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Wassermangel verschärft sich in Delhis Slums

Catherine Davison Neu-Delhi, Indien
9. April 2020

In den Elendsvierteln Delhis ist das Wasser knapp. Händewaschen ist ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann. Aufgrund der Ausgangssperre befürchten Slumbewohner weitere Einschnitte bei der Wasserversorgung.

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Drei Leute in einem Slum in Neu-Delhi
Bild: Getty Images/Y. Nazir

Es ist selten einfach in einem der Slums von Delhi an Wasser zu gelangen. Seitdem Indien zur Eindämmung des Coronavirus eine landesweite Ausgangssperre verhängt hat, haben einige Menschen überhaupt keinen Zugang zu Wasser mehr.

"Wir hatten schon immer Probleme mit Wasser", sagt Mohan Singh Patwal, der in Delhis größtem illegalem Slum Sangam Vihar lebt, der über eine Million Einwohner zählt. "Aber seit dem Lockdown weigern sich viele private Unternehmer, unsere Viertel mit ihren Tankwagen anzufahren. Wenn dann doch mal einer kommt, hat er schnell kein Wasser mehr. Die ganze Gegend leidet derzeit unter Wassermangel."

Das Viertel Sangam Vihar hat als informelle Siedlung, die von der Regierung offiziell nicht anerkannt ist, keinen Anspruch auf Anschluss an das öffentliche Wassernetz. Die Regierung sendet zwar Tankwagen in das Gebiet, doch meist können sie den Wasserbedarf der Bevölkerung nicht decken. Dann kommen private Wasserlieferanten ins Spiel.

Patwal sagt, dass er seit Beginn der Ausgangssperre vor zwei Wochen kein Wasser mehr hat beschaffen können. Momentan rationiert er sein Wasser, das er in einem Wassertank im Haus aufbewahrt. Er kann es sich leisten, Trinkwasser kaufen, doch für viele ärmere Inder ist das schlicht nicht erschwinglich.

Ausgangssperren in Delhi 
Seit den landesweiten Ausgangssperren dürfen die Menschen nur noch aus besonderen Gründen das Haus verlassenBild: picture-alliance/NurPhoto/N. Kachroo

Wie so viele in Sangam Vihar ist er zum Waschen und Kochen auf das Wasser der privaten Tanklastfirmen angewiesen. Diese bezeichnen viele Einheimische als "Wassermafia". Aus illegalen Bohrlöchern pumpen sie Wasser ab und verkaufen es an die Slumbewohner.

86% derHaushalte in den Slums der indischen Hauptstadt haben keinen Anschluss an das öffentliche Wassernetz, wie Daten, die zuletzt für das Jahr 2012 erhoben wurden, zeigen. Diese Menschen sind auf die Tanklastwagen angewiesen.

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Viele Familien befürchten, dass die Lieferungen der privaten Tanklastfirmen während der Ausgangssperre komplett ausgesetzt werden könnten. Straßensperren der Polizei verhindern ein Durchkommen für diejenigen, die keine Sondergenehmigung der Regierung vorlegen können. Ein Tanklastwagenfahrer, der für ein privates Unternehmen arbeitet, äußerte sich gegenüber der DW. Er und seine Kollegen haben Angst, das Haus zu verlassen, seit die Ausgangssperre in Kraft ist.

"Ich will nicht gegen die Auflagen verstoßen", sagt der Mann, der aufgrund seiner illegalen Arbeit anonym bleiben will. "Ich werde erst dann wieder Wasser ausliefern können, wenn die Sperre aufgehoben ist."

Virus verdeutlicht Delhis ungerechte Wasserverteilung

Als wichtigste Maßnahme zur Eindämmung des Virus raten Experten zum gründlichen Händewaschen mit Seife und Wasser. Die Organisation WaterAid India schätzt, dass einer von acht Indern keinen Zugang zu sauberem Wasser in der näheren Umgebung des Wohnumfelds vorfindet. Diese Situation könnte den Vormarsch der Krankheit beschleunigen, so die Sorge der Nichtregierungsorganisation.

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Menschen, die wenig Wasservorräte besitzen, nutzen Wasser "zuallererst zum Trinken und Kochen", gibt Shalini Chaturvedi zu bedenken, die bei der Organisation WaterAid India als Programm-Managerin arbeitet. "Händewaschen hat nicht die höchste Priorität." Chaturvedi fordert, dass die Behörden "sicherstellen müssen, dass die Slums auch weiterhin Wasserlieferungen von den Tanklastwagen erhalten."

"Weil das hier eine Krisensituation ist, kann es sein, dass [die Regierung] den Wassertankwagen keine Priorität zukommen lässt – vielleicht fokussieren sie sich momentan auf andere Notfallmaßnahmen", vermutet sie gegenüber der DW. 

Frauen holen in großen Kanistern Wasser
Vor der Corona-Kirse: Frauen holen Wasser von einem staatlichen Tankwagen in Sangam Vihar Bild: Catherine Davison

Die Wasserbehörde der Stadt, Delhi Jal Board, berief am 25. März ein Notfall-Treffen ein, um auch während einer Verschärfung der Krise die Wasserversorgung in den besonders gefährdeten Gemeinden mit Regierungslieferungen sicherzustellen. Doch Anwohner wie Patwal, die schon vor Corona mit Wassermangel zu kämpfen hatten, beklagen immer noch, dass sie immer noch keinen Zugang zu genug Wasser haben.

