Wilderer bedrohen Seepferdchen im Senegal
26. Juni 2019Auf einem schmalen Stück goldenem Sandstrand an der Südspitze von Djiffer, einem kleinen, aber lebhaften Fischerdorf an der Küste Senegals, wimmelt es nur so von Meerestieren.
Jeden Tag spätnachmittags legen bunt bemalte Pirogen an. Die Fischer mit ihren einfachen Holzbooten schütten am Strand ihren Fang aus, den sie aus den tropischen Gewässern in der umliegenden Sine-Saloum-Region gefischt haben.
Eine große Zahl von Händlern kämpft um die beste Auswahl des Tages: Barrakudas, Stachelrochen, Austern, Seegurken und der begehrte Kapitänsfisch. Der kleinste - und vielleicht wertvollste - Teil des Fangs sind jedoch die Seepferdchen.
"Die Preise dafür sind sehr schnell gestiegen", sagt Youssef, ein einheimischer Fischhändler, der traditionell als eine Art Makler zwischen Fischern und Käufern auftritt.
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Florierender Handel
Auch wenn es keine genauen Angaben für den Senegal gibt, die Zahl der gehandelten Seepferdchen in Westafrika ist in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen. 600.000 Tiere sollen laut der Meeresschutzorganisation Project Seahorse im Jahr 2018 exportiert worden sein.
"Es gibt im Grunde zwei Wege für den illegale Handel. Beide hängen mit dem Verkauf von Fisch und Meeresfrüchten nach Asien, insbesondere China, zusammen", sagt Andres Cisneros. Der Wissenschaftler hat im Jahr 2015 für die NGO Feldforschung im Senegal betrieben.
Zum einen gibt es da die gewerblichen Schleppnetzfischer, die entlang des Meeresbodens fischen und ihren Fang in der senegalesischen Hauptstadt Dakar abliefern. Die asiatischen Schiffscrews fingen irgendwann an, die gefangenen Seepferdchen zu behalten, um sie zu Hause getrocknet zu verkaufen, sagt Cisneros.
"Kurz darauf machten die lokalen, senegalesischen und auch andere westafrikanischen Crews das Gleiche. Sie verkauften die Seepferdchen im Hafen von Dakar an Mannschaftskameraden oder Käufer für den Weitertransport nach China", so Cisneros zu DW.
"Inzwischen fischen auch die traditionellen Fischer in ihren kleinen Booten in ganz Westafrika nach Seepferdchen", fügt er hinzu.
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Fast der gesamte westafrikanische Handel mit Meerestieren läuft inzwischen über Dakar, dem größten Hafen und Handelszentrum für Fisch und Meeresfrüchte in der Region, erklärt Cisneros. Zu den Hotspots für Wilderei zählen das artenreiche Saloum-Delta im Senegal, genauso wie die Nachbarländer Gambia, Guinea und Guinea-Bissau.
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Der Umsatz, der mit illegal gehandelten Wildtieren und daraus gefertigten Produkten gemacht wird, liegt bei mehr als 18 Milliarden Euro jährlich. Auch der Handel mit Seepferdchen gehört dazu. Laut der internationalen Polizeiorganisation Interpol nimmt die Wilderei weiter zu und sorgt dafür, dass viele Arten kurz vor dem Aussterben stehen.
Chinas Appetit auf Seepferdchen
Ein Bericht der Nichtregierungsorganisation Traffic, die weltweit den Handel mit wilden Tieren und Pflanzen erfasst, kommt zu dem Ergebnis: Zwischen 2009 und 2017 waren 24,4% der Meeresprodukte, die im Luftfahrtsektor beschlagnahmt wurden, Seepferdchen. Eine einzige konfiszierte Ladung kann bis zu 20.000 Seepferdchen enthalten, mit einem Wert von mehr als 8,80 Euro pro Tier.
"Mit Ausnahme von drei Fällen war der gesamte illegale Handel mit Meeresprodukten, der von Afrika ausging (wie in einem anderen Teil des Berichts analysiert wurde) für China und Vietnam bestimmt", heißt es weiter.
