Corona und der Arbeitsmarkt für Migranten
12. Mai 2021Schon vor der Pandemie galt: Häufiger als Deutsche arbeiten Migranten und Geflüchtete in unsicheren Jobs, mit befristeten Verträgen oder in Leiharbeit. Deshalb hat sie die Corona-Krise besonders hart getroffen, vor allem während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020.
So war das Risiko, arbeitslos zu werden, für die knapp 400.000 Beschäftigten aus Asylherkunftsländern dreimal so hoch wie für Deutsche. Rund 20.000 von ihnen, rund fünf Prozent, haben in der Pandemie ihre Arbeit verloren.
Die Arbeitslosenquote von Geflüchteten ist bis Ende 2020 um 2,7 Prozentpunkte gestiegen - stärker als bei EU-Bürgern (plus 2,2 Prozentpunkte) und Deutschen (plus ein Prozentpunkt). Auch waren Geflüchtete und Migranten häufiger von Kurzarbeit betroffen und konnten seltener im Homeoffice arbeiten. Das geht aus einem soeben vorgestellten Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, einer Forschungseinrichtung der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit.
Doch es gibt auch gute Nachrichten. Als sich die Wirtschaft nach dem ersten Lockdown erholte, fanden Migranten und Geflüchtete auch schneller wieder Arbeit.
Unterbrochene Integration
"Die Beschäftigung von Migrantinnen und Migranten und Geflüchteten reagiert stärker auf Schocks als die der einheimischen Bevölkerung", sagt IAB-Forscher Herbert Brücker, einer der Autoren der Studie. "Aber in dem Moment, wo der Aufschwung wieder einsetzt, kommen sie auch relativ schnell wieder in den Arbeitsprozess hinein."
Sorgen macht Brücker aber, dass die positive Entwicklung der Vorjahre durch die Pandemie stark verlangsamt oder gar gestoppt wurde. So konnte die Beschäftigungsquote von Geflüchteten zwar selbst im Pandemiejahr 2020 noch zulegen (plus ein Prozent), aber deutlich langsamer als im Vorjahr (plus fünf Prozent).
"Wir unterbrechen gerade den Integrationsprozess", sagte Brücker, "das kann langfristig negative Folgen haben." So wurden viele Arbeitsmarktprogramme für Geflüchtete wegen Corona unterbrochen, außerdem Integrations- und Sprachkurse.
Für viele Geflüchtete ist der Verlust des Arbeitsplatzes mit besonderen Ängsten verbunden, sagt Mosjkan Ehrari von Handbook Germany, einem Informationsportal für Migranten. "Wir erhalten derzeit viele Anfragen von Menschen, die sagen: Ich habe meinen Job verloren und habe Angst, dass das Auswirkungen hat auf meinem Aufenthalt."
Vor allem Menschen mit dem Status der Duldung seien betroffen, denn ihnen droht immer die Abschiebung. Laut IAB sind derzeit rund 200.000 Menschen nur geduldet, rund zwei Drittel davon haben eine Arbeit.
Angst vor Abschiebung
Seit Anfang 2020 gibt es die sogenannte Beschäftigungsduldung. Laut Gesetz können Menschen geduldet werden, wenn sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Der Unternehmer Gottfried Härle hält von der Umsetzung allerdings wenig. Das Gesetz verursache "einen hohen bürokratischen Aufwand und ist eher darauf angelegt, Abschiebung zu erleichtern als Bleibeperspektiven zu schaffen - das ist zumindest unser Eindruck".
In seiner Brauerei im Allgäu beschäftigt Härle 35 Mitarbeiter, fünf von ihnen sind Geflüchtete. Mit anderen Unternehmern engagiert sich Härle in der Initiative Bleiberecht für Arbeit. Der Zusammenschluss ist aus Unzufriedenheit darüber entstanden, dass "immer wieder gut integrierte Geflüchtete aus ihren Betrieben abgeholt und abgeschoben wurden". Während der Pandemie habe das zumindest nachgelassen, auch weil es weniger Flüge gebe.
Die unsichere Bleibe-Perspektive ist nicht nur für die Geflüchteten, sondern auch für ihre Arbeitgeber ein Problem, sagt Härle. Stellvertretend für viele ähnliche Einschätzungen zitiert er eine ihm persönlich bekannte Bäckerin, die mehrere Migranten beschäftigt. "Sie sagt: Unsere Flüchtlinge arbeiten voll mit und sind zu sehr guten, unverzichtbaren Mitarbeitern geworden. Aber ich habe die ständige Angst, dass sie abgeschoben werden. Aus diesem Grund würde ich eher keine Flüchtlinge mehr einstellen."
Zuwanderung wächst weiter
Selbst bei nicht unmittelbar von Abschiebung bedrohten Migranten setzt der Verlust des Arbeitsplatzes oft einen "bürokratischen Teufelskreis" in Gang, weil Ämter geschlossen sind, sagt Mosjkan Ehrari von Handbook Germany. Migranten stehen dann "immer wieder vor verschlossenen Türen, erhalten keine Präsenztermine und müssen komplizierte Formulare online ausfüllen - und das meist nur auf Deutsch."
Geschlossene Schulen und Kitas, die auch Deutsche an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen, sind für Migranten eine besondere Herausforderung. "Es ist wirklich eine Katastrophe", sagt Ehrari. "Viele wissen gar nicht, dass auch sie die Notfallbetreuung in Kitas nutzen können." Zudem äußerten Nutzer von Handbook Germany die Sorge, dass ihre Kinder vereinsamen und sich ihre Sprachkenntnisse wieder zurück entwickeln.
Trotz all der Schwierigkeiten ändere aber auch Corona nichts am langfristigen Trend der Zuwanderung, sagt Arbeitsmarktforscher Brücker. Wegen des demographischen Wandels sei das Land auf den Zuzug von Arbeitskräften angewiesen. Selbst im Corona-Jahr 2020 habe es eine Netto-Migration von 250.000 Menschen gegeben, "die zu nicht unerheblichen Teilen auch in Arbeit gekommen sind", so Brücker.