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Chávez bemüht um gute Beziehungen zu Brasilien

6. Juni 2011

Venzuelas Präsident Chávez besucht erstmals Brasiliens neue Präsidentin. Die guten Beziehungen aus der Ära Lula gehören der Vergangenheit an, vermuten Experten. Für Chávez bleibt Brasilien aber ein wichtiger Partner.

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Präsident Chavez gratuliert Dilma Rousseff bei ihrer Amtseinführung (Foto: dpa)
Brasilien trifft Venezuela: Dilma Rouseff und Hugo ChavezBild: picture-alliance/dpa

Brasilien ist der erste Zwischenstopp auf Hugo Chávez’ Lateinamerikareise. Auch in Ecuador ist ein Kurzbesuch geplant, bevor er seine Reise auf Kuba abschließen wird. Das Treffen hatte ursprünglich im Mai stattfinden sollen, war aber von Chávez wegen einer Verletzung verschoben worden.

Die Reiseroute ist keineswegs zufällig gewählt, glaubt Rafael Duarte Villa. Er ist Koordinator des Forschungszentrums für Internationale Beziehungen der staatlichen Universität von São Paulo. "Das entspricht seinem politischen und ideologischen Konzept für Lateinamerika. Es zeigt die Doppelstrategie von Chávez." Denn der venezolanische Präsident pflegt strategische Partnerschaften ebenso wie ideologische Freundschaften: Der Reiseauftakt in Brasília verdeutlicht die große Bedeutung des Landes für Venezuela. "Dass er seine Reise auf Kuba beendet, zeigt jedoch auch, dass er seine Verbündeten nicht verlieren will, dass er die ideologische Verbindung mit den Castro-Brüdern weiterhin pflegt", meint Villa.

Wenig Gemeinsamkeiten, aber gemeinsame Interessen

Rousseffs Vorgänger im Präsidentenamt: Lula da Silva (Foto: AP)
Rousseffs Vorgänger im Präsidentenamt: Lula da SilvaBild: AP

Es ist ungewiss, welchen Ton die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff gegenüber ihrem venezolanischen Kollegen anschlagen wird. Mit dem Ende der Ära Lula dürfte aber auch die brasilianische Nähe zu Chávez der Vergangenheit angehören. "Rousseff und Chávez sind zwei sehr unterschiedliche Regierungschefs, sie haben nichts gemeinsam", sagt Susanne Gratius, Politikwissenschaftlerin der Stiftung für internationale Beziehungen und für den außenpolitischen Dialog in Madrid.

Für Rousseff stehen die Themen Demokratie und Menschenrechte ganz oben auf der Agenda, für Chávez hingegen haben sie nicht oberste Priorität. Der Politikwissenschaftler Felix Aureliano von der Zentralen Universität von Venezuela in Caracas erinnert an die – wie er sagt - "gewalttätige Art" des venezolanischen Präsidenten bestimmte Entscheidungen zu treffen. Als Beispiel verweist er auf den unvermittelten Austritt aus dem Handelsblock der Andengemeinschaft Ende April.

"Dilma Rousseff hat in ihrer Außenpolitik viel Besonnenheit und Verstand bewiesen. Sie wird die Beziehung zu Chávez mit mehr Abstand führen als Präsident Lula", erklärt Aureliano im Interview mit der Deutschen Welle.

Andererseits braucht Brasilien Venezuelas Unterstützung für eine Reform im UN-Sicherheitsrat. "Venezuela hat zwar keinen Einfluss, soll Brasiliens Anliegen aber weiterhin stützen. Ebenso hat Brasilien in der Vergangenheit bereits Venezuela geholfen. Das Land hatte sich 2006 um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat beworben. Der Sitz ging schließlich an Panama", erläutert Duarte Villa.

Venezuela ist in internationalen Belangen zwar kein traditioneller Partner Brasiliens, dennoch braucht Rousseff für ihren Kampf um Veränderungen im Sicherheitsrat jede Stimme. Aktuell ist Brasilien eines der fünf nichtständigen Mitglieder im Sicherheitsrat.

Mercosur und Handelsbeziehungen

Felix Aureliano weist auf einen weiteren positiven Aspekt in der Geschichte der beiden südamerikanischen Nachbarn hin. "An den territorialen Grenzen zwischen Brasilien und Venezuela gab es nie Konflikte. Die Beziehung war hier stets harmonisch. Und die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen haben sich im Laufe der Zeit vertieft. Darüber hinaus schätzt die venezolanische Bevölkerung das Nachbarland sehr."

Die Handelsbilanzen deuten auf eine wachsende Handelsbeziehung der beiden Länder hin: Bereits in den ersten drei Monaten dieses Jahres hat der Gesamtwert des Warenaustausches die Marke von einer Milliarde Dollar überstiegen. Gleichzeitig deuten Indikatoren darauf hin, dass das Vorjahresniveau von 4,6 Milliarden Dollar übertroffen werden könnte. Dabei interessieren sich vor allem die Venezolaner für die brasilianischen Produkte. Fast 80 Prozent des Warenaustauschs kommt Brasilien zugute.

Aus venezolanischer Perspektive sorgt indes ein alter Streit für Besorgnis: der endgültige Beitritt zum Mercosur, der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Seit 2005 wartet Venezuela auf die Aufnahme als vollwertiges Mitglied. Brasilien, Argentinien und Uruguay haben dem Betritt bereits zugestimmt. Einzig Paraguay hat das bereits 2006 ausgearbeitete Protokoll noch nicht ratifiziert.

Chavez und Kubas Staatschef Raul Castro (Foto: AP)
Chavez auch auch den Kontakt zu Kubas Staatschef Raul CastroBild: AP

"Ich glaube, der Beitritt zum Mercosur ist für die Regierung wichtiger als für das Land selbst. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten Venezuelas innerhalb des Mercosur sind sehr begrenzt", so Felix Aureliano. Dem Experten zufolge verschlechtert sich die Leistungsfähigkeit des Landes rapide. "Die Politik der Regierung zerstört die Landwirtschaft, enteignet Privatbetriebe und ruiniert die Industrie durch Enteignungen und staatliche Eingriffe. Denn mit dem Geld aus dem Ölgeschäft glaubt Chávez, alles machen zu können, was er will."

Der Unterschied zwischen den wirtschaftlichen Modellen Brasiliens und Venezuelas könne zu einem Problem werden, glaubt Aureliano. "Denn Brasilien und der Mercosur insgesamt respektieren den Markt und die Privatwirtschaft, es gibt eine liberale Tendenz. Im venezolanischen Modell ist das Gegenteil der Fall." Doch bei seinem ersten Treffen mit Dilma Rousseff wird Chávez wohl alles tun, um die Gegensätze nicht offen zutage treten zu lassen.

Autorin: Nádia Pontes, Anna Pellacini
Redaktion: Birgit Görtz