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Clash of Civilization

Jochen Kürten28. September 2012

"Der Fluss war einst ein Mensch" erzählt von der Reise eines Deutschen durch unbekannte Welten. Der Film spielt in Afrika. Doch es ist auch eine Reise in das Unterbewusstsein eines Menschen.

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Szene aus DER FLUSS WAR EINST EIN MENSCH Regie: Jan Zabeil (Foto: Rohfilm GmbH)
Bild: Rohfilm

Als im vergangenen Jahr ein junger deutscher Filmemacher beim renommierten Festival im spanischen San Sebastián mit dem "New Directors Award" ausgezeichnet wurde, war das eine Riesenüberraschung. In Deutschland kannte kaum jemand den Regisseur Jan Zabeil und dessen Film mit dem seltsam klingenden Titel "Der Fluss war einst ein Mensch". Das hat sich inzwischen ein wenig geändert - Zabeils Film errang Preise auf anderen Festivals in Europa und Übersee. Ein größeres Publikum dürfte aber erst jetzt, mit dem deutschen Kinostart, auf das Debüt des Regisseurs aufmerksam werden.

"Der Fluss war einst ein Mensch" ist eines der erstaunlichsten deutschen Filmdebüts der vergangenen Jahre. Im Gespräch mit der Deutschen Welle erzählt der 1981 in Berlin geborene Zabeil von den abenteuerlichen Dreharbeiten im afrikanischen Botswana: "Wir sind in unserem Jeep durch die Gegend gefahren auf der Suche nach unserem Film." Nur zu Viert seien sie gewesen. Außer ihm selbst sein Hauptdarsteller Alexander Fehling, ein Kamera- und ein Tonmann. "Besondere Schwierigkeiten ergaben sich aus ganz einfachen Fragen: Wo schläft man? Wo kriegt man Strom her? Wir hatten in der absoluten Einsamkeit nur unseren Generator. Wir sind in ähnlichen Holzbooten gereist wie die Hauptfigur im Film. Wir haben uns auf eine ähnliche Odyssee begeben."

Plakat des Films "Der Fluß war einst ein Mensch" von Regisseur Jan Zabeil (Foto: Filmverleih "451")
Bild: Filmverleih 451

Ziellose Reise durch das Okavango-Delta in Botswana

Die Odyssee, von dem der Film erzählt, ist eine ziellos anmutende Reise eines Deutschen in Afrika. Der junge Mann wird durch einen Zufall von seiner geplanten Route abgebracht. An einem Fluss trifft er auf einen alten schwarzen Fischer, der ihn zunächst in einem Holzboot mitnimmt. Wohin - das wird nicht ganz klar. Die beiden durchqueren ein riesiges Flussdelta. Irgendwann kommt der junge Weiße in ein abgelegenes Dorf, trifft dort auf ein paar Menschen in einfachen Hütten. Ein Zurück scheint es nicht zu geben. Und irgendwann verzichtet der Film auch - ganz bewusst - auf eine eindeutige und klar zuzuordnende narrative Handlung. Die Erzählebenen lösen sich auf. Was Traum oder Phantasie ist, was reales Geschehen, all das wird mit fortschreitender Handlung immer unklarer. "Der Fluss war einst ein Mensch" ist eine filmische Reise in ein geheimnisvolles Zwischenreich.

Wie ist Zabeil auf den Titel gekommen? "Ich habe als Kind von meinem Onkel, der schon Jahre in Botswana lebte, irgendwann einmal ein Buch bekommen. Damals war ich zwar noch zu klein zum Lesen, doch später habe ich es mir vorgenommen. Es war eine afrikanische Märchensammlung. Da war auch eine Erzählung dabei von einem Mann, der unter seiner Achsel die Sonne verbarg. Jeden Morgen musste er den Arm heben, damit die Sonne für die Menschen scheinen konnte. Ich fand das wunderschön." Es ist diese Mischung aus Naturmystik und Märchen, Phantasie und Folklore, die sich nun auch in Zabeils Film wiederfindet.

Jan Zabeil im DW-Gespräch (Foto: Jochen Kürten)
Jan Zabeil im DW-GesprächBild: DW

Begegnung der Kulturen

Dabei ging es dem Regisseur, der zwar mit seinem kleinen Team in Botswana gedreht hat, gar nicht spezifisch um den Kontinent Afrika oder eine ganz bestimmte Nation. Es hätte auch ein asiatisches Land sein können, sagt Zabeil. Wichtig sei ihm gewesen, zu zeigen, wie ein Weißer durch die Begegnung mit der Fremde beginnt, sein Weltbild in Frage zu stellen. Wie er mit völlig unbekannten Dingen und Landschaften konfrontiert wird und alles in Frage stellt.

Szene aus dem Film "Der Fluß war einst ein Mensch" von Regisseur Jan Zabeil (Foto: Filmverleih "451")
Der alte Mann und das FlußdeltaBild: Filmverleih 451

Das ist Jan Zabeil auf eindrucksvolle Art und Weise gelungen. Vor allem auch, weil er sich ganz auf die Kraft seiner Bilder verlassen hat. Zabeil hat an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg Kamera studiert. Irgendwann habe er aber dann Lust bekommen, auch Regie zu führen, erzählt der junge Regisseur. "Der Fluss war einst ein Mensch" wurde so als Abschlussfilm im Fach Regie angenommen.

Meditatives Kino

Der Zuschauer des Films begibt sich - fast so wie der einsame Protagonist im Film - auf eine Reise in unbekannte Welten. Die Kamera begleitet den jungen Deutschen dabei: ruhig und beobachtend, in einem meditativ anmutenden Rhythmus. Lange Einstellungen, wenig Kamerabewegungen - sogartig wird der Betrachter in den Film hineingezogen. Das ist von großer suggestiver Kraft und Intensität. Geredet wird nur selten. Er habe durch das sinnliche Erleben des Hauptdarstellers den Weg zum Publikum gesucht, erzählt Zabeil. Und ein wenig ist er selbst erstaunt, dass viele Zuschauer bei den Festivalvorführungen so leidenschaftlich mitgegangen seien - obwohl es im Film zum Beispiel eine 25minütige Passage gibt, in der nicht geredet wird. Viele hätten geradezu enthusiastisch auf den Film reagiert. Dass bei dem Thema und seiner Umsetzung natürlich auch einige Zuschauer ausgestiegen seien, dürfe einen nicht wundern. Dafür hat Zabeil auch Verständnis.

Szene aus dem Film "Der Fluss war einst ein Mensch" (Filmverleih 451)
Der junge Deutsche (Alexander Fehling) läßt sich irgendwann nur noch treiben...Bild: Filmfest München

So vereint "Der Fluss war einst ein Mensch" vieles: Er erzählt vom Zusammenprall der Kulturen, zeigt - ganz direkt und im persönlichen Schicksal - einen Clash of Civilizations. Zabeils Film ist großes sinnliches Kino und bietet einen berauschenden Bilderstrom. Man muss sich auf dieses Experiment einlassen. Man muss Ruhe und Geduld mitbringen. Wenn man bereit ist, die Reise des jungen Mannes im Film mitzugehen, dann kann man eines der schönsten und aufregendsten deutschen Filmdebüts aus der jüngsten Zeit erleben.