Corona-Krise lässt Steuereinnahmen einbrechen
14. Mai 2020Die deutschen Steuerschätzer rechnen damit, dass die Finanzämter in diesem Jahr 81,5 Milliarden Euro weniger Steuern einnehmen als im vergangenen Jahr. Das entspricht einem Minus von mehr als zehn Prozent. Bund, Länder und Kommunen müssen daher mit 98,6 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November vorhergesagt wurde und bereits in den Haushalten verplant ist. Das geht aus der Frühjahrsprognose des Arbeitskreises Steuerschätzungen hervor, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz in Berlin vorstellte. Bis 2024 wird demnach sogar ein Einnahmeminus von insgesamt 315,9 Milliarden Euro erwartet.
Im laufenden Jahr muss der Bund vorwiegend aufgrund der Auswirkungen der Corona-Krise ein Minus von 44 Milliarden Euro verkraften, die Länder von 35 Milliarden Euro. Weitere 15,6 Milliarden Euro entfallen auf die Kommunen, vier Milliarden Euro auf die Abführungen an die Europäische Union.
Auch in den folgenden Jahren muss der Bund den größten Teil der Einnahmeverluste hinnehmen. Sie summieren sich bis 2024 auf 171,1 Milliarden Euro. Allerdings entfällt in den Jahren ab 2021 nur ein Teil der Einnahmeausfälle auf Schätzabweichungen im Vergleich zur Steuerschätzung vom November. Ein beträchtlicher Anteil geht dann - anders als im laufenden Jahr - auf Änderungen des Steuerrechts und weitere neue Gesetze zurück, darunter der weitgehende Abbau des Solidaritätszuschlags und andere Steuersenkungen.
Scholz ist "nicht überrascht"
Scholz sagte, das Schätzungsergebnis sei "ungefähr im Rahmen dessen, was wir für uns angenommen haben". Insofern sei er von der Dimension "nicht überrascht". Die Schätzung sei diesmal so schwierig gewesen wie wohl noch nie. Es hätten "sehr viele Unsicherheiten" und "sehr viele Variablen" berücksichtigt werden müssen. Zugleich handele es sich nur um eine "Momentaufnahme", betonte Scholz. Denn den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie könne niemand seriös vorhersagen. "Das ist eine Naturkatastrophe."
Aus diesem Grund werde es dieses Jahr eine zusätzliche, außerplanmäßige Steuerschätzung geben, kündigte Scholz an. Diese solle im September vor der Aufstellung des nächsten Bundeshaushalts vorgelegt werden. Dann könnten die Mindereinnahmen noch präziser vorhergesagt werden. Normalerweise werden die Steuereinnahmen jeweils im Mai und im November geschätzt.
Deutschland ist gewappnet
Trotz der massiven Steuerausfälle sieht der Finanzminister den Bund gewappnet, die finanziellen Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Dank der sehr soliden Haushaltspolitik der vergangenen Jahre sei die Regierung in der Lage, mit einer solchen Situation umzugehen. Scholz bekräftigte, die Regierung werde Anfang Juni ein Konjunkturprogramm vorlegen. Dieses werde "ein ganzen Bündel an Maßnahmen" umfassen und solle "neuen Schwung und neues Wachstum" bringen. Die bisherigen "haushaltswirksamen Ausgaben" von Bund Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen in der Corona-Krise bezifferte Scholz auf 335 Milliarden Euro.
Der Arbeitskreis Steuerschätzung kommt zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst. Darin sitzen Experten der Bundesregierung, der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, des Statistischen Bundesamts, der Bundesbank, des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, Vertreter der Länderfinanzministerien sowie der Kommunen. Sie gehen die erwarteten Einnahmen bei allen Steuerarten durch und rechnen diese dann zusammen.
Schwere Rezession erwartet
Eine wesentliche Grundlage für die Steuerschätzung ist die Frühjahrs-Konjunkturprognose. Die Bundesregierung rechnet wegen der Corona-Krise mit der schwersten Rezession der Nachkriegsgeschichte. Die Wirtschaftsleistung dürfte um 6,3 Prozent abstürzen. Das lässt nicht nur Gewerbe- und Umsatzsteuer einbrechen, sondern wegen der drastischen Kurzarbeit auch die Einkommensteuer.
Das Finanzministerium beziffert die Kosten der Corona-Hilfspakete inzwischen auf 453,4 Milliarden Euro allein im Jahr 2020. Dazu kommen Garantien über mehr als 800 Milliarden Euro, die möglicherweise auch noch greifen müssen, wenn Unternehmen ihren Kreditverpflichtungen nicht nachkommen können.
kle/uh (afp, dpa, rtr)