Corona erhöht soziale Ungleichheit
10. März 2021Der in Berlin vorgestellte Datenreport bringt es auf den Punkt: Die Corona-Pandemie macht die Menschen nicht gleicher, sondern ihre Lebenssituation noch ungleicher. Was viele in ihrem eigenen Alltag erleben, wird durch erste Datenauswertungen von den Statistikern bestätigt.
Wer unter die Armutsschwelle rutscht, hat es demnach immer schwerer, wieder mehr Einkommen zu erzielen. Der Anteil dauerhaft von Armut bedrohter Menschen an allen Armen beträgt inzwischen 44 Prozent. Das ist doppelt so viel wie Ende der 90er Jahre. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, Geringqualifizierte und Menschen mit Migrationshintergrund.
Gutverdiener hatten den Angaben zufolge häufiger Einkommenseinbußen, aber die finanziellen Sorgen sind bei den Geringverdienern deutlich größer. Fast jeder Fünfte berichtete, bezogen auf den Zeitraum von Ende März bis Anfang Juli 2020, von finanziellen Schwierigkeiten, konnte also etwa Kredite nicht mehr bedienen. Bei den Facharbeiter-, Meister- und qualifizierten Angestelltenberufen fielen die Anteile mit rund neun Prozent deutlich niedriger aus.
Alleinerziehende berichten über die größten finanziellen Probleme
Am häufigsten berichteten Alleinerziehende (25 Prozent) von finanziellen Problemen, bei Paarhaushalten waren es nur sechs Prozent. Am zweithäufigsten gerieten Selbständige in Geldnot (20 Prozent). Hinzu kommt, dass etwa Minijobber, zumeist Frauen, kein Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld bekommen.
Erhebungen zum Homeoffice bestätigen die sozialen Unterschiede. In fast zwei Dritteln der Berufe im oberen Einkommensdrittel lag der Homeoffice-Anteil im Frühjahrs-Lockdown 2020 bei mindestens 20 Prozent. Im unteren Drittel, zu dem viele der "Corona-Helden" zählen, betrug in rund der Hälfte der Jobs der Homeoffice-Anteil weniger als sechs Prozent.
Und auch beim Thema Bildung gibt es Unterschiede: Schon vor Corona waren die ungleichen, stark von der sozialen Herkunft abhängenden Bildungschancen in Deutschland ein Dauerthema. Beim Homeschooling wird das auch bei der Ausstattung sichtbar. Dem Report zufolge haben Familien mit einem Monatseinkommen von 5000 bis 18.000 Euro vier Computer, Familien mit weniger als 2000 Euro im Durchschnitt zwei.
"Bedrückende Ergebnisse"
Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, nannte die Ergebnisse bedrückend. Die Pandemie wirke sich nicht als große Gleichmacherin aus, wie es anfangs angenommen worden sei, sagte Krüger. Vielmehr sei die soziale Ausgangslage entscheidend für die Auswirkungen auf die Bevölkerungsgruppen.
Der Datenreport zeigt auch, wie die Bevölkerung auf das hohe Ausmaß sozialer Ungleichheit reagiert. Nur knapp die Hälfte sieht das eigene Bruttoeinkommen noch als gerecht an. Eine Mehrheit findet Niedriglöhne ungerecht. Und eine Mehrheit ruft inzwischen deshalb nach dem Staat: Drei Viertel der Westdeutschen wollen, dass mehr getan wird zur Verringerung der Einkommensunterschiede; 2002 war es noch weniger als die Hälfte. In Ostdeutschland sind es rund 80 Prozent.
Der regelmäßig erscheinende Datenreport wird herausgegeben vom Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Zusammenarbeit mit dem Sozio-oekonomischen Panel. Er gibt Auskunft über die Lebensverhältnisse und in diesem Jahr auch über die Folgen der Corona-Pandemie.
hf/gri (rtr, dpa, afp, kna, epd)