Wissenschaftler glauben, dass die große Nachfrage aus China der Grund für den zunehmenden Handel mit Seepferdchen und anderen gefährdeten Arten ist. Glaubt man der traditionellen chinesischen Medizin sollen die Tiere die Potenz steigern und viele Krankheiten heilen, wie Asthma, Schlaflosigkeit oder Herzerkrankungen.
Seepferdchen werden oft getrocknet, zu Pulver verarbeitet und von Konsumenten in China zu Reiswein, Tee oder Suppen hinzugefügt. Das Land hat mehr als eine Milliarde Einwohner. Wenn diese Nation Appetit auf ein Produkt bekommt, hat das immense Auswirkungen - trotzdem bleiben die Folgen manchmal unbemerkt.
"Der illegale Handel mit Seepferdchen im Senegal ist schon seit vielen Jahren unter dem Radar", sagt Cecile Bloch, Koordinatorin des Umweltaktivisten-Netzwerks EAGLE im Senegal. Sie arbeitet mit Regierungen in ganz Afrika zusammen, um den illegalen Handel mit Tieren aufzudecken und zu untersuchen.
Das Westafrikanische Seepferdchen (Hippocampus algiricus), das in den Gewässern vor der westafrikanischen Küste vom Senegal bis nach Angola lebt, sei besonders vernachlässigt worden und vom Aussterben bedroht, fügt Bloch hinzu.
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Ende 2016 hat CITES, ein multilaterales Abkommen, das den Handel mit wilden Tieren und Pflanzen regelt, den Handel mit dem Westafrikanischen Seepferdchen komplett verboten, da der Senegal seine Verpflichtungen nicht erfüllt hat.
Anfang desselben Jahres hatte das internationale Gremium den Export von Seepferdchen auf die Arten beschränkt, die nachhaltig und legal beschafft wurden. Der Grund: Die Zahl der Seepferdchen war immer weiter zurückgegangen. Ein Viertel der rund 40 Seepferdchen-Arten gelten als gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Dazu gehört auch die westafrikanische Art.
Doch dieser Schritt hat die Nachfrage kaum verringert.
Wenn ein Verbot nichts bringt
Eine Studie der University of British Columbia in Kanada von Anfang diesen Jahres hat ergeben, dass viele Ländern - trotz Verbot - weiterhin in großem Umfang mit Seepferdchen handeln. Die Forscher stellten fest, dass 95% der getrockneten Seepferdchen, die in Hongkong verkauft wurden, angeblich aus verbotenen Ländern stammen.
"Die Situation ist jetzt so, dass der Handel mit Seepferdchen wohl ganz normal weitergeht, aber nicht legal, nicht verwaltet und nicht überwacht. Das wäre nach den CITES-Bestimmungen aber erforderlich", sagt Sarah Foster. Sie ist die Hauptautorin der Studie, die in der Fachzeitschrift Marine Policy veröffentlicht wurde.
"Der politische Wille scheint nicht da zu sein, den Handel zu unterbinden, und es werden ganz sicher nicht die Mittel bereitgestellt, um die Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels zu finanzieren", sagt sie DW.
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Cecile Bloch bestätigt auch, dass die senegalesische Regierung keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen hat, außer gelegentlich Tiere vom Zoll beschlagnahmen zu lassen.
"Die Gesetze im Senegal sind kein guter Schutz für die Seepferdchen", sagt sie. "Es gibt Fangquoten, die nicht eingehalten und kontrolliert werden und viel Korruption."
Bloch sagt, dass es im Senegal keine legale Möglichkeit gibt, den internationalen Handel zu bekämpfen. Das senegalesische Ministerium für Wasser, Wald, Jagd und Bodenschutz hat auf eine Anfrage von DW bis zur Veröffentlichung des Artikels nicht reagiert.
Der Fang und Verkauf von Seepferdchen an der gesamten Küste Senegals geht unterdessen zügig weiter.
In Djiffer flicken junge Fischer sorgfältig die Löcher in ihren Fangnetzen und trinken dabei Tee. Es gibt kaum Anzeichen für einen großangelegten, industriellen Handel. Unter dem kobaltblauen Wasser jedoch, direkt hinter ihnen, könnten die Tage der Seepferdchen gezählt sein.