Corona: Licht an - Virus tot?
2. September 2020Mit ultravioletter Strahlung gegen Keime jeglicher Art. Das ist die Geschäftsidee von Unternehmen, die Desinfektionssysteme auf Basis von UV-C-Strahlung anbieten.
Anstatt mit Chemikalien herumzusprühen, bestrahlen sie Oberflächen, Wasser und Luft mit UV-C-Licht. Dieses Licht ist zwar unsichtbar, aber kraftvoll: Innerhalb von Sekunden gehen Viren, Bakterien und sonstige Keime kaputt, wenn sie damit bestrahlt werden.
Die Strahlung beschädigt das Erbgut und verhindert so, dass sich Krankheitserreger weiter vermehren können.
Dieses Wissen über UV-C ist eigentlich nichts Neues - seit Jahrzehnten wird die Strahlung eingesetzt, um beispielsweise Trink- und Badewasser zu desinfizieren. Auch die Oberflächen von Krankenwagen und Industrielaufbändern werden mithilfe von UV-C-Lampen gereinigt. Außerdem wird damit die Luft in Räumen von Keimen befreit.
Mit UV-C gegen Corona?
Seitdem mit SARS-CoV-2 ein neuartiger Krankheitserreger in der Welt ist, der auch durch Aerosole in der Luft übertragen werden kann, ist die UV-C-Desinfektion wieder von besonderem Interesse.
Außerdem steht der Herbst vor der Tür und die Frage im Raum, wie man die Luft in Klassenzimmern oder Büros auch in der kalten Jahreszeit am besten virenfrei halten kann.
Wenn man auf die Hersteller von UV-C-Desinfektionssystemen hört, dann natürlich mit ihren Produkten. Schon jetzt gehören sie betriebswirtschaftlich gesehen zu den Gewinnern der Coronakrise.
Weil die Nachfrage so gestiegen ist, produziert die niederländische Firma Signify beispielsweise acht Mal so viele Produkte wie noch vor der Pandemie.
Neue UV-C-Lampen auf dem Markt
Außerdem hat das Unternehmen im Frühjahr eine neue UV-C-Lampe auf den Markt gebracht.
Bislang waren Lampen, die in Betrieb sind, während sich Menschen zeitgleich im Raum aufhalten, durch ein dichtes Gehäuse abgeschirmt. Bei der Lampe von Signify hingegen wird die Strahlung mithilfe eines Reflektors nach oben gelenkt und bildet unter der Raumdecke einen UV-C-Schleier, durch den die Luft zirkuliert und so desinfiziert wird.
Vor der Krise saßen die Abnehmer und Abnehmerinnen von UV-C-Desinfektionssystemen insbesondere zur Luftreinigung vor allem in Asien und Nordamerika. In Europa gebe es mehr Bedenken, einen sicheren Umgang mit der Technologie zu finden, sagt Christian Goebel, UV-C-Experte bei Signify.
Seit der Pandemie entwickle sich aber auch im westlichen Europa langsam ein Markt. Und das, obwohl es keine Empfehlung seitens des Robert Koch-Instituts oder des Bundesumweltministeriums gibt, UV-C-Systeme zu nutzen.
Verletzungsgefahr durch UV-C-Strahlung
Auch das Umweltbundesamt (UBA) ist eher zurückhaltend, was den Einsatz von UV-C-Licht in Räumen betrifft, in denen sich Menschen zeitgleich aufhalten.
Der Geschäftsführer der dort angegliederten Innenraumlufthygiene-Kommission, Heinz-Jörn Moriske, weist daraufhin, dass UV-Licht gesundheitsschädigend ist: "Wenn diese Geräte dann von anwesenden Personen im Raum aus welchen Gründen auch immer geöffnet werden und die Lampe ist noch an, kann das zu schweren Verbrennungen auf der Haut und auch zu Verätzungen am Auge führen."
Die Hersteller sind sich der Risiken von UV-C zwar bewusst, können die Einschätzungen der verschiedenen Ämter und Institute aber trotzdem nicht nachvollziehen. "Die Technologie ist erprobt. Jeder weiß, dass sie hilft. Das ist dann nur eine Frage des sicheren Umgangs mit der Technologie", sagt etwa Christian Goebel von Signify.
Der sichere Umgang sei gegeben, wenn die Desinfektionssysteme professionell eingebaut werden. Außerdem müssten die Menschen, die sich in den Räumen aufhalten, in denen UV-C-Technologie angewandt wird, entsprechend gebrieft werden, wie sie sich zu verhalten haben. So könne ausgeschlossen werden, dass Menschen versehentlich mit der Strahlung in Berührung kommen.
Anspruchsvolle wissenschaftliche Untersuchungen
Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt sieht aber noch einen ganz anderen Punkt kritisch: Die Studienlage sei sehr dünn. Signify hat zwar kürzlich in Zusammenarbeit mit der Universität Boston nachgewiesen, dass UV-C-Strahlung auch das Coronavirus innerhalb von Sekunden auf Oberflächen abtötet.
In Bezug auf die Luftdesinfektion durch UV-C gibt es aber kaum Daten. Wie groß der Raum ist, wie häufig die Luft an den UV-C-Lampen vorbeiströmt und wie intensiv die Strahlung der jeweiligen Lampe ist, beeinflusst alles enorm, wie sehr die Keime im Raum geschädigt werden.
Da sich in Gebäuden die Luftzirkulation von Raum zu Raum und sogar von Raumecke zu Raumecke unterscheidet, ist es also eher schwierig, aus wissenschaftlichen Untersuchungen im Labor allgemeingültige Aussagen abzuleiten.
Heinz-Jörn Moriske zufolge gibt es außerdem auch keine Untersuchungen dazu, ob UV-C-Systeme zuverlässiger funktionieren als beispielsweise Luftreiniger mit mechanischen Filtern.
Deshalb betont er immer wieder, dass der Einsatz von Luftreinigungsgeräten mit UV-C-Lampen oder sonstigen Filtern schlussendlich nur eine ergänzende Maßnahme zum Lüften über offene Fenster sei: "Das darf nicht dazu führen, dass man einfach sagt 'Das ist mir jetzt zu kalt, ich lüfte nicht. Ich habe ja meinen Luftreiniger an und der schafft das.' Das ist genau der Trugschluss, den wir vermeiden müssen."
Unternehmen wünschen sich mehr Pragmatismus
Christian Goebel von Signify wünscht sich in Anbetracht der "Größe des Problems" trotzdem mehr Pragmatismus und Offenheit von den Behörden. Gerade in Schulen und Kindergarten sei es extrem schwer zu vermeiden, dass sich viele Menschen auf engem Raum befinden.
Deshalb seien an solchen Orten UV-C-Desinfektionssysteme eine absolut sinnvolle Investition, so Christian Goebel: "Wenn Sie mich jetzt fragen würden, 'Würde ich das akzeptieren, wenn bei meinem Sohn im Kindergarten eine UV-C-Lampe hängt?', würde ich sagen 'Ja'."