Corona und Handwerk: Die Krux beim Abstand
5. April 2020"Wir machen ganz normal unsere Arbeit, ohne Wenn und Aber", sagt Sven Henning. Jeden Tag fährt der Dachdeckermeister aus Lützen in Sachsen-Anhalt mit seinen drei Angestellten zu einer Baustelle. Anfangs drückten sie sich in die Ecken des großen Transporters, um mehr Abstand voneinander zu haben. Wenn es geht, fahren sie mit zwei Wagen.
Das mit dem Abstand halten ist so eine Sache, nicht nur im Wagen. "Unsere Arbeitsgerüste sind 70 Zentimeter breit", erzählt Henning im DW-Gespräch. "Wenn da einer vorbei muss oder Hilfe braucht, dann stehen die 20 Zentimeter nebeneinander. Da ist nichts mit Abstand."
Und das sind nur seine Leute. "Wenn eine Wohnung saniert wird, dann sind da auch der Maler und der Heizungsbauer und andere - und alle benutzen dieselbe Toilette", sagt Henning.
Bauernopfer - oder einfach nur robust?
Der Dachdecker versteht nicht, warum in der Krise mit zweierlei Maß gemessen wird. Warum Geschäfte schließen müssen und Menschen höchstens zu zweit unterwegs sein dürfen - aber Handwerker einfach weitermachen sollen, als wäre nichts gewesen.
"Wenn das Virus wirklich so gefährlich ist, wie man sagt, dann sind wir die Bauernopfer, die man rausschickt", sagt Henning. "Zumindest müssten wir regelmäßig getestet werden. Wir wissen doch selbst nicht, ob wir das Virus verbreiten oder selbst krank werden."
Auch Frank Ponzlet aus Köln versteht nicht, warum Handwerker einfach weiter machen dürfen. "Vielleicht geht man ja davon aus, dass wir Handwerker zumindest nicht auf die Intensivstation müssen, wenn wir uns infizieren. Schließlich bewegen wir uns ja sehr viel", sagt der auf Bodenbeläge spezialisierte Schreiner und Hochbautechniker aus Köln - und lacht.
Er ist jedenfalls dankbar, weiter arbeiten zu können. Er kennt Freiberufler, die sämtliche Aufträge verloren haben. Bei ihm wurden wegen Corona aber bisher nur ein paar Termine verschoben. Auf Baustellen in leeren Wohnung werde ganz normal gearbeitet.
Krise mit Zeitverzögerung
So fährt Ponzlet täglich mit einem Angestellten und einem festen Subunternehmer auf Baustellen - allerdings nicht mehr in einem, sondern in zwei Autos.
"Die Krise trifft uns als Handwerker nicht sofort. Es gibt eine Zeitverzögerung", so Ponzlet zur DW. "Ich mache gerade Arbeiten, die ich zwischen Dezember und Februar akquiriert habe."
Das Problem seien die zukünftigen Aufträge, denn die erhält er vor allem über seinen Laden "Handverlegt" im Kölner Stadtteil Ehrenfeld. Hier lassen sich Kunden beraten, suchen Materialien aus, etwa Holzarten für das Parkett, und vergeben Aufträge.
"Doch im Geschäft tut sich im Moment gar nichts mehr", sagt Ponzlet zur DW. "Für mich wird sich die Corona-Krise wohl um drei Monate verschieben."
Hervorragend findet er die Einmalhilfe für in Not geratene Kleinunternehmen, die nicht zurückgezahlt werden muss."Das rettet einen zumindest mal über einen Monat."
Allerdings fragt er sich, ob die Hilfen auch dann noch zur Verfügung stehen, wenn er sie einmal selbst benötigt. "Bisher ist immer vom 30.Mai die Rede. Aber was, wenn ich erst Mitte Juni ein Problem habe?"
Ohnehin mit Maske
"Beachten Sie generell die Abstandsregelung von mindestens 1,5 m!", rät die Handwerkskammer Köln. Frank Ponzlet versucht sich daran zu halten. "Und ich habe eine Maske, die mich gegen Staub schützt", sagt er. "Ob die mich auch gegen Coronaviren schützt, weiß ich nicht."
Auch Sven Henning aus Lützen ist mit FFP3-Masken gut ausgerüstet. Die braucht er ohnehin als Schutz gegen Staub. "Aber schon im Januar, als das mit Corona in China bekannt wurde, habe ich vorgesorgt und mir ein paar zusätzliche Masken bestellt." Auch Desinfektionsmittel hat er für seine Leute noch aufgetrieben. "Wir kennen ja Gott sei Dank einen Haufen Leute."
Dachdecker Henning und Schreiner Ponzlet sind froh, derzeit noch gut zu tun zu haben. Schließlich klagten schon Ende März drei Viertel der Handwerker über Umsatzrückgänge, so eine Umfrage des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) unter fast 5000 Betrieben. Doch beide wissen auch, dass sich die Lage auf einen Schlag ändert, sollten sie oder ihre Angestellten sich mit dem Coronavirus infizieren.