sollen sich nach Angaben von AP "in naher Zukunft" mit chinesischen Unterhändlern treffen, ebenfalls in Islamabad, unter Beteiligung pakistanischer Vertreter.