Charles III. zum britischen König proklamiert
10. September 2022Charles III. ist offiziell zum britischen König proklamiert worden. Die Verkündung erfolgte im Kronrat, der sich überwiegend aus aktiven und ehemaligen Regierungsmitgliedern, Kirchenvertretern, Richtern und anderen Personen des öffentlichen Lebens zusammensetzt. In einem zweiten Teil der "Sitzung", die seit einer Verfügung von Queen Victoria im Jahr 1861 im Stehen abgehalten wird, trat der 73-Jährige selbst hinzu und erklärte: "Für die Verrichtung der schweren Aufgabe, die mir auferlegt ist und der ich nun das widme, was mir von meinem Leben bleibt, bete ich um die Anleitung und Hilfe des allmächtigen Gottes."
Begleitet von Fanfarenklängen, wurde die Botschaft im Anschluss auf dem Balkon des St.-James's-Palasts in London verlesen, dem offiziellen Verwaltungssitz der Monarchie, ebenso auf dem Trafalgar Square und an der Royal Exchange, jenem Ort, an dem 1571 die erste Börse der Stadt errichtet wurde. Zu Ehren des neuen Regenten wurden Salutschüsse abgefeuert. Der symbolische Akt ist eine Zwischenstation: nach dem Tod der Queen, die am Donnerstag im Alter von 96 Jahren gestorben war - wodurch ihr ältester Sohn, der vormalige Prinz Charles, automatisch zum Nachfolger wurde - und vor der Krönungszeremonie, die laut britischen Medienberichten wohl nicht vor dem kommenden Frühjahr stattfinden wird.
Charles III. trifft Kabinettsmitglieder
Nach seiner offiziellen Proklamation hat das neue Oberhaupt des Vereinigten Königreichs und 14 weiterer Staaten erstmals mehrere Mitglieder des britischen Kabinetts empfangen. Fernsehbilder zeigten, wie Premierministerin Liz Truss im Londoner Buckingham-Palast dem neuen König ihre wichtigsten Minister vorstellte. Vizeregierungschefin Thérèse Coffey begrüßte den Monarchen mit einem Knicks. Auch Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Partei und Vorsitzende anderer Oppositionsparteien erhielten eine Audienz. König Charles III. empfing zudem Justin Welby, Erzbischof von Canterbury und Oberhaupt der anglikanischen Kirche.
Der Leichnam der Queen soll am Sonntag von Schloss Balmoral, ihrer Sommerresidenz, zuerst in den Holyrood-Palast in Edinburgh übergeführt, danach in einer Kathedrale der schottischen Hauptstadt aufgebahrt und schließlich am Dienstag nach London gebracht werden. Die Behörden erwarten, dass dort, in Westminster Hall am Sitz des Parlaments, wo die Öffentlichkeit zuletzt die 2002 gestorbene Königinmutter Elizabeth Bowes-Lyon verabschiedet hatte, mehr als eine Million Menschen am Sarg vorbeidefilieren. Das Staatsbegräbnis in der Westminsterabtei soll nach Angaben des Palastes am 19. September stattfinden.
Neuer alter Text: "God Save The King"
Während die festgefügte Ordnung einer jahrhundertealten Monarchie den Übergang zur nächsten Generation an der Staatsspitze durch vertraute Rituale stabilisiert, zeigen sich an einigen Stellen doch feine Unterschiede: Bereits bei der Ankunft von Charles und dessen Frau Camilla - nun Queen Consort - am Buckingham-Palast, wo beide überraschend auf die Wartenden zugingen, hatten die Trauernden am Freitag die Hymne "God Save The King" (Gott schütze den König) angestimmt. Seit 1952, dem Jahr, in dem Elizabeth II. den Thron bestiegen hatte, wurde das Lied nicht mehr in dieser Form gesungen. Noch am Abend erklang es offiziell bei einer ersten Trauerfeier für Elizabeth II. in der St.-Pauls-Kathedrale in London.
Aufwendiger, als den Titel der Hymne und die Personalpronomen im Text zu ändern, wird der Druck der neuen Banknoten, die Charles III. im Porträt zeigen sollen. Bis sie überall in Umlauf sind, dürften noch Jahre vergehen: Außer im Vereinigten Königreich ist das britische Staatsoberhaupt beispielsweise auf 20-Dollar-Scheinen in Kanada oder auf Münzen in Neuseeland zu sehen. Auch dort wird sich das gewohnte Bild ändern.
Respekt, Sympathie, Liebe
Wichtiger dürfte den Briten indes sein, wie der König seine neue Rolle in Haltung und Stil ausgestaltet. Die Fußstapfen, in die er tritt, sind von einschüchterndem Format, wie die emotionale Trauer um die größte Dienerin des Volkes noch einmal beweist. Charles III., dessen Beliebtheitswerte seit der schmutzigen Scheidung von seiner ersten Frau, Prizessin Diana, der "Königin der Herzen", heftigen Schwankungen unterworfen waren, muss sich den Respekt, die Sympathie, gar die Liebe, die Elizabeth II. zuflogen, erst verdienen.
