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Bloß nicht feige sein!

Volker Wagener27. November 2015

Deutschland will sich militärisch am Kampf gegen den "Islamischen Staat" beteiligen. Frankreich hatte sich das gewünscht. Der Einsatz ist alternativlos, sagt Christian Hacke von der Universität Bonn im DW-Interview.

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Soldaten auf Fregatte (Photo: dpa - Bildfunk)
Bild: picture-alliance/dpa/G. Breloer

DW: Herr Prof. Hacke, die Bundesregierung macht nun mit beim Kampf gegen den IS. Zwei Aufklärungsflugzeuge kommen über Syrien zum Einsatz und eine Fregatte für den Geleitschutz des französischen Flugzeugträgers "Charles de Gaulle". Ist das schon ein Kampfeinsatz?

Hacke: Nein, das glaube ich nicht. Das ist so "in between", um es auf Neudeutsch zu sagen. Es ist schon eine Wende im Vergleich zum bisherigen Engagement, denn die Franzosen hatten sich ja mit uns sehr unzufrieden gezeigt seit den Anschlägen von Paris vor 14 Tagen. Da musste jetzt die Bundesregierung aufstocken. Es ist schon etwas mehr, aber wir sind noch lange nicht auf Augenhöhe mit den anderen Partnern im Kampf gegen den IS. Wir fliegen ja keine Ziele an, sondern wir stellen Aufklärungsflugzeuge, und wir müssen auch sagen, wir haben die Chance nicht genutzt, von uns aus militärische Hilfe anzubieten. Wie üblich haben wir erst halbherzig nach Aufforderung reagiert. Spät und zögerlich. Also, das ist alles noch nicht sehr befriedigend, finde ich.

Francois Hollande übt gerade mächtig Druck auf die Verbündeten aus. Er will kraftvolle Unterstützung im Kampf gegen den IS. Sind zwei Aufklärer und eine Fregatte das, was sich Hollande von den Deutschen gewünscht hat?

Also auf jeden Fall hat sich der französische Außenminister so geäußert, dass sich Frankreich darüber zufrieden zeigt. Sie hätten sicherlich noch mehr gewünscht, vermute ich mal, aber es ist schon eine ganze Menge, was von Deutschland geleistet wird. Denken Sie auch an die substanzielle Aufstockung der Mali-Mission um mehrere hundert deutsche Soldaten und dann zum Teil die Verlegung in den kritischen Norden von Mali, das ist auch schon eine Menge. Wir bewegen uns und ich denke, dass dadurch im Kampf gegen den Terror doch massive Fortschritte erreicht werden können.

Kampfeinsätze der Bundeswehr werden bei uns immer sehr kritisch betrachtet. Anders jedenfalls als militärisches Engagement bei Amerikanern oder Briten gesellschaftlich bewertet wird. Wie gefährlich ist dieser Einsatz?

Mein Berliner Kollege Herfried Münkler spricht ja von der "postheroischen Gesellschaft" bei uns in Deutschland. Das ist eine zutreffende Umschreibung. Wir haben einfach noch nicht den Zusammenhang zwischen Außenpolitik und dem militärischen Instrument voll erfasst, voll begriffen. Deshalb haben wir auch keine Gesamtstrategie. Das ist ja alles sehr kleinteilig, was hier passiert und da muss die Gesellschaft, wie man heute so schön sagt, mitgenommen werden. Die Bundeskanzlerin hat ein sehr feines Gefühl für die öffentliche Meinung und auch für die pazifistische Grundstimmung in Deutschland.

Jetzt scheint ein kleiner Ruck durchs Kabinett zu gehen. Frau Merkel sowie die Verteidigungsministerin und auch der Außenminister stimmen diesem Einsatz zu. Letzterer profitiert vermutlich am meisten. Denn sehen Sie, in Krieg- oder Krisensituationen wie jetzt, ist natürlich Diplomatie nicht nur eine Angelegenheit von Plaudern, sondern der Einsatz und die Stärke und das Gewicht und der Respekt eines Landes in einer diplomatischen Verhandlung ist natürlich auch ganz entscheidend davon abhängig, welche militärische Stärke mit eingebracht wird. Und so wird der deutsche Außenminister in seinen enormen Friedensbemühungen, die er gezeigt hat in den letzten Wochen in Nahost und natürlich auch in der Ukraine, hiervon profitieren. Er wird davon gestärkt werden.

Prof. Dr. Christian Hacke, Universität Bonn, Politikwissenschaftler, USA-Spezialist (Foto: Reza (Persische Redaktion)
Der Politikwissenschaftler Christian HackeBild: Uni Bonn

Jetzt wollen die Russen hochmoderne Luftabwehr-Raketen in Syrien zum Einsatz bringen. Nach allem was wir wissen nicht unbedingt gegen den IS, sondern zum Schutze Assads. Welche Nebengefahr lauert denn da für die deutschen Aufklärungspiloten?

Da gibt es natürlich sicherlich auch technisch-taktisch Probleme. Die substanziellen Interessen gehen dort auseinander. Es gibt ja keine gemeinsame Anti-IS Front. Die Amerikaner wollen zusammen mit den Saudis und den Türken Assad nach wie vor stürzen, während auf der anderen Seite Russland natürlich Assad stützt. Das sind natürlich enorme Gegensätze. Wir hängen da ein bisschen dazwischen und ich würde mir wünschen, dass Deutschland doch stärker die russische Position unterstützt, dass nämlich zunächst der IS voll ins Visier genommen werden muss. Und danach stellt sich die Frage, ob Assad für eine Übergangslösung bleiben und danach zurücktreten muss. Das sind alles Dinge, die sind abzuwarten.

Wir haben hier ein ganz großes Interesse, dass der IS eingedämmt wird, denn wir haben die größten Flüchtlingsströme aus Syrien nach Deutschland. Das ist für mich das entscheidende Argument, warum wir jetzt vor Ort auch militärisch etwas tun müssen. Es wurde immer gesagt, wir sollen die Ursache der Flüchtlingskrise vor Ort bekämpfen und da gilt natürlich zuallererst, wir müssen die Flüchtlingslager im Rahmen der UNO massiver unterstützen als bisher und dann als zweites durch den Luftkampf den IS mehr eindämmen.

Mit dem militärischen Engagement der Bundeswehr wird Deutschland automatisch zum vorrangigen Ziel des IS-Terrors. Ist das der Preis für die Solidarität mit Frankreich?

Das ist strittig. Ich sage nicht, dass das der Weisheit letzter Schluss ist. Aber was ist die Alternative? Wenn wir es nicht tun, gelten wir im Rahmen des Bündnisses und insbesondere bei unseren Nachbarn Frankreich als unzuverlässig und feige. Dann kommen wir eines Tages vielleicht in die Situation, durch Terrorangriffe schwer getroffen zu werden und dann warten wir auf die Solidarität der anderen. Wenn wir jetzt nicht dabei sind, wird man uns auch nachher nicht solidarisch beistehen und das scheint mir wichtiger, bei der Abwägung, zugegebenermaßen gegensätzlicher und auf beiden Seiten ernstzunehmender Argumente.

Christian Hacke ist emeritierter Professor für Politik an der Universität in Bonn

Das Interview führte Volker Wagener