China ist bald reif für die G-7-Gruppe
11. November 2003"Kein Land in der Geschichte ist dramatischer auf die Bühne der Weltwirtschaft getreten als China." Das sagte WTO-Generalsekretär Supachai Panitchpakdi bei einer Diskussionsveranstaltung am 10. November 2003 in Peking. Tatsächlich ist die Erfolgsstory des asiatischen Landes beeindruckend: Wachstumsraten von über 30 Prozent gelten nahezu als selbstverständlich. Zählt man die EU-Staaten als einen Handelsblock, nahm China 2001 unter den Wirtschaftsmächten noch den sechsten Platz ein. Heute belegt es bereits den vierten Rang hinter Japan - und wäre damit theoretisch längst reif für die G-7-Gruppe der weltweit führenden Wirtschaftsnationen. Nach Ansicht Supachais steht das asiatische Land kurz davor, unter den Importnationen den dritten Platz zu erobern und damit zur EU und den USA aufzuschließen.
"Die phänomenalen Wachstumsraten verdankt China zum guten Teil dem WTO-Beitritt vor zwei Jahren", erklärt Markus Taube, Professor am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Duisburg. Nicht nur China habe dadurch seinen Markt für die Industrienationen öffnen müssen, sondern auch umgekehrt. Die Senkung oder gar vollständige Abschaffung von Einfuhrzöllen erlaube es chinesischen Unternehmen, ihren Kostenvorteil bei der Produktion voll auszuspielen und ihre Waren günstig anzubieten. "Zu den wichtigsten Exportgütern gehören beispielsweise Textilien", so der China-Experte. Außerdem stamme ausgerechnet ein erheblicher Teil der auf dem Weltmarkt feilgebotenen Weihnachtsartikel aus dem kommunistischen Land.
Keine Furcht vor dem Riesen
Bei dem vom Pekinger Handelsministerium organisierten Diskussions-Forum wies der WTO-Generalsekretär Befürchtungen zurück, China könne angesichts seiner rasant wachsenden Wirtschaftskraft zum Problem für viele Handelspartner werden. "Handel ist kein Nullsummenspiel", sagt er. China sei nicht nur ein großer Exporteur, sondern auch ein enormer Importeur. So stieg das Ausfuhrvolumen allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 32 Prozent, die Einfuhren aber gar um 41 Prozent. Für seine Modernisierung benötige China nach wie vor Technologien und Produktionsanlagen im Milliardenwert aus dem Ausland. Davon würden alle Handelspartner profitierten.
"Diese Einschätzung ist durchaus richtig", meint Taube. Das Argument, billige Importe aus China würden Arbeitsplätze in Industrieländern wie Deutschland gefährden, weist der Sinologe zurück. Der Trend unter den Unternehmen, die Produktion in günstige Standorte zu verlagern, bestehe schon seit Jahren. "Wenn die Firmen nicht nach China abwandern könnten, dann würden sie eben nach Osteuropa gehen." Durch die billigen Einfuhren aus Asien würde vielmehr ein Prozess eingeleitet, der die Unternehmen von hohen Produktionskosten entlaste. "Tatsächlich profitieren die westlichen Volkswirtschaften von dieser Entwicklung", glaubt Taube.
Entwicklungsländer als Leidtragende?
Die alteingesessenen Industrienationen können dem Aufstieg Chinas also zunächst wohl gelassen entgegensehen. "Andere Schwellenländer, wie die 'Tigerstaaten' Südostasiens oder Länder in Lateinamerika und Afrika könnten aber unter dem China-Boom leiden", erklärt der Ostasienfachmann. Gerade diese Nationen würden bei der Produktion einfacher Industriegüter mit China konkurrieren. Mit dessen günstigen Preisen und ernormen Exportkapazitäten könnten andere Entwicklungsländer aber nicht mithalten. Dennoch besteht Hoffnung, dass der chinesische Funke des Aufschwungs auch auf andere Länder überspringt. "In Zeiten, in denen die Weltwirtschaft schwach bleibt, sollte Chinas robuste wirtschaftliche Entwicklung als Motor für globales Wachstum begrüßt werden", fordert WTO-Generalsekretär Supachai.