Mit seiner Rede an die Nation setzte er schon einmal den Ton, indem er mit sehr persönlichen Worten die überwältigende Lebensleistung seiner Mutter, aber auch deren Hingabe für die eigene Familie würdigte ("To my darling Mama, ... thank you!") und dabei selbst das Versprechen der Queen an die Untertanen erneuerte, "ein Leben lang zu dienen".
Nach überwiegender Meinung der britischen Presse hat Charles III. bei seiner Fernsehansprache die Herzen erreicht. Er trat gleichermaßen einfühlsam wie würdevoll auf, neben einem schwarz gerahmten Bild der Verstorbenen. Während erste Stimmen im Land - so die Zeitung "Guardian" - bereits fordern, die Monarchie müsse in ihrer jetzigen Gestalt auf den Prüfstand, betonte er einerseits die Kontinuität des Königreichs, andererseits den Wandel in Staat und Gesellschaft, mit einem Verweis auf seinen mutmaßlichen Thronfolger, Prinz William. Und er zeigte sich mit der eigenen Glaubenstradition tief verbunden, ohne zu versäumen, Menschen aller Religionen und Überzeugungen anzusprechen.
"Mögen Engelscharen singen"
Doch am stärksten dürfte der Mann, der jahrzehntelang der Prinz im Wartestand mit allerlei Eskapaden war, mit der Schlusspassage seiner Rede die rasche Transformation zum Repräsentanten der Einheit unter Beweis gestellt haben: Er brachte "die Liebe zu Harry und Meghan" zum Ausdruck, seinem jüngeren Sohn und dessen Frau - die mit dem Königshaus öffentlich gebrochen hatten.
Ganz am Ende zitierte er eine Zeile aus Shakespeares "Hamlet". Das war nicht einfach eine Anspielung auf den wirkmächtigsten Dichter der Briten. Es war die größte Versöhnungsgeste, die unter den gegebenen Bedingungen denkbar war. Denn eben jene Worte, nun der Queen gewidmet, hatte ein Chor in Westminster Abbey 1997 bei der Beerdigung von Diana gesungen: "May flights of angels sing thee to thy rest" - mögen Engelscharen singen dich zur Ruh!
So steht der neue König - zufällig mit einer Premierministerin, die gleichfalls ihr Amt gerade erst antrat - an der Spitze eines Landes, das durch den Tod Elizabeths seine wichtigste Integrationsfigur verloren hat. Er besteigt den Thron, nachdem der Brexit die Gesellschaft gespalten und die Wirtschaft gebeutelt hat; nicht lange, nachdem der jüngst zurückgetretene Regierungschef Boris Johnson durch Missachtung eherner Regeln an den Eckpfeilern des politischen Systems in Großbritannien gerüttelt und die Corona-Pandemie viele Menschen zutiefst verunsichert hat.
Konsultiert werden, ermutigen, warnen
Charles tritt sein schweres Erbe an, derweil der Zusammenhalt innerhalb des Königreichs nicht nur durch die erstarkten Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands tiefe Risse bekommt. Er betritt die Bühne just zu einem Zeitpunkt, an dem in der Folge des Ukraine-Kriegs und westlicher Sanktionen gegen den Aggressor Russland viele Briten Angst vor einem kalten Winter haben; in einer Phase, in der auch die vierte Gewalt, die Medien, vor allem der öffentlich-rechtliche Rundfunk, einen dramatischen Umbruch erlebt. Und die einzige Macht, die ihm die ungeschriebene Verfassung im Angesicht all dieser Herausforderungen verlieh, ist - mit den berühmten Worten des viktorianischen Journalisten Walter Bagehot - das Recht, konsultiert zu werden, das Recht zu ermutigen und das Recht zu warnen.
Putin gratuliert König Charles III.
Ungeachtet der völlig unterkühlten russisch-britischen Beziehungen hat Kremlchef Wladimir Putin dem neuen britischen König, Charles III., zur Thronbesteigung gratuliert. "Ich wünsche Ihrer Majestät Erfolg, Gesundheit und alles Gute", heißt es in einem kurzen Telegramm des russischen Präsidenten, dessen Text auch auf der Kreml-Website veröffentlicht wurde.
Die Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien sind schon seit vielen Jahren äußerst angespannt, haben aber mit dem Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine Ende Februar einen neuen Tiefpunkt erreicht. London zählt militärisch, politisch und finanziell zu den wichtigsten Unterstützern der angegriffenen Ukraine.
jj/AR/nob/hf (dpa, afp, rtr)