"Dunkirk" startet in den Kinos
14. Juli 2017Der britische Regisseur Christopher Nolan gilt als Ausnahmekönner. Die Vorfreude auf seinen Film "Dunkirk" war groß - das Kriegsepos ist eines der am meisten erwarteten Kinoereignisse des Jahres. In London erlebte der Film vor kurzem seine Welturaufführung. Kurz darauf startete er in den USA - und war an den Kinokassen äußerst erfolgreich. Über 50 Millionen Dollar spielte er bereits in den ersten Tagen ein. Jetzt kommt "Dunkirk" auch in die deutschen Kinos.
Dunkirk: Moralischer Sieg der Alliierten
Nolan hat die historischen Ereignisse um die Schlacht von Dunkirk (Dünkirchen) mit allem Mitteln des modernen Kinos adaptiert. Unter dem Namen "Operation Dynamo" wurden damals rund 340.000 britische, französische und belgische Soldaten mit Kriegsschiffen, aber auch vielen kleineren privaten Booten über den Seeweg von der nordfranzösischen Küste nach England evakuiert. Die alliierten Truppen waren zuvor von der deutschen Wehrmacht bei Dünkirchen eingekesselt worden.
Die Geschehnisse, die sich in den wenigen Tagen zwischen dem 26. Mai und dem 4. Juni 1940 abspielten, haben sich tief in die britische Volksseele eingegraben. Auch wenn Briten und Franzosen von den Deutschen nach einer militärischen Niederlage in die Zange genommen wurden, die weitgehend erfolgreiche Evakuierung stärkte im Nachhinein den Durchhaltewillen vor allem der britischen Soldaten. Die Ereignisse wurden von vielen als "moralischer Sieg" über Nazi-Deutschland empfunden.
Nolan will Zuschauer "Todesangst" spüren lassen
Als bekannt wurde, dass sich Christopher Nolan bei seinem aktuellen Filmprojekt mit der berühmten Schlacht von Dünkirchen auseinandersetzen wollte, dachten viele an ein weiteres weitausholendes, langes Kriegsepos auf der Leinwand. Doch Nolan hatte anderes im Sinn: "Viele Filme über den Zweiten Weltkrieg, die ich eigentlich bewundere, wirken genau da heute veraltet: beim Schnitt auf die Landkarte, wo jemand dasteht und alles erklärt", verriet der Regisseur in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung".
"Ich will die Zuschauer an diesen Strand bringen, mit der Todesangst, der Unsicherheit, ob sie das Überleben. Als wären sie live dabei", so Nolan über sein Vorhaben, den Zuschauern einen möglichst realistischen Eindruck von den Geschehnissen an der französischen Küste zu vermitteln. Dramatische und spektakulär in Szene gesetzte Kampfszenen zu Land, zu Wasser und am Himmel sorgen im Kino für eine visuelle Achterbahnfahrt.
Christopher Nolan: Blockbuster-Regisseur mit Anspruch
Der Brite steht mit seinem bisherigen Werk für spektakuläres Überwältigungskino der intelligenten Art. Bereits seine ersten Filme "Memento" und "Insomnia" boten faszinierende Reisen in das Unterbewusstsein ihrer filmischen Protagonisten und loteten die Grenzen zwischen Wahrheit, Realität, Phantasie und Traum aus. Danach gelang es dem Briten, den Mix aus Unterhaltung und Kunstfertigkeit auch in teurere Blockbuster-Produktionen zu übertragen.
Sowohl in seinen Batman-Filmen ("The Dark Knight") als auch in seinen Science-Fiction-Epen ("Interstellar") fanden Ausstattung und spektakuläre Spannungsmomente sowie ästhetischer Anspruch zusammen. Ohne Zweifel gehört Nolan zum weltweit überschaubaren Kreis der Regisseure, die mit viel Geld aus Hollywood überaus intelligentes Unterhaltungskino mit Tiefgang auf die Beine stellen können.
