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Chinas Führung plant Zukunft am Badestrand

Christoph Ricking4. August 2015

Einmal im Jahr trifft sich die Führungsspitze von Chinas Kommunistischer Partei im Badeort Beidaihe zur Klausur. Dieses Jahr gibt es viel zu besprechen, denn die Wirtschaft schwächelt.

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China Strand von Beidaihe
Bild: picture-alliance/dpa/Li Ruixue

Der Badeort Beidaihe am Gelben Meer gleicht in diesen Tagen einer Hochsicherheitszone. Schwer bewaffnete Soldaten kontrollieren jedes Auto, das in die Stadt fahren will. Ganze Strandabschnitte sind abgeriegelt. Kriegsschiffe patroullieren auf dem Meer. Seit über 60 Jahren fährt die Pekinger Parteibürokratie einmal im Jahr nach Beidaihe in die Sommerfrische und bespricht die Leitlinien der chinesischen Politik. 1954 machte Mao Zedong das verschlafene Städtchen rund drei Autostunden von Peking entfernt zur Sommerresidenz der Pekinger Elite. Abgeschieden von der Öffentlichkeit treffen sich hier Minister, Diplomaten, ehemalige und aktive Parteifunktionäre zu informellen Gesprächen.

Große Pläne

Der genaue Termin ist zwar noch geheim, doch die Sicherheitsvorkehrungen in Beidaihe deuten darauf hin, dass das Treffen der Staatsführung unmittelbar bevorsteht, rund eine Woche früher als sonst. Chinesische Medien berichten, dass der 13. Fünfjahresplan auf der Tagesordnung stehen wird. Obwohl der Kapitalismus schon vor Jahrzehnten Einzug in China gehalten hat, gibt die offiziell kommunistische Regierung die Leitlinien der Politik immer noch in Fünfjahresplänen vor. Der neue Plan ist der erste unter der Führung von Staats- und Parteichef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang.

China Mao am Strand von Beidaihe
Schon Mao schätzte den Strand von BeidaiheBild: Imago/Xinhua

"Mit diesem Fünfjahresplan vervollständigen wir den Aufbau einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand", sagte Ministerpräsident Li. Entwicklung sei weiterhin Chinas oberste Priorität, der Schwerpunkt liege auf Reformen und Innovation. In den Jahren von 2016 bis 2020 soll die zweitgrößte Volkswirtschaft langsamer wachsen. Statt auf hohes Wachstum setzt die Peking auf Nachhaltigkeit. Überkapazitäten in der Industrie sollen abgebaut werden. Umweltminister Chen Jining versprach im Juni für die kommenden fünf Jahre "kraftvollere" Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu ergreifen. Die Urbanisierung soll beschleunigt werden, Metropolregionen verdichtet werden.

Stürmische Zeiten

Der 13. Fünfjahresplan kommt zu einer Zeit, in der die chinesische Wirtschaft schwächelt. Am Montag (03.08.2015) wurden die Zahlen des wichtigen Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex veröffentlicht. Das Stimmungsbarometer, für das 420 produzierende Unternehmen in China befragt werden, lag den fünften Monat in Folge unter dem Schwellenwert von 50, ab dem die Experten von Wachstum sprechen. Zugleich gibt die Regierung in Peking an, dass das Wirtschaftswachstum im Zeitraum April bis Juni gleichbleibend sieben Prozent betragen hat und damit etwas höher liegt als von Analysten vorhergesagt. Die Daten des Einkaufsmanagerindexes dürften Spekulationen befeuern, dass Peking Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur ergreifen wird.

Das hatte nach der Finanzkrise 2008 gut funktioniert. Die Regierung konnte mit staatlichen Investitionen in Höhe von über 500 Milliarden Dollar einen Einbruch der Wirtschaft abwenden. Jedoch sind staatliche Interventionen teuer und die chinesische Haushaltslage angespannt. Nach einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey liegt die Verschuldung von Zentralregierung, Lokalregierungen, Unternehmen und privaten Haushalten bei rund 282 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Hongkonger Publizist Willy Lam warnt: "Die derzeitige Formel das Wirtschaftwachstum anzukurbeln mit Hilfe staatlicher Investitionen ist langfristig nicht nachhaltig. Wahrscheinlich fällt die Wachstumsrate auf fünf oder sechs Prozent oder noch tiefer." Es sei höchste Zeit, dass die Regierung die Wirtschaft weiter liberalisiere, zum Beispiel indem sie private Unternehmen fördert oder in innovative Technologien und neue Produkte investiert, sagt Lam. "Was politische, ökonomische und institutionelle Reformen betrifft, hat Xi Jinping bis jetzt nicht allzu viel vorzuweisen."

China Anleger Börse
Kurseinbrüche von 30 Prozent treffen viele Kleinanleger hartBild: picture-alliance/Photoshot

Vertrauen zurückgewinnen

Und dann sind da noch die schweren Turbulenzen an den Aktienmärkten: Im Juni und Juli verloren die Börsen in Shanghai und Shenzhen rund 3,5 Billionen Dollar an Wert. Noch im vergangenen Jahr war der Aktienmarkt förmlich explodiert, weil der Staat mithilfe niedriger Zinsen viel Geld zur Verfügung stellte. Nach den Turbulenzen Ende Juli hatte die Regierung in Peking laufende Börsengänge ausgesetzt, um so zu verhindern, dass Geld der Anleger in neue Aktien fließt und die Kurse bereits börsennotierter Unternehmen leiden. Dazu kam eine Geldspritze der Zentralbank "zur Stabilisierung des Marktes". Doch Peking konnte den Absturz nicht verhindern: Besonders Kleinanleger verloren ein Vermögen.

"Es ist Vertrauen verloren gegangen, sowohl innerhalb Chinas als auch im Ausland", sagt der Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Nach einem Börsencrash dieser Größenordnung ist es im Interesse der chinesischen Regierung, dieses Vertrauen wieder herzustellen. Aber das braucht Zeit, das kommt nicht von einem Tag auf den anderen." Noch ist nicht einmal klar, ob die Talfahrt der chinesischen Aktienmärkte überhaupt beendet ist. Analysten halten trotz der massiven Kurseinbrüche viele Aktien noch immer für überbewertet. "In dieser Zeit ist es nicht einfach, China zu regieren", sagt Sandschneider. Statt Badespaß wartet auf die Parteiführung also harte Arbeit.