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Marianne Fay, Chefökonomin bei der Weltbank, plädiert für Umverteilungen.

Helle Jeppesen26. Juni 2013

"250 Jahre lang war die Devise dreckig wachsen und später sauber machen", sagt Marianne Fay, Chefökonomin für Nachhaltige Entwicklung bei der Weltbank. Heute will die Weltbank grünes Wachstum fördern.

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Marianne Fay beim Global Media Forum 2013 (Foto: Helle Jeppesen/DW)
Marianne Fay beim Global Media Forum 2013 (Foto: Helle Jeppesen/DW)Bild: DW/H. Jeppesen

Brauchen wir alle Wachstum? Oder brauchen nur manche Länder und Menschen Wachstum - und sollten sich andere vielleicht besser einschränken, weil die Umwelt sonst zu sehr leidet? Wäre also ein "differenziertes" Wirtschaftswachstum wünschenswert?

Marianne Fay: Wir müssen immer auch daran denken, wie wir die Idee vom grünen Wachstum verkaufen können. Wenn wir grünes Wachstum umsetzen wollen, muss es attraktiv sein - und wie attraktiv ist Null- oder Minus-Wachstum? Überhaupt nicht! Deshalb müssen wir ein anderes Verständnis von Wachstum entwickeln.

Für manche Länder müssen wir Wirtschaftswachstum fördern und versuchen Wachstum effizienter und anders zu gestalten. Aber wenn wir über ein Pro-Kopf-Einkommen von 500 Dollar im Jahr reden, dann geht es wirklich darum, Wachstum anzukurbeln.

Marianne Fay beim Global Media Forum 2013 (Foto: Helle Jeppesen/DW)
Vorstellungen von Wachstum hinterfragen: "Braucht jeder ein oder zwei Autos?"Bild: DW/H. Jeppesen

Auch die reichen Länder können weiter wachsen, doch auch hier sollten wir unsere bisherigen Vorstellungen von Wachstum hinterfragen. Muss wirklich jeder ein oder zwei Autos besitzen? Oder kann man Wachstum auch unter dem Aspekt der Freizeit festmachen? Wie wäre es mit einer guten Wohnung, guten Transportmöglichkeiten und auch mehr Zeit?

Mehr Freizeit und die Gewissheit, dass keiner hungern muss und dass alle die gleichen Chancen im Leben haben sind erstrebenswerte Zustände. Das sind die Ziele und Vorbilder, an denen wir arbeiten.

Müssen wir auch lernen gemeinschaftlicher zu denken? In dem Sinne, dass wir die Bedürfnisse und den Wohlstand der Gemeinschaft ins Zentrum stellen und nicht die Befriedigung individueller Wünsche?

Eine schwierige Frage. Wir haben ja den Kommunismus als Experiment erlebt. Der gründete eigentlich auf Gemeinschaftsinteressen und Gemeinschaftsleben - und doch ist er grandios gescheitert.

Trotzdem ist es sehr wichtig, dass wir über unsere Definition von Solidarität, Menschenrechte und gleiche Chancen für alle auch weiterhin kontinuierlich reflektieren.

Marianne Fay beim Global Media Forum 2013 (Foto: Helle Jeppesen/DW)
"Wir brauchen eine bessere Verteilung der Güter, um gleiche Chancen für alle zu schaffen."Bild: DW/H. Jeppesen

Heute liegt das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in den Entwicklungsländern bei ungefähr 2300 US-Dollar. Wenn wir alle Güter auf dem Planeten zu gleichen Teilen an allen Menschen auf dem Globus verteilen würden, kämen wir auf rund 8000 US-Dollar pro Person. Das wäre aber wahrscheinlich immer noch nicht genug. Wir brauchen also ganz eindeutig eine bessere Verteilung der Güter, um gleiche Chancen für alle zu schaffen.

Welche Rolle kann dabei die Weltbank spielen?

Wir arbeiten sehr eng mit vielen unserer Partnerländer zusammen, damit diese ihre knappen natürlichen Ressourcen nachhaltig managen. Sie müssen so eingesetzt werden, dass sie der Bevölkerung vor Ort unmittelbare Vorteile bringen.

Wir sagen ja nicht den ärmsten Ländern, dass sie zuerst die globalen Aspekte berücksichtigen sollen. Es geht darum, dass sie sich auf das konzentrieren, was unmittelbar für sie Nutzen bringt. Das hat dann wiederum meist auch positive globale Auswirkungen.

Ich glaube, dass es sehr, sehr wichtig ist, dass wir uns nicht auf ein einzelnes Modell für grünes Wachstum festlegen, und nur ein einzelnes Konzept von "Grüner Wirtschaft" verfolgen. Wir sollten stattdessen verschiedene Modelle von grünen Wirtschaften und grünen Entwicklungsmodellen entwickeln – denn eine Pluralität grüner Entwicklungsmodelle wird nachhaltiges Wachstum besser fördern als eindimensionale Konzepte.

Marianne Fay ist Chefökonomin und Leiterin des Netwerks für nachhaltige Entwicklung bei der Weltbank, Washington DC.

Das Interview führte Helle Jeppesen.