Chronisten mit der Kamera – die Fotoagentur "Ostkreuz"
Sie ist die erfolgreichste Fotoagentur Deutschlands – Ostkreuz. Ihr Motto: Nicht nur abbilden, sondern auch eine Haltung zeigen. Jetzt wurde sie mit dem renommierten Konrad-Wolf-Preis geehrt. Eine Geschichte in Bildern.
Umbrüche und Wendepunkte
Sie ist die erfolgreichste von Fotografen geführte Agentur Deutschlands – Ostkreuz. Ihr Motto: Nicht nur abbilden, sondern auch eine Haltung zeigen. Ostkreuz-Fotografen halten vor allem gesellschaftliche Umbrüche und Wendepunkte mit ihrer Kamera fest. Und das so präzise und bewegend, dass sie nun mit dem renommierten Konrad-Wolf-Preis geehrt werden. Gegründet wurde die Fotoagentur 1990 in Berlin.
Der Name ist Programm
Fast alle Gründungsmitglieder kamen aus der DDR, unter ihnen Fotografen wie Sibylle Bergemann und Harald Hauswald. Sie nannten ihre Agentur nach einem wichtigen Ostberliner Bahnhof und Verkehrsknotenpunkt. Der Name sollte die Herkunft anzeigen, und zugleich die Möglichkeit, in alle Richtungen aufzubrechen. So waren Ostkreuz-Fotografen auch die ersten, die den Mauerfall dokumentierten.
Künstlerische Wurzeln
Viele Ostkreuz-Fotografen gehörten in der DDR der freien Kulturszene an. Sie hatten bereits in den 70er und 80er Jahren schonungslose Einblicke in den DDR-Alltag geliefert und mit ihren Fotoreportagen den Sozialismus ein Stück weit entzaubert. Die Tristesse von Plattenbausiedlungen war darauf ebenso zu sehen wie gesellschaftliche Außenseiter, z.B. Punks in Ostberlin.
Von analog bis digital
Heute gehören 18 Fotografen der Agentur an. Sie kommen inzwischen nicht nur aus Deutschland, sondern aus der ganzen Welt. Der Jüngste ist dreißig und die Älteste über sechzig Jahre alt. Auch die Bandbreite der fotografischen Handschriften hat sich erweitert: Während die Gründergeneration überwiegend analog und schwarzweiß fotografierte, entscheiden sich die Jüngeren für digitale Farbfotografie.
Die Spuren von Krieg
"Magnum", die weltberühmte Fotoagentur, war einst Vorbild für Ostkreuz. "Ist dein Bild unscharf, warst du nicht nah genug dran", war das Credo vieler Magnum-Fotografen. Sie schossen Fotos mitten aus dem Kriegsgeschehen. Ostkreuz dagegen zeigt oft die Spuren davon, wie hier in Gaza-City nach der Bombardierung durch Israel. Die Wucht des Krieges ist spürbar, und doch gibt es einen Hoffnungsschimmer.
Fluchtgeschichten
Ostkreuz-Fotografen sind heute längst auf der ganzen Welt unterwegs. Mit ihren Fotos machen sie auf globale Probleme aufmerksam, wie die Landflucht. Täglich pilgern hunderttausende Glücksucher, vor allem in Afrika in die Städte - in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Um Metropolen wie Lagos oder Kapstadt entstehen gigantische Townships mit provisorischen Blechhütten und ohne fließendes Wasser.
Geisterstädte
Weltweit leben inzwischen mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Für eine Serie reisten alle Ostkreuz-Fotografen in globale Megacities - von Manila bis Dubai. In dem arabischen Golfstaat wachsen die Wolkenkratzer in den Himmel. Ein Symbol des Reichtums. Dafür wird alles Alte niedergerissen. Doch im Schatten der Ölmillionen malochen unter widrigsten Bedingungen asiatische Bauarbeiter.
Globale Welten
Eine Nescafé-Bude in einem Vorort von Dakar. Davor posierend ein senegalesischer Königssohn im traditionellen Kostüm. Der junge Afrikaner scheint angesichts der globalen Macht von Großkonzernen die Waffen gestreckt zu haben. Sibylle Bergemann, die Grande Dame der DDR-Fotografie, fing diesen absurden Moment ein. Signale der globalisierten Welt, in den Sand gesetzt.
Die Magie des Augenblicks
Die Magie eines flüchtigen Moments einfangen – darin liegt die Kunst von Ostkreuz-Fotografen. Jörg Brüggemann reiste mit jungen Backpackern durch Asien. Deutsche, Engländer, Franzosen, auf der Suche nach Abenteuer und Freiheit. Im Gepäck der "Lonely Planet"-Reiseführer. Die unberührten Strände gibt es für sie längst nicht mehr. Aber die Schwerelosigkeit, kurz vor dem Erwachsenwerden.