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Politik

Neue Eurobonds, alte Feindbilder

Jannis Papadimitriou
2. April 2020

Gerade erst hat Griechenland die Schuldenkrise hinter sich gelassen. Nun sorgt das Coronavirus für neue Unsicherheit - und für die Wiederbelebung alter Feindbilder.

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Symbolbild Eurobonds
Bild: picture alliance/dpa/Bildagentur-online/HRI-McPhoto

Es begann mit einem Gerücht: Deutschland habe die Einführung von Mundschutzmasken aus China nach Griechenland verhindert, monierte vor wenigen Tagen das linksgerichtete Athener News-Portal Iskra (Russisch für "Funke"). Zu Zeiten des Coronavirus ein vermeintlicher Skandal, wobei allerdings keine Beweise für die "Information" vorgelegt wurden. Trotzdem wird diese Behauptung immer wieder zitiert in Hellas - etwa in linkspopulistischen Blättern oder in den sozialen Netzwerken. Die emotional aufgeladene Botschaft ist wohl eindeutig: Schon wieder würden sich die Deutschen unnachgiebig zeigen gegenüber einem kleinen Land in Not - genauso wie damals, auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise.

"Es handelt sich eindeutig um Fake-News, bei dieser Behauptung gibt es eigentlich nichts zu kommentieren oder ernst zu nehmen" moniert Jorgos Tzogopoulos, Publizist und Dozent für Internationale Beziehungen an der Universität Thrakien. Das Problem sei jedoch nicht zu leugnen: Fake-News fielen in Krisenzeiten auf fruchtbaren Boden und befeuerten Vorurteile, mahnt der Experte im Gespräch mit der DW. Vor acht Jahren, auf dem Höhepunkt der Eurokrise, publizierte der Politikwissenschaftler ein Buch über Medienklischees in der gegenseitigen Wahrnehmung von Deutschen und Griechen. Heute, befürchtet er, würden genau die gleichen Klischees im Zuge der Corona-Krise wiederbelebt.   

Illustration zum Euro
Griechenland unterstützt eine gemeinsame Schuldenaufnahme Europas Bild: picture alliance/dpaJ.Büttner

Griechenland will Corona-Bonds

Salonfähig werden Ressentiments allerdings erst in der Debatte um Eurobonds. Auch Griechenland unterstützt eine gemeinsame Schuldenaufnahme Europas durch sogenannte Corona-Bonds. So sollen die finanziellen Folgen der Corona-Krise gemildert werden. Deutschland und weitere Netto-Zahler sehen jedoch keine Notwendigkeit dafür. Sie verweisen auf den Rettungsschirm des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der Kredite zu günstigen Konditionen, aber mit strengen Sparauflagen vergibt - für Athen kein Trost, sondern eher ein Affront. Denn: Gerade um die ESM-Sparauflagen zu erfüllen, mussten die Griechen in den vergangenen Jahren sämtliche Krankenhäuser kaputtsparen. Die Folgen sind in der Corona-Krise zu spüren.

Der Hinweis, man möge die Krise ausgerechnet durch neue ESM-Kredite meistern, klingt für viele wie Hohn. Außerdem sei die Ausgangslage eine andere als in Zeiten der Euro-Krise, meint Politikwissenschaftler Tzogopoulos: "Damals konnte man Griechenland noch vorwerfen, das Land sei mitverantwortlich für die eigene Finanzmisere. Heute kann man den Italienern kaum vorwerfen, sie seien mitschuldig für das Coronavirus", sagt der Experte. Andere Analysten formulieren es noch viel drastischer: Durch Kredite und Sparprogramme entstehe eine "neue deutsche Besatzung in Europa", poltert Jorgos Kraloglou, Kommentator der eigentlich gemäßigten Wirtschaftszeitung "Capital". Berlin sei rücksichtslos und den heutigen Umständen nicht gewachsen, Italien sei nur das erste Ziel seiner Unterwerfungspolitik, fügt er hinzu.

Giorgos Tzogopoulos
Politikwissenschaftler Giorgos Tzogopoulos sieht Spielraum für VerhandlungenBild: DW/P. Kouparanis

Immerhin vertrauen Politiker noch auf die Macht der Argumente. Maria Spiraki, EU-Parlamentarierin der konservativen Regierungspartei ND, sagt der DW, es gehe hier nicht um einen Konflikt zwischen Nord und Süd, sondern um eine gemeinsame Notlage aller Europäer, die eben nur durch eine finanzpolitische "Superwaffe" gemeistert werden könne. In einer gemeinsamen Erklärung fordern neun europäische Staaten, unter ihnen auch Griechenland, die Ausgabe von Eurobonds - eine endgültige Absage an den ESM?

Spiraki will nichts ausschließen. "Wer die Erklärung der neun Regierungschefs liest und gutgläubig interpretiert, der sieht auch ein, dass der ESM nicht endgültig ausgeklammert wird", sagt die Europapolitikerin. Wichtig sei allerdings, dass die Ausgabe gemeinsamer Schuldentitel, von wem auch immer, im Zeichen größtmöglicher Solidarität erfolge und nicht das eine oder andere Land in ein Sparprogramm zurückführe. In diesem Zusammenhang sieht auch Politikwissenschaftler Tzogopoulos Spielraum für Verhandlungen: Deutschland könne einer Lockerung der ESM-Sparauflagen zustimmen und dadurch Kompromissbereitschaft signalisieren, gibt er zu bedenken.

Eine "Koalition der Willigen" für Corona-Bonds

Sollte nichts mehr helfen, dann könnten die interessierten Staaten eine "Koalition der Willigen" bilden und gemeinsame Bonds ohne die Nettozahler ausgeben. Für Griechenlands Oppositionsführer Alexis Tsipras ein durchaus gangbarer Weg: Ohne Deutschland und die Niederlande seien Eurobonds zwar nicht so stark, aber immerhin stünden die übrigen Mitgliedstaaten für einen Großteil der Wirtschaftsleistung im Euro-Raum, mahnt der Linkspolitiker in einem Beitrag für die französische Zeitung "Le Monde" am Donnerstag (2.4.) Sein Fazit: Sollte Angela Merkel die Zustimmung der deutschen Presse wichtiger sein als eine führende Rolle zur Bewahrung der europäischen Einheit, dann sollten auch die Willigen nicht mehr zögern, weitere Schritte gemeinsam zu unternehmen.