"Dunkirk": Keine Superstars aus Hollywood, keine Identifikationsfigur
Und so ist auch "Dunkirk" beides: Kino für die große Masse, aber auch für diejenigen Zuschauer, die sich für neue Spielarten der siebten Kunst interessieren. Weltweit spielte "Dunkirk" schon über 100 Millionen Dollar ein - und damit seine Produktionskosten. Ein erstaunliches Ergebnis für einen Kriegsfilm innerhalb so kurzer Zeit.
Der Film verzichtet über weite Strecken auf Dialoge - und auf einen zentralen Filmcharakter, mit dem sich der Zuschauer identifizieren kann. Es sind vornehmlich drei Erzählstränge und Perspektiven, die Nolan vor dem Zuschauer ausbreitet: Zwei britische Soldaten an der Küste, zwei Männer in Booten sowie ein britischer Pilot treiben die Handlung voran.
Nolan: "Ungewöhnlich für Hollywood"
Bei den Schauspielern verzichtete der Regisseur ganz bewusst auf aktuelle Superstars aus Hollywood und besetzt die Rollen ausnahmslos mit europäischen Darstellern: "Das ist ungewöhnlich für Hollywood, und es ist auch ein Risiko", so Nolan gegenüber der SZ. Er habe dem produzierenden Studio gesagt, wie er es machen wolle: "Mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und mit Respekt vor den historischen Fakten." Mit dabei ist auch der britische Sänger Harry Styles ("One Direction") in der Rolle eines jungen Soldaten.
Auch die Beschränkung auf die bei diesem Thema ungewöhnliche kurze Spieldauer, 107 kompakte Film-Minuten, waren eine ganz bewusste Entscheidung des Regisseurs. Nolan wollte die Zuschauer vor allem emotional ansprechen: "Es ist kein klassischer Kriegsfilm. Der Feind wird nicht einmal benannt, es geht nur ganz am Rande um Kriegspolitik, und wir sehen die Deutschen kaum, außer in ihren Flugzeugen." Er habe ein "elementares, universales, fast biblisches Gefühl erzeugen" wollen: "Die Israeliten, gefangen am Strand des Roten Meeres, im Rücken die Ägypter" erzählt der Regisseur im Interview.
Deutschlands Hans Zimmer steuerte den Soundtrack bei
Der Film, der im vergangenen Jahr vor allem an Originalschauplätzen gedreht wurde, und zu dem der deutsche Hollywood-Komponist Hans Zimmer die Musik beisteuerte, wird von amerikanischen Filmjournalisten bereits als heißer Oscarkandidat für 2018 gehandelt.
Anschauen sollte man sich "Dunkirk", wo immer das möglich ist, auf der großen Leinwand - am besten in einem IMAX-Kino. Der Film wurde zum Teil mit 70-mm-Spezialkameras aufgenommen, was besonders hochauflösende und scharfe Bilder ermöglicht. Christopher Nolan gilt als bekennender Fan analoger Filmmaterialien und der Aufführungspraxis von Filmen in großen Kinos.
Nolan: "Diese Seherfahrung sollten Sie machen."
Im SZ-Interview verriet Nolan den Zuschauern, wie er sich die einzelnen Szenen von "Dunkirk" während der Dreharbeiten angeschaut hat - und gibt ihnen einen Rat mit auf den Weg: "Es ist das Kino, in dem ich mir selbst alles anschaue, in jeder Phase der Postproduktion. Die Leinwand ist 18 Meter hoch, es sind noch echte Filmrollen im Projektor, 70-Millimeter-Film, superscharf und hochauflösend, besser geht es nicht. Diese Seherfahrung sollten Sie machen." Wenn es nach ihm ginge, so Nolan, sollte diese Erfahrung eigentlich am besten jeder Zuschauer machen: "Diese traditionsreiche Technik ist jeder digitalen Projektion haushoch überlegen."