China pocht auf "Cybersouveränität"
10. Dezember 2017Wer in China den Messengerdienst WhatsApp für die Verbindung mit dem Ausland nutzen will, wird enttäuscht. Seit September ist der Dienst nicht mehr verfügbar. Genauso wie die Seiten des Mutterkonzerns Facebook, deren freier Zugang in China seit langem nicht möglich ist. Die Suchmaschine Google schaltete 2010 ihren Server in China ab, weil Google sich mit den Zensurvorgaben nicht einverstanden erklärte. Suchanfragen auf Google werden über Hongkong umgeleitet. Auch Googles Videoportal Youtube ist gesperrt.
Trotz verschärfter Einschränkungen der Internetnutzung in China schickten Apple und Google ihre jeweiligen CEOs, Tim Cook und Sundar Pichai, sowie Facebook seinen Vice President Vaughan Smith Anfang der Woche nach Wuzhen zur Teilnahme an Chinas sogenannter "Welt-Internetkonferenz". Die chinesischen Gastgeber hatten dafür gesorgt, dass die Besucher in ihren Hotels nicht auf freien Zugang zu westlichen Angeboten im Netz verzichten mussten. Das hätte sie vielleicht dann doch geärgert und ihnen das Lob für die Internet-Politik Chinas etwas mühsamer gemacht. Vaughan Smith von Facebook ließ es sich nicht nehmen, die "Vorreiterrolle der chinesischen Regierung bei der Datennutzung" zu loben. Und Apple-Chef Tim Cook formulierte, die Entwicklung einer digitalen Wirtschaft der Offenheit und Vorteile für alle sei "eine Vision, die auch wir bei Apple teilen".
Eine bemerkenswerte Aussage, hat doch Apple erst im Juli offenbar auf Wunsch der chinesischen Behörden einige sogenannte VPN-Apps aus dem chinesischen iOS-Store entfernt, mit denen man die Internetsperre umgehen kann. Auch die Skype-App musste Apple aus seinem Angebot in China entfernen. Ein Viertel des Konzern-Gewinns von Apple stammt aus China mit seinen knapp 740 Millionen Internet-Nutzern. Aber der Umsatz hat sich abgeschwächt, so dass Cook bereits mehrere Reisen nach China in diesem Jahr unternommen hat, um die notwendige Zusammenarbeit mit lokalen Partnern bei der Datenspeicherung voranzutreiben.
Das Internet als staatliches Hoheitsgebiet
Im Internet ist China von der Außenwelt abgeschnitten. Anstatt der im Ausland gängigen Anwendungen bieten chinesische Konzerne einheimische Dienste an. Im Reich der Mitte heißt Facebook Weibo, WhatsApp WeiXin (WeChat), Youtube Youku und Google Baidu. Der staatliche Zensurapparat lässt Informationen nur kontrolliert ins Land. Unerwünschte Nachrichten scheitern automatisch an der Großen Firewall, die nicht nur Mails, Kurznachrichten und Online-Artikel nach bestimmten politischen Suchwörtern filtern, sondern auch gesamte Webseiten wie die der Deutschen Welle sperren kann.
China erhebt Anspruch auf die staatliche Hoheit im Netz, die "Cybersouveränität". Das Netz soll "sicher" sein, für Nutzer und Regierende gleichermaßen. Chinas Präsident Xi Jinping stellte diesen Begriff auf dem Wuzhener Gipfel 2015 als die Kernforderung Chinas vor. "Der Grundsatz der souveränen Gleichheit, der in der UN-Charta festgeschrieben ist, soll auch im Netz Anwendungen finden. Das Recht auf souveräne Entscheidungen bei Entwicklungswegen und Verwaltungsmodellen für das Netz sowie die Internetpolitik muss respektiert werden", sagte Xi 2015. Beobachter sehen darin die Ankündigung, die "große Firewall" sowie die Schlagkraft der Cyber-Polizei auszubauen.
"Wir kritisieren, dass Xi Jinping das Konzept der 'Cyber-Souveränität' als Vorwand nutzt, um die Kontrolle der Bevölkerung durch das Internet zu rechtfertigen. Im Internet sollte sich Information vielmehr frei verbreiten können und nicht zensiert werden", sagt die Organisation Reporter ohne Grenzen über die chinesischen Pläne.
Kontrolle im Namen von Kampfes gegen Terrorismus und Betrug
Im Juni trat in China das "Gesetz über die Sicherheit im Internet" in Kraft. Es sei gegen Terroraktivitäten im Netz und zunehmenden Internetbetrug gerichtet. Es erlaubt eine weiter gehende Kontrolle der User als zuvor. So dürfen Internetnutzer so lange keine Kommentare auf sozialen Medien abgeben, bis ihre persönliche Identität verifiziert wurde. Betreiber sind verpflichtet, die abgegebenen Kommentare vor Veröffentlichung zu prüfen.
Im chinesischen Internet ist keine Anonymität möglich. "Auch die letzten Schlupflöcher werden durch die neuen Gesetze geschlossen, um kritische Stimmen zu unterdrücken", bilanziert Reporter ohne Grenzen. Während der freie Meinungs- und Informationsaustausch der Bürger untereinander scharf kontrolliert wird, baut die Regierung gleichzeitig die Steuerung des Informationsflusses im Internet aus. "Mitarbeiter im öffentlichen Dienst werden aufgefordert, an der meinungsbildenden öffentlichen Diskussion im Internet teilzunehmen. Andere Teilnehmer stammen aus der Jugendorganisation der KPCh und werden aus Kreisen anderer 'freiwilliger Bürger' rekrutiert", so eine Studie des "Freedom House" mit Sitz in New York und Washington. All dies treibt Peking im Inland unter dem Dach der "Cybersouveränität" voran. In Wuhan forderte China unterdessen die Errichtung eines "multinationalen, demokratischen und transparenten globalen Systems zur Internet-Kontrolle".