Kaum Schutz für Afrikas Gesundheitspersonal
8. Mai 2020Die Corona-Krise bringt das medizinische Personal überall auf der Welt an seine Grenzen. In Afrika ist die Situation für Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger besonders schwierig: Die Arbeitsbedingungen sind schlecht, die Angst vor Ansteckung groß und Schutzausrüstungen sind oft pure Mangelware.
In ihrer Verzweiflung legen einige Helfer sogar die Arbeit nieder, obwohl sie dringend gebraucht werden. In Simbabwe traten Ärzte und Krankenschwestern schon vor Wochen in einen Streik. Sie weigerten sich, Corona-Patienten zu behandeln, weil es keine Schutzkleidung gab. Kenia droht seit Tagen ein ähnliches Szenario.
Virusgefahr hält viele Ärzte fern
In Nigeria bangen viele Ärzte um ihr Leben. Allein in der Großstadt Kano haben sich schon zehn Mediziner mit COVID-19 infiziert. Das hätten aktuelle Tests ergeben, so DW-Korrespondent Nasir Salisu Zango: "In den Krankenhäusern des Landes fehlt es an Hilfe für die Patienten." Die meisten Ärzte seien nicht an ihrem Arbeitsplatz und klagten über fehlenden Schutz - Masken und auch Kleidung. Daher die große Angst, sich anzustecken.
Im westafrikanischen Togo ist die Lage ähnlich: Einige Ärzte und Krankenschwestern sind erkrankt, nachdem sie mit COVID-19-Patienten in Kontakt gekommen waren. Gilbert Tsolenyanu, Generalsekretär der Medizinergewerkschaft SYNPHOT klagt über das große Risiko für Ärzte und Schwestern. "Das könnte ein Schlag für uns sein. Aber das ist für uns kein Grund, aufzugeben. Wir sind entschlossen, weiterzumachen". Aufgeben wollten viele Mediziner trotzdem nicht: "Wir haben Mängel im Gesundheitssystem, doch das sollte uns nicht daran hindern, zu gewinnen, zu triumphieren", sagt Tsolenyanu im DW-Interview.
Regierungen versprechen Abhilfe
Die Nachbarn haben ähnliche Probleme. Christophe Kouamé leitet die Bürgerrechtsorganisation Civis Ci in der Elfenbeinküste. Der Zustand des Gesundheitssystems in seiner Heimat schockiert ihn: "Angesichts der Zahl der infizierten Menschen im Land glauben wir, dass wir ein Minimum an Ausrüstung hätten haben sollen. Wir haben noch nicht viele Fälle, und wir sind schon jetzt überrascht, dass es nicht genug Material gibt", sagt er der DW. In der Elfenbeinküste sind derzeit knapp 1500 Menschen mit dem Virus infiziert.
"Die Regierungen haben erkannt: Wenn Krankheiten ausgebrochen sind, dann ist es praktisch zu spät. Prävention ist dann der einzige Weg, die Pandemie einzudämmen", sagt Marcus Leonhardt von der afrikanischen Nichtregierungsorganisation AMREF, die vor allem im Gesundheitsbereich aktiv ist. "Angesichts des Mangels an Fachpersonal bedienen sich viele afrikanische Regierungen – zum Beispiel Kenia – paramilitärischer Einrichtungen und schulen Sicherheitskräfte. Sie erhalten eine Zusatzausbildung zum Gesundheitshelfer und werden dann in entlegene Gebiete Afrikas geschickt, um dort Aufklärung zu betreiben", so Leonhardt zur DW.
Allerdings könne man in der gegenwärtigen Situation nicht davon ausgehen, dass zusätzliche Investitionen zur Stärkung der mangelhaft ausgestatteten Gesundheitssysteme vorgenommen würden. Afrikanische Regierungen hätten sich bereits 2001 beim einem Gipfeltreffen dazu verpflichtet, 15 Prozent ihrer Staatshaushalte für den Gesundheitsbereich auszugeben. "20 Jahre später sind nur fünf Länder dieser Zusage nachgekommen", so Leonhard.
Angesichts der dramatischen Mängel versuchen afrikanische Regierungen, Abhilfe zu schaffen. Die westafrikanische Gesundheitsorganisation (WAHO) mit Sitz in Burkina Faso berät sich dazu regelmäßig mit der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS. "Wir hatten vor zwei Wochen eine Krisensitzung mit den Präsidenten der afrikanischen Staaten und haben Entschlüsse gefasst", sagt WAHO-Direktor Stanley Okolo im DW-Interview. "Das medizinische Personal braucht Schutz, denn sie arbeiten an vorderster Front in dieser Krise. Regierungen wollen die Produktion von Masken und anderen Hilfsmaterialien durch afrikanische Firmen stärker ankurbeln. Einige Länder wie Ghana, Senegal, Nigeria und Elfenbeinküste haben zudem Versicherungen und Zulagen für ihr Gesundheitspersonal zugesagt."
Unterkünfte in Krankenhausnähe
Konkrete Beispiele gebe es bereits: "In Ghana sind zum Beispiel Unterkünfte in Nähe des Arbeitsplatzes, also an manchen Krankenhäusern gebaut worden. Die Mitarbeiter haben Angst, dass sie - falls sie sich angesteckt haben - ihre Angehörigen infizieren. Nun können sie in den Unterkünften vor Ort übernachten." Einige Länder hätten auch Gehaltserhöhungen als eine Art Gefahrenzulage versprochen.
Ähnlich hatten einige Länder bereits während der schlimmen Ebola-Epidemie in der Region 2014 und 2015 reagiert. Doch die Erfahrungen aus der Krise damals könne man nicht einfach auf heute übertragen. "Das ist nicht zu vergleichen", sagt Okolo. Die Ebola-Epidemie habe hauptsächlich drei Länder getroffen: Liberia, Sierra Leone und Guinea. Sie erhielten Unterstützung von vielen anderen Ländern. Okolo: "Aber jetzt sind alle afrikanische Staaten selbst von der Corona-Krise betroffen und haben weniger Geld zur Verfügung. Da muss auch die internationale Gemeinschaft jetzt eine Rolle spielen."
Chronisch klamme Gesundheitssektoren
Okolo ist sich sicher: "Die Krise ist ein Weckruf für uns alle. Corona wird ein Umdenken einleiten, die afrikanische Gesundheitsversorgung positiv zu beeinflussen." Verbesserte Kommunikationsstrukturen, gemeinsame Maßnahmen und bessere Löhne seien bei solchen globalen Phänomen gefragt. Aber der Weg dahin ist weit, das ist auch Okolo klar: "Afrikas Infrastruktur im Gesundheitssektor ist schwach. Das wird sich nicht über Nacht ändern, nur weil es jetzt das Coronavirus gibt."
Der Beitrag wurden am 07.05. um weitere Informationen ergänzt.