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China erobert Brasiliens Textillbranche

Clarissa Neher/ Christina Weise5. Juni 2013

Asiatische Billigimporte zwingen Brasiliens Textilindustrie in die Knie. Nach den USA und Mexiko drängt China auf den Absatzmarkt des südamerikanischen Schwellenlandes.

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Die Jeansfabrik Santana nahe der Stadt Fortaleza (Bundesstaat Ceara/Brasilien) - aufgenommen am Mittwoch (11.04.2007) im Rahmen des Besuchsprogramms des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) für das Jette-Joop-Projekt in Madalena. Die Hamburger Modedesignerin ist Kinderbotschafterin des DRK. Foto: Soeren Stache dpa/lbn +++(c) dpa - Report+++
Textilindustrie BrasilienBild: picture-alliance/ dpa

"Made in China" - diese drei Worte bringen die brasilianische Textil- und Bekleidungsindustrie ins Wanken. Nach der Krise der Branche in den USA, Mexiko und einigen europäischen Ländern kämpft nun auch die Textilindustrie im größten südamerikanischen Land ums Überleben. Der Grund: Billigimporte aus Asien, besonders aus China.

"Wenn die Firmen dieses Jahr nichts unternehmen, ist zu erwarten, dass der nationale Markt zu 30 Prozent von ausländischen Produkten überschwemmt wird", betont Daniel de Souza, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität des Bundesstaates Santa Catarina. Dies sei besorgniserregend, denn die Textilbranche sei der zweitgrößte Arbeitgeber der verarbeitenden Industrie des Landes.

Die Krise der brasilianischen Textilindustrie schlägt sich deutlich in der Statistik nieder. Nach Angaben des landeseigenen Textil- und Bekleidungsverbandes ABIT stieg das Defizit in der Handelsbilanz der Branche von 235 Millionen US-Dollar im Jahr 2006 auf 5,3 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr. Die Einfuhren aus Asien erhöhten sich von 6,17 Milliarden US-Dollar (2011) auf einen Wert von 6,59 Milliarden US-Dollar (2012).

Foto: ddp images/AP Photo/Pavel Rahman
Nähen für einen Hungerlohn: Textilarbeiterinnen in einer Fabrik in Dhaka in BangladeschBild: AP

Lukrativer Absatzmarkt

Die steigenden Textilimporte weisen Brasilien als lukrativen Absatzmarkt aus. 2012 stiegen die Umsätze um 3,4 Prozent. Doch die einheimische Textilbranche konnte von der wachsenden Nachfrage nicht profitieren: Die Stoffproduktion schrumpfte um 4,5 Prozent, und die Fertigung ging sogar um 10,5 Prozent zurück.

Diese Diskrepanz lässt sich mit den steigenden Importzahlen erklären. "Die Entwicklung ist traurig. Wir haben große Probleme, eine Branche zu erhalten, die immer wettbewerbsfähig war", erklärt Celso Cláudio de Hildebrand e Grisi von der Fakultät für Wirtschaft und Verwaltung der Universität São Paulo. "Die Schwierigkeit besteht jetzt darin, sie lebendig zu halten, denn die Möglichkeit, auf Augenhöhe zu konkurrieren, ist bereits verstrichen".

China am Pranger

Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der brasilianischen Textilbranche ist kein neues Phänomen und erklärt sich durch eine Kombination von internen und externen Faktoren. Dazu gehören die zunehmende weltweite wirtschaftliche Verflechtung, die Aufwertung der einheimischen Währung Real, die brasilianische Exporte verteuert, und die steigenden Textilimporte aus asiatischen Ländern - besonders aus China.

China Textilindustrie Näherinnen neu
Arbeiten im Akkord: In einer Fabrik in Huaibei City produzieren Chinesinnen ExportwareBild: picture alliance / Xie zhengyi - Imaginechina

Der brasilianische Textilverband ABIT klagt über den "unfairen Wettbewerb" mit dem Reich der Mitte. Der Verband wirft China vor, seine Währung künstlich schwach zu halten - um etwa 30 Prozent im Vergleich zum realen Wert. Zudem erfülle das Land nicht die geringsten Standards in den Bereichen Arbeitnehmerrechte, soziale Sicherheit und Umweltschutz.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Subventionen, die China seiner Industrie gewährt. Mit 26 laufenden Verfahren führt die USA die Prozesse bei der Welthandelsorganisation WTO gegen China an. Ende 2012 reichte Mexiko bei der WTO eine Klage gegen China wegen versteckter Zuschüsse in der Textil- und Bekleidungsindustrie ein. Es geht unter anderem um Importvergünstigungen für Vormaterialien, die den internationalen Wettbewerb verzerren.

Der neu gewählte WTO-Chef Roberto Azevêdo - ein Brasilianer - äußerte sich bisher eher zurückhaltend. Es sei wichtig, Vorsicht walten zu lassen, bevor man der chinesischen Regierung illegale Handelspraktiken vorwerfe, zitierte ihn die brasilianische Tageszeitung "Folha de São Paulo" kürzlich.

Veraltete Maschinen, hohe Steuern

Nach Ansicht von Ökonomen hat Brasilien nicht nur mit asiatischen Dumpingpreisen zu kämpfen, sondern auch mit internen Problemen. "Jahrelang war es wegen der Aufwertung der einheimischen Währung günstiger, zu importieren, als in Brasilien zu produzieren", berichtet Grisi von der Universität Sao Paulo. Diese Entwicklung habe dazu beigetragen, dass veraltete Maschinenparks nicht modernisiert wurden. "Wenn die Industrie jetzt investiert, wird es noch teurer", so Grisi.

Foto: Soeren Stache dpa/lbn +++(c) dpa - Report+++
Arbeitsplatz gefährdet: Brasilianische Näherin in einer Jeansfabrik bei FortalezaBild: picture-alliance/ dpa

Ein weiteres Problem ist die hohe Steuerbelastung, die auf den Kaufpreis schlägt. Nach Angaben Souzas wird eine Ware im Laufe der Produktion oft zwei oder drei Mal besteuert. "Derzeit liegt die Steuerbelastung bei rund 18 Prozent", erklärt der Wirtschaftsexperte. "Damit die Industrie wettbewerbsfähig werden kann, dürfte die Steuer bei maximal zehn Prozent der Bruttoeinnahmen liegen".

Schutzzölle sollen es richten

Der brasilianische Textilverband will die Notbremse ziehen und fordert nun Steuersenkungen und Schutzzölle. Im August 2012 reichte die ABIT bei der brasilianischen Regierung einen Antrag auf Zollerhöhungen ein: Sie fordert die Anwendung von Schutzklauseln für insgesamt 60 Produktkategorien, die 82 Prozent der Branchenimporte betreffen.

"Im Moment müssen wir den Importfluss stoppen, damit der brasilianische Textilsektor nicht noch schwächer wird, solange wir keine Steuerreform haben. Und selbst nach erfolgter Reform ist es wichtig, dass die chinesische Produktion die weltweiten Mindestanforderungen für Arbeiter und Umwelt einhält", sagt der Verbandssprecher Ricardo Viveiros.