Zur Zeit der Veröffentlichung dieses Artikels waren weder die Stadtregierung von Delhi noch die lokale Wasserbehörde der Bitte der DW nach einem Kommentar nachgekommen.

Hohe Wasserpreise für die Ärmsten der Armen

Wer sein Wasser von privaten Tanklastfirmen bezieht, sieht sich nicht nur dem Problem des grundsätzlichen Wasserzugangs ausgesetzt. Auch die Wasserpreise sind ein Problem. Dev Vati, eine Großmutter, die ebenfalls in Sangam Vihar lebt, musste einen alternativen Lieferanten finden - der Tankwagen, der sie normalerweise beliefert, hatte den Betrieb eingestellt.

Sie macht sich Sorgen darüber, dass die Preise für Wasser bald ansteigen werden, wie es während der Sommermonate üblich ist.

In der kühlen Jahreszeit zahlt sie pro Woche 500 Rupien, umgerechnet etwa sechs Euro für 2.000 Liter Wasser. Mit dieser Menge kann sie ihre achtköpfige Familie für rund eine Woche versorgen. Im Sommer jedoch schnellen die Preise wegen des Wassermangels in die Höhe. Vati sagt, dass sie dann etwa das Doppelte, und damit 20 Prozent des Gesamteinkommens ihres Haushalts, für Wasser ausgeben müsse. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in den Slums von Delhi beträgt etwa 1700 Rupien oder 20 Euro im Monat.

Zwei Hände, die sich Geld reichen
Dev Vati bezahlt den privaten Tankwagenfahrer für 2.000 Liter Wasser pro Woche Bild: Catherine Davison

Im Wahlkampf hatte die Regierung erst kürzlich versprochen, dass jeder Haushalt in Delhi wöchentlich 700 Liter kostenloses Wasser erhalten würde. Das sollte auch für illegale Slums gelten. Eine bestehende Wasserleitung sollte bis zu dem Block, in dem Vati und Patwal wohnen, verlängert werden.

Wegen des Lockdowns ist der versprochene Anschluss ans Wassernetz in monateweite Ferne gerückt. Dabei wäre er gerade jetzt zur Eindämmung des Virus besonders notwendig. "Niemand will hierhin Wasser schicken", sagt Vati. "Ich habe viele Jahre gewartet, aber das Wasser ist immer noch nicht gekommen."

Abstandhalten ist Luxus

Die Wasserbehörde der Stadt hat inzwischen Fotos und Videos auf Twitter veröffentlicht, in denen sich Regierungsangestellte bei der Verteilung des Wassers aus Tanklastwagen darin versuchen, Abstand zu halten.

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In den dicht besiedelten Slums von Delhi, wo über ein Drittel der Bevölkerung der indischen Hauptstadt lebt, ist Social Distancing eine schwer umsetzbare Angelegenheit. Das gilt vor allem für die Wasserabholstationen, wo sich Frauen in bunten Saris um die begrenzten Wasserlieferungen zoffen und es in Zeiten von Wassermangel manchmal zu Handgreiflichkeiten kommt.

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In anderen Slums in Delhi kommen die Menschen besser mit der neuen Situation zurecht. Wie beispielsweise in Harijan Basti, wo der Anschluss an das Wassernetz gelungen ist. Weil ihr Slum von der Regierung offiziell anerkannt worden war, haben sie einen Anspruch auf öffentliches Wasser. Die Regierung hat den Slumbewohnern erlaubt, eine nahegelegene Wasserleitung der Stadt anzuzapfen – an einer Stelle, wo es ohnehin ein Leck gab. Mit Hilfe von WaterAid und FORCE, einer lokalen Nichtregierungsorganisation, haben sie den Bau des Leitungsnetzes vor zwei Jahren abgeschlossen. Jeder Haushalt hat nun seinen eigenen Wasserhahn.

Ein Buch mit Passbildern von Frauen
Ram Rati mit Angaben zu den Mitgliedern der Frauenkooperative, die die Wasserleitungen in Harijan Basti in Stand halten Bild: Catherine Davison
Wasser testen in Harijan Basti
Vor dem Ausbruch: Ram Rati testet Wasserqualität in Harijan BastiBild: Catherine Davison

Ram Rati ist Mitglied einer Frauenkooperative, die von den beiden kooperierenden NGOs geschult wurde. Die Frauen sollen sicherstellen, dass die Leitungen gewartet und die Wasserqualität regelmäßig getestet wird.

"Wasser ist meine Arbeit, meine Pflicht. Wasser ist Leben", so Rati.

Die Frauen kassieren von jedem Haushalt Wartungsgebühren, um anfallende Reparaturen zu bezahlen. Shalini Chaturvedi, die Programm-Managerin von WaterAid, sagt, dass diese Art der Wasserversorgung im Gegensatz zu der Situation in Sangam Vihar nicht anfällig für Profitmaximierung und Ausbeutung sei. Das Netz werde von der Gemeinschaft selbst betrieben und aufrechterhalten.

Während des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie hat sich der Zugang zu sauberem, bezahlbarem Wasser aus dem eigenen Hahn für die Bewohner des Viertels als besonders nützlich erwiesen.

"Wir müssen uns nicht mehr anstellen und können größere Menschenansammlungen meiden", erläutert Rati. Sie sagt, dass sie sich wegen der Wasserleitungen auch sicherer fühlt. "So können wir Abstand voneinander halten. Das hilft